Karsten Dusse ist in der Medienlandschaft kein Unbekannter mehr: Als Volljurist hat er sich gegen eine Laufbahn in einer Kanzlei und für eine Karriere im Fernsehen entschieden. Hier war er als Strafverteidiger bei „Richterin Barbara Salesch“ ebenso wie als Rechtsexperte bei „Verklag mich doch“ vor der Kamera zu sehen. Als Redakteur schrieb er hinter der Kamera Texte u.a. für TV-Hits wie „Ladykracher“. Für seine Autorenarbeiten wurde er bereits mit dem Deutschen Fernsehpreis und mehrfach mit dem Deutschen Comedypreis ausgezeichnet. Auch als Schriftsteller trat er schon in Erscheinung: In seinen bisher erschienenen juristischen Sachbüchern kombiniert er Entertainment mit Fachwissen. Nun hat er seinen ersten Kriminalroman vorgelegt, in dem er seine Kernkompetenzen bündelt und dessen Held – wie könnte es auch anders sein – als Strafverteidiger seine Brötchen verdient.
Ein stattliches Haus, ein protziger Dienstwagen, ein üppiges finanzielles Polster auf der Bank, zudem eine reizende kleine Tochter mit der dazugehörigen (zugegeben: im Moment nervigen) Ehefrau: Das Leben von Björn Diemel könnte – zumindest oberflächlich betrachtet – so schön sein. Doch nun zwingt ihn seine Angetraute zu einem Achtsamkeits-Seminar bei diesem Esoterik-Guru Joschka Breitner zwecks Rettung ihrer Beziehung. Naja, wenn es hilft, dann soll es ihm recht sein. Und so atmet er seit einiger Zeit den Stress weg und spricht gegen Panik einfach ein Mantra. Und sollte er mal gar nicht mehr „achtsam“ weiter wissen, dann hat er zum Glück immer Joschka Breitners Bibel der Achtsamkeit mit dem Titel „Entschleunigt auf der Überholspur – Achtsamkeit für Führungskräfte“ griffbereit. Die Weisheiten dieses Werkes hätte übrigens auch sein Hauptmandant, der Gangsterboss Dragan Sergowicz berücksichtigen sollen, dann wären einige Mitglieder einer rivalisierenden Gang noch am Leben und eine Busladung mit Schulkindern nicht traumatisiert. Dragan muss untertauchen und erwählt für diese Mission ausgerechnet Björn, der mit seiner Tochter ein ruhiges Wochenende am See verbringen möchte. Während Dragan seine Körpermasse zwecks unerkanntes Entkommen in den Kofferraum von Björns Wagen zwängt, begeht er den unverzeihlichen Fehler, seiner Forderung mittels Bedrohung Björns Tochter Nachdruck zu verleihen. Björn findet dieses Verhalten so ganz und gar nicht nett, schließlich geht ihm das Wohl seiner Kleinen über alles und jeden. Da kann es durchaus passieren, dass er einen im Kofferraum sowohl versteckten als auch eingesperrten Mafioso einige Tage bei sommerlichen Temperaturen „vergisst“ und ganz achtsam im Hier und Jetzt die gemeinsame Zeit mit dem Töchterchen genießt. Alles andere kann später noch weg-geatmet werden: Eine Technik, die sich insbesondere nach dem Öffnen der Kofferraumklappe bewehren sollte…!
Karsten Dusse versteