[Rezension] BEST OF KRIMI KULT KISTE. Krimi-Hörspiele der 50er und 60er Jahre

In der Ferne hört man den typischen Lärm der Großstadt, hastige Schritte hallen auf nassem Asphalt, ein Schuss durchbricht die Sille der einsamen Straße, und der durchdringende Schrei einer Frau prallt als Echo von den Häuserwänden ab,…

…und erst nach diesem dramatischen Opener erklang die Titelmelodie:

Hach, war das damals nicht herrlich? Da versammelte sich die Familie kollektiv vereint vor dem Radio, um einer weiteren Folge einer der damals so beliebten Krimi-Hörspiele zu lauschen. Ein Fernsehapparat war damals noch eine sehr teure Anschaffung, die sich nur wenige Gutbetuchte leisten konnten. Die Mehrheit saß vor dem Radio und kreierte die Bilder mit viel Fantasie und mit Hilfe der akustischen Vorgaben aus den Rundfunkanstalten im eigenen Kopf.

Dabei waren die Verantwortlichen auf ihrer Suche nach spannenden Stories durchaus sehr erfindungsreich, griffen auf bekannte und bewährte Vorlagen zurück oder ließen eigene Krimi-Formate entwickeln. Viele der hier genannten Formate waren so beliebt und erfolgreich, dass sie es auch als Serie ins Fernsehen schafften. Warum auch nicht: Die bekannten Figuren waren schon so etabliert, dass die Wahrscheinlichkeit, sie würden auch mit Ton und Bild ebenso erfolgreich sein, als sehr hoch einzuschätzen war. So sollte es auch sein.

In der Zwischenzeit haben sie alle, die Hörspiele ebenso wie die Serien mit ihrem schwarz-weißen Retro-Charme, einen wahren Kultstatus erreicht. So peu à peu werden die alten Krimi-Hörspiele aus ihrem erzwungenen Dornröschen-Schlaf in den Archiven der Rundfunkanstalten befreit. Unter der Rubrik KRIMI KULT KISTE hat „der Hörverlag“ einige dieser Schätzchen wieder ausgegraben und sich hierbei auf die Werke des Schriftstellerehepaars Alexandra und Rolf Becker sowie der beiden Engländer Francis Durbridge und Lester Powell konzentriert. Entstanden sind insgesamt sieben Editionen mit jeweils 3 Hörspiele auf (durchschnittlich) 10 CDs, aus denen dieses BEST OF zusammengestellt wurde, das einen wunderbaren Querschnitt bietet und mir äußerst unterhaltsame wie spannende Hör-Stunden bescherte.


3 CDs/ Gestatten, mein Name ist Cox. Tod auf Gepäckschein 3311 (1959) von Alexandra & Rolf Becker/ Regie: Walter Netzsch/ mit Carl-Heinz Schroth, Konrad Georg, Karin Jacobsen, Siegfried Lowitz, Ulrich Bernsdorff, Uli Steigberg, Heinz Leo Fischer, Elisabeth Linhardt, Ursula Kube u.a.


4 CDs/ Paul Temple und der Fall Lawrence (1958) von Francis Durbridge/ Regie: Eduard Hermann/ mit René Deltgen, Annemarie Cordes, Kurt Liek, Ingeborg Schlegel, Robert Neugebauer, Carl Brückel, Willi Zickel, Peter René Körner, Herbert Hennies, Hans Fuchs, Karl-Heinz Bender, Magda Hennings u.a.


4 CDs/ Die Dame mit den grauen Löckchen (1959) von Lester Powell/ Regie: A.C. Weiland/ mit A.C. Weiland, Brigitte Dryander, Christa Adomeit, Heinz Pielbusch, Erich Herr, Hans Dilg, Friedrich Otto Scholz, Susanne Heym, Ernst Köstling, Margot Schönberger u.a.


