Kompositionen von Clara Schumann, Robert Schumann und August Klughardt
Philharmonisches Orchester Bremerhaven
Deutsches Auswandererhaus Bremerhaven/ New York Saal
OBOE Luc Durand
VIOLA Kari Träder
KLAVIER Zuzanna Hutek
Ich trat aus dem geschützten Parkhaus hinaus, und eine klirrende Kälte empfing mich. Meine Schritte lenkten mich an der gläsernen Werft vorbei direkt ans Hafenbecken. Ich blieb für einen Moment am Rand der Hafenmauer stehen, gierig sog ich die frische Luft in mich ein und lauschte den Geräuschen der Hafenwelten: Aus einem nahen Lokal erklang beim Öffnen der Tür das Stimmengewirr der Gäste und das Klappern von Geschirr zu mir herüber. Ein leichter Wind ließ die Wellen sanft an die Kaimauer schlagen, und über mir schrien die Möwen für mich unsichtbar im Dunkel des Abends. Ich schlenderte weiter über die Fußgängerbrücke und näherte mich dem Deutschen Auswandererhaus, dessen düstere Fensterfront vor mir aufragte. Nur die Beleuchtung in der Lobby ließ erahnen, dass hier noch nicht zur Gänze Ruhe eingekehrt war…!
Nach Jahrzehnten, nachdem ich als junger Mensch ein Klassik-Abonnement beim Kulturzentrum Gut Sandbeck bei uns in Osterholz-Scharmbeck hatte, gönnte ich mir wieder ein Kammerkonzert. Während die großen Symphonie-Konzerte mit orchestraler Wucht und ihrem Zusammenspiel einer Vielzahl an Instrumentalisten überzeugen, punkten Kammerkonzerte durch ihren Minimalismus, indem nur wenige Instrumente im Rampenlicht stehen. So wird meine Aufmerksamkeit als Zuhörer auf die jeweiligen Solist*innen fokussieren. Mit Interesse und Bewunderung beobachte ich sie so nur allzu gerne bei der Ausübung ihrer Kunst.
Der New York Saal im Deutschen Auswandererhaus Bremerhaven entpuppte sich als ein funktionaler Mehrzweckraum. Würde auch hier die Musik das Wunder vollbringen können, diese beinah sterile Atmosphäre aufzubrechen – zumal der Untertitel des Konzerts uns SELTENE MUSIK DER ROMANTIK versprach? Als Solist*innen betraten Luc Durand an der Oboe, Kari Träder mit der Viola und Zuzanna Hutek am Klavier die „Bühne“. Werke von Robert Schumann, Clara Schumann und August Klughardt standen auf dem Programm.
Nachdem Luc Durand das Publikum begrüßt und einige Anmerkungen zum Programm gemacht hatte, startete das Konzert mit DREI ROMANZEN FÜR OBOE UND KLAVIER OP. 94 von Robert Schumann, die im Zusammenspiel von Durand mit Zuzanna Hutek beinah verträumt erschienen. Leicht und sehr verspielt entführten mich die Kompositionen in meiner Phantasie zu einem lauen Frühlingstag voller Unbeschwertheit.
Bei SCHILFLIEDER OP. 28 FÜR OBOE, VIOLA UND KLAVIER von August Klughardt gesellte sich Kari Träder dazu. Der Klang der Viola gab sofort den Ausdruck dieser Kompositionen vor: Mit einem dunkleren und somit volleren Ton als die Violine meinte ich die Melancholie in den Melodien erahnen zu können. Ich erinnerte mich an meine Empfindungen kurz vor Eintreffen im Auswandererhaus: Die Wellen spielten über die Wasseroberfläche, und der Wind rauschte über das Schilf hinweg. Die SCHILFLIEDER entstanden nach dem gleichnamigen Gedichtzyklus von Nikolaus Lenau, die Luc Durand freundlicherweise als Kopie dem Programmzettel beigefügt hatte. Dies gab mir die Gelegenheit, während der Darbietung der Künstler*innen den Versen zu folgen, die Klughardt zu seiner Musik inspiriert haben. Die schwermütigen Verse um eine unerfüllbare Liebe wurden von den Melodien kongenial untermalt.
Die DREI ROMANZEN von Clara Schumann wurden von Luc Durand eigens für dieses Konzert für Oboe (ursprünglich Violine) und Klavier eingerichtet. Mit einer schwelgerischen Eleganz gingen hierbei die beiden Instrumente eine schwärmerische Verbindung ein, bei der insbesondere Zuzanna Hutek mit einem dynamischen Klavierpart überzeugte.
Den Abschluss bildeten die MÄRCHENERZÄHLUNGEN. VIER STÜCKE FÜR KLARINETTE (OBOE), VIOLA UND KLAVIER OP. 132 von Robert Schumann. Diese Kompositionen kamen anfangs sehr verspielt daher, entwickelnden im zweiten Part ihre Dramatik, wechselten dann zu romantischen Klängen, um dann lebhafter im Happy End zu gipfeln. Beinah schien es mir, als hätte Robert Schumann musikalisch versucht, einen ähnlichen Spannungsaufbau zu kreieren, wie es auch für eine verschriftlichte Märchenerzählung üblich ist.
Wie eingangs bereits erwähnt, genieße ich es sehr, die Künstler*innen unmittelbar zu erleben. Sehr deutlich wurde mir dabei abermals, dass, um ein Instrument virtuos beherrschen zu können, der gesamte Körper involviert und in Bewegung ist – so wie es auch beim Gesang der Fall ist. Auch bewunderte ich das wortlose sich aufeinander abstimmen der drei Solist*innen: Da genügte manches Mal nur ein Blick oder ein dezentes Nicken mit dem Kopf.
Luc Durand, Kari Träder und Zuzanna Hutek haben nachdrücklich den Beweis erbracht, dass Musik die Macht besitzt, selbst einen kargen Raum wie dem New York Saal in allen Farben der Melodik zu tauchen und ihm etwas von seiner Tristesse zu nehmen.
Das Philharmonische Orchester Bremerhaven bietet in jeder Saison ein Vielzahl an abwechslungsreichen Konzerten: Ein Blick in das PROGRAMM lohnt sich sehr!
