[Noch ein Gedicht…] Joachim Ringelnatz – PFINGSTBESTELLUNG

Ein Pfingstgedichtchen will heraus
Ins Freie, ins Kühne.
So treibt es mich aus meinem Haus
Ins Neue, ins Grüne.

Wenn sich der Himmel grau bezieht,
Mich stört’s nicht im geringsten.
Wer meine weiße Hose sieht,
Der merkt doch: Es ist Pfingsten.

Nun hab ich ein Gedicht gedrückt,
Wie Hühner Eier legen,
Und gehe festlich und geschmückt –
Pfingstochse meinetwegen –
Dem Honorar entgegen.

Joachim Ringelnatz


🌿 Ich wünsche Euch von Herzen frohe PFINGSTEN! 🌿


[Noch ein Gedicht…] Eduard Paulus – VORSCHLAG

O wie rinnt in meine Glieder
Eine stille Seligkeit,
Sonntag, Sonntag ist es wieder,
Abgelegt das Werktagskleid.

O wie machst du jede Plage,
Alles wieder schön und gut,
Nachgeschmack von jenem Tage,
Da der Herr der Welt geruht.

Rufst in unserer gescheiten
Fleißigen Welt oft wunderbar
Mir zurück die seligen Zeiten,
Da es immer Sonntag war.

Für die nächste Schöpfungsfrage
Mach ich, Herr, den Vorschlag nun:
Ruhen mögst du sechs der Tage
Und am siebten gar nichts tun.

Eduard Paulus

[Noch ein Gedicht…] Else Lasker-Schüler – ICH LIEBE DICH…

Ich liebe dich
Und finde dich
Wenn auch der Tag ganz dunkel wird.

Mein Lebelang
Und immer noch
Bin suchend ich umhergeirrt.

lch liebe dich!
Ich liebe dich!
Ich liebe dich!

Es öffnen deine Lippen sich…..
Die Welt ist taub,
Die Welt ist blind

Und auch die Wolke
Und das Laub –
– Nur wir, der goldene Staub
Aus dem wir zwei bereitet:
– Sind!

Else Lasker-Schüler


Ich wünsche Euch von Herzen einen wunderbaren VALENTINSTAG!


[Noch ein Gedicht…] Johann Wolfgang von Goethe – JAHRAUS, JAHREIN

Ohne Schlittschuh und Schellengeläut‘
Ist der Januar ein böses Heut‘.

Ohne Fastnachtstanz und Mummenspiel
Ist am Februar auch nicht viel.

Willst du den März nicht ganz verlieren,
So laß nicht in April dich führen.

Den ersten April mußt überstehn,
Dann kann dir manches Guts geschehn.

Und weiterhin im Mai, wenn’s glückt,
Hat dich wieder ein Mädchen berückt.

Und das beschäftigt dich so sehr,
Zählst Tage, Wochen und Monde nicht mehr.

Johann Wolfgang von Goethe

[Noch ein Gedicht…] Max Hartung – SILVESTERNACHT

Die Glocken tönen durch die Nacht,
Du lauschest ihrem Klingen;
Das Jahr, das du herangewacht,
Was wird das neue bringen?

Kein Glockenlaut, kein Menschenmund,
Noch der Gestirne Kreisen
Vermag auf Gottes Erdenrund
Die Zukunft dir zu weisen!

Drum frag dich selbst! Das Jahr wird gut,
Gehst du auf rechten Wegen,
In deinem Tun und Lassen ruht
Des neuen Jahres Segen.

Max Hartung

[Noch ein Gedicht…] Heinz Erhardt – WEIHNACHTEN 1944 oder „WIE ICH KEINEN URLAUB BEKAM“

Wenn es in der Welt dezembert
und der Mond wie ein Kamembert
gelblich rund, mit etwas Schimmel
angetan, am Winterhimmel
heimwärts zu den Seinen irrt
und der Tag stets kürzer wird –
sozusagen wird zum Kurztag –
hat das Christkindlein Geburtstag!

Ach, wie ist man dann vergnügt,
wenn man einen Urlaub kriegt.
Andrerseits, wie ist man traurig,
wenn es heißt: „Nein, da bedaur ich!“
Also greift man dann entweder
zu dem Blei oder der Feder
und schreibt schleunigst auf Papier
ein Gedicht, wie dieses hier:

Die Berge, die Meere, den Geist und das Leben
hat Gott zum Geschenk uns gemacht;
doch uns auch den Frieden, den Frieden zu geben,
das hat er nicht fertiggebracht!
Wir tasten und irren, vergehen und werden,
wir kämpfen mal so und mal so…
Vielleicht gibt’s doch richtigen Frieden auf Erden?
Vielleicht gerade jetzt? – Aber wo?

Heinz Erhardt

[Noch ein Gedicht…] Arne Rautenberg – SCHNEEEEE

und aus dem gelben himmel schneits ein e
und noch ein e und noch ein e und plötzlich
ward alles e immer noch und wieder e

und da war schnee da war schnee in deen
chauseen war schnee übeer deen eebeeneen
schnee übeer deen dächeern schnee in jeedeem

beeet wuchs nurmeeehr deeer schneee schneee war
im geeesteeern und im heeeuteee war schneee
füchseee tollteeen im schneee pfiffeee geeellteeen

im schneeee glockeeeen schallteeeen übeeeer deeeem
seeee und auf deeeem seeee lag schneeee in jeeeedeeeer
ideeee war eeeeinfach nur meeeehr schneeeeee

Arne Rautenberg

[Noch ein Gedicht…] Joachim Ringelnatz – DIE DREI SPATZEN

In einem leeren Haselstrauch
Da sitzen drei Spatzen, Bauch an Bauch.

Der Erich rechts und links der Franz
Und mitten drin der freche Hans.

Sie haben die Augen zu, ganz zu,
Und obendrüber da schneit es, hu!

Sie rücken zusammen dicht an dicht.
So warm wie der Hans hats niemand nicht.

Sie hören alle drei ihrer Herzlein Gepoch.
Und wenn sie nicht weg sind, so sitzen sie noch.

Joachim Ringelnatz

[Noch ein Gedicht…] Friederike Brun – AN EINE SÄNGERIN

Töne länger, Silberstimme! klage
Seelenwohllaut tiefer mir in’s Herz!
Ach! wie Augenblick‘ entflöhen Tage
Mir in Thränen, mir bei Orpheus Schmerz.

Zauberin! von welchen Harmonieen
Hast Du Ton, und Red‘ und Sang entlehnt?
Länger athmend mit Iphigenien
Fühlt‘ ich Gluck aus Deiner Brust verschönt!

Friederike Brun

[Noch ein Gedicht…] Erich Kästner – SOZUSAGEN IN DER FREMDE

Er saß in der großen Stadt Berlin
an einem kleinen Tisch.
Die Stadt war groß, auch ohne ihn.
Er war nicht nötig, wie es schien.
Und rund um ihn war Plüsch.

Die Leute saßen zum Greifen nah,
und er war doch allein.
Und in dem Spiegel, in den er sah,
saßen sie alle noch einmal da,
als müsste das so sein.

Der Saal war blaß vor lauter Licht.
Es roch nach Parfüm und Gebäck.
Er blickte ernst von Gesicht zu Gesicht.
Was er da sah, gefiel ihm nicht.
Er schaute traurig weg.

Er strich das weiße Tischtuch glatt
und blickte in das Glas.
Fast hatte er das Leben satt.
Was wollte er in dieser Stadt,
in der er einsam saß?

Da stand er, in der Stadt Berlin,
auf von dem kleinen Tisch.
Keiner der Menschen kannte ihn.
Da fing er an, den Hut zu ziehn!
Not macht erfinderisch.

Erich Kästner