Bonus-CD/ Kaum zu glauben (1962) von Francis Durbridge/ Regie: Heinz-Günter Stamm/ mit Eberhard Müller-Elmau, Martin Benrath, Gisela Zoch-Westphal, Alexander Kerst, Susanne Korda, Erwin Faber, Ernst Fritz Fürbringer, Horst Sachtleben, Hans Eichleiter u.a.


Wie meine verehrte Leserschaft vielleicht schon bemerkt hat, habe ich mir nicht die Mühe gemacht, für jedes Hörspiel eine Kurzfassung der Handlung zu erstellen. Es schien mir auch nicht nötig. Jede*r Krimi-Freund*in kennt das eine oder andere Hörspiel. Alle Unwissenden müssen sich nun eben auf meine Lobhudelei verlassen. Und dieses BEST OF KRIMI KULT KISTE bietet einen ganz wunderbaren Einstieg in die Materie. Schenkt sie der Zuhörerschaft doch alles, was sie für einen unterhaltsamen Krimi-Abend benötigen. Da sind zum einen die aufregenden Original-Geschichten der versierten Autor*innen, die ganz wunderbar gealtert sind und trotz Remastering glücklicherweise ihre charmante Patina nicht verloren haben. Natürlich darf bei einem Radio-Hörspiel die Musik nicht fehlen, die als Original-Kompositionen sowohl als Titel- und somit Erkennungs-Melodie zum Einsatz kam als auch zur atmosphärischen Untermalung diente. Apropos „Atmosphäre“: Hier machte auch die Tontechnik einen ganz hervorragenden Job und schuf für jeden Raum den passenden Hall, für jede Situation das passende Ambiente.

Und dann waren da noch die herausragenden Sprecher*innen, die alle Könner*innen ihres Fachs waren. Aus der Fülle an Namen möchte ich nur einige exemplarisch nennen: René Deltgen schlüpfte hier in die Rolle des plitschen Privatdetektivs Paul Tempel, bevor er später als Edgar Wallace Bösewicht „Der Hexer“ auch im Kino für Furore sorgen sollte. Ernst Fritz Fürbringer war prädestiniert für destingierte, doch auch undurchsichtige Charaktere, wie er sie später gerne in Krimi-Serien wie „Derrick“ verkörperte. Gisela Zoch-Westphal galt als eine der wichtigsten Stimmen für Hörbuch/Hörspiel und legte ihr Augenmerk auf Vertonungen der Werke von Schriftstellerinnen wie Ingeborg Bachmann, Katherine Mansfield und (insbesondere) Mascha Kaléko. Mir ging das Herz auf, als die Stimmen von Carl-Heinz Schroth und Siegfried Lowitz erklangen, die als Paul Cox und Kriminalinspektor Carter zwar beide auf der Seite von Recht und Ordnung stehen, dabei aber sehr unterschiedliche, sich konkurrierende Methoden anwenden. Auch sie sollten beide später Fernsehgeschichte schreiben. All diesen tollen Schauspieler*innen zu lauschen, die ihr Handwerk noch verstanden, bereitete mir eine außerordentliche Freude.

Darum: Gönnt euch dieses BEST OF KRIMI KULT KISTE, dimmt das Licht, huscht mit einem Getränk eurer Wahl und ein paar Knabbereien unter die Wolldecke, und dann steht einem gemütlichen Abend vor dem CD-Player nichts mehr im Wege.


Euch gelüstet es nach mehr Krimi-Spaß im Retro-Charme? Dann schaut euch gerne das Video KEIN MUCKS! in concert an. Bastian Pastewka lässt gemeinsam mit dem WDR Rundfunkorchester den Sound der legendären Krimis aus den 50er und 60er Jahren wieder aufleben und kredenzt zusätzlich herrlich amüsante Anekdoten.


erschienen bei Der Hörverlag/ ISBN: 978-3844525946
Ich danke dem Verlag herzlich für das zur Verfügung gestellte Hör-exemplar!