[Gastbeitrag] DANN EBEN DURCH DIE HINTERTÜR. BUCHHANDEL IN ZEITEN VON CORONA von Ute Gartmann

Wenn ich hier auf meinem Blog von „die Buchhändlerinnen meines Vertrauens“ spreche, dann ist u.a. auch sie damit gemeint: Meine erste Gästin ist Ute Gartmann, die eine Hälfte des dynamischen Schwestern-Duos (Auf diesem Wege: Liebe Grüße an Sabine, die andere Hälfte…!), das die Geschicke in meiner Stamm-Buchhandlung lenkt – und das schon seit Jahrzehnten. Darum kann ich auch nicht mit Gewissheit sagen, wie lange Ute und ich uns schon kennen: Es scheint mir wie eine gefühlte Ewigkeit. Im Laufe dieser Zeit haben wir uns schon bei so manchen Projekten gegenseitig unterstützt, und es war mir immer eine wahre Freude…!


Andreas hat mich gefragt, ob ich was für seinen Blog schreibe – schaut mal…

DANN EBEN DURCH DIE HINTERTÜR… aber das ist nur der zweite Teil des Lebens in der Buchhandlung in Corona-Zeiten – vielleicht auch schon der dritte: Am 17. März 2020 haben wir abends „die schatulle“ abgeschlossen und wussten nicht, wie und ob es am nächsten Tag weiter geht – ein zutiefst trauriges Gefühl, unbeschreiblich – irgendetwas zwischen Ohnmacht, Trauer und Angst. Das einzige, was klar war, dass wir uns alle am nächsten Tag wieder in der Buchhandlung sehen und schauen, was kommt. Strategien haben wir noch am Abend entworfen: Präsenz auf dem Wochenmarkt, Anzeigen schalten, um den Webshop zu bewerben und, und, und…! Und dann kam der besagte Mittwoch: Das Telefon klingelte ununterbrochen, Mails kamen im Viertelstundentakt, Bestellungen über den Webshop purzelten nur so herein. Ein unglaublicher Start in den Lockdown: Wir hatten alle Hände voll zu tun, denn selbst für eine Schullektüre für 1.80 € mussten wir eine Rechnung schreiben. Aber auch darüber hinaus war es der grandiose Wahnsinn: Die Kund*innen verschenkten hohe Gutscheine, schickten über uns dicke Pakete an die Verwandtschaft und die Freunde, orderten Buchgeschenke zu Geburtstagen des ganzen Jahres…! Wir berieten, bestellten, packten, stellten Touren zusammen und radelten abends durch die verschiedenen Quartiere der Stadt. Nachbetrachtend: eine tolle Zeit! Im März 2020: sehr beängstigend…!

Dann das Ende des Lockdowns. Die Osterholzer stürmten unseren Laden. Es war ein Gefühl wie Weihnachten! Und der Lesehunger nahm das gesamte Jahr nicht ab. So viele Leser*innen, die sich auf das lokale Einkaufen zurückbesonnen und Amazon und Co. den Rücken gekehrt haben, die in Zeiten von Homeoffice auf dem Heimweg oder in der Mittagspause nicht bei Thalia einkauften. Kurz: Es war ein Fest für den inhabergeführten Buchhandel! Wäre da nicht Corona: Wir arbeiteten in Teams, damit der Laden nicht schließen müsste, sollte sich eine von uns infizieren. Im Sommer: super/ im Garten liegend/ drei Tage arbeitend/ drei Tage frei! Im Laden: manchmal Stress, weil einfach zwei Personen fehlten. Bis kurz vor Weihnachten fast schon wieder alles normal war (Unsere schicken aus Schweden importierten Einkaufstaschen halfen uns, die „Besucherzahlen“ im Griff zu haben.). Doch dann – dann die Ankündigung des zweiten Lockdowns zum 14.Dezember. Das Grauen – die umsatzstärksten Tage des Jahres ohne Kund*innen im Laden. Aber: gut gegangen dank „click & collect“, denn mit dem Fahrrad hätten wir es im Dezember nicht geschafft. Doch die unglaubliche Treue unserer Kund*innen hat uns auch das überstehen lassen. Weihnachten lagen wir alle erschöpft, zufrieden und demütig auf den Sofas, schlossen alle großartigen Menschen in unseren Jahresrückblick ein und hofften auf 2021. Die ersten zwei Monate waren hart: Winter, wenige Menschen unterwegs, die Stimmung der Republik auf dem Tiefststand – aber (s.o.) DANN EBEN DURCH DIE HINTERTÜR…!

Jetzt haben wir wieder geöffnet, und der Staat hat erkannt, dass Bücher lebensnotwendig sind – wir sind den Lebensmittelläden gleichgestellt und haben Inzidenzwert unabhängig geöffnet. Aber viel wichtiger ist uns: Bücher sind Ihnen wieder viel wichtiger geworden. Sie gestalten Ihre Freizeit mit einem Buch. Sie alle lesen viel mehr, Kinder entdecken Bücher neu und beginnen sie zu lieben. Mußestunden werden wieder mit Büchern verbunden. Wir alle entdecken Welten, die wir wegen Corona nicht bereisen können. Wir treffen neue Freunde zwischen den Seiten, weil wir die realen nicht treffen dürfen/ können. Wir sprengen unseren zurzeit kargen Alltag durch phantastische Erzählungen und bringen Farbe in dieses graue Frühjahr…!

Wir freuen uns auf nicht digitale Lesungen sondern Live-Veranstaltungen, auf Exkursionen, die wir planen, auf Ihr Lachen ohne die Maske vor Ihrem Gesicht,…

…und wir freuen uns, dass Sie uns treu geblieben sind und unsere Anstrengungen und Leistungen schätzen!

Ute Gartmann


Ute GartmannUte Gartmann wurde als jüngste von drei Schwestern in Braunschweig geboren. Nach Abitur Studium incl. 2. Staatsexamen auf „Lehramt“ in Oldenburg. Seit 1987 Mit-Geschäftsführerin in der schwesterlichen Buchhandlung die schatulle, die u.a. mehrfach mit dem „Deutschen Buchhandlungspreis“ und als „Prädikatsbuchhandlung. Partner für Leseförderung“ ausgezeichnet wurde. Hobbies: lesen (na logisch!) wahlweise mit oder ohne Katze (am liebsten: mit Katze), Garten, Urlaub in Sizilien (Heimat ihres Mannes), Sport: Tennis, Laufen, Fitness, Rennrad. Fühlt sich der Stadt Osterholz-Scharmbeck sehr verbunden, die sie sehr mag.


2 Kommentare zu „[Gastbeitrag] DANN EBEN DURCH DIE HINTERTÜR. BUCHHANDEL IN ZEITEN VON CORONA von Ute Gartmann

  1. Eindrückliche Schilderung dieser besonderen Zeit. Danke dafür. Die Schatulle ist ja meine Lese-Wiege. Als ich noch in OHZ (bis 1989) war ich regelmäßig zu Gast und habe mir so viel empfehlen lassen. Das hat bis heute meinen Lesegeschmack geprägt. Und heute gehört beim „Tanten-Besuch“ eine Runde zu euch fest zum Programm. Immer eine Freude. Auch, weil bei euch im Laden einfach immer eine so leichte, gute und freundliche Stimmung herrscht. Auf bald!

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    1. Moin Jens!

      Vielen Dank für Deine lieben Worte. Es freut mich, dass Dir der Beitrag gefallen hat und Du sogar mit der „schatulle“ persönliche Erinnerungen verbindest. Vielleicht bis bald in „unserer“ Buchhandlung…!?

      Herzlichen Gruß
      Andreas

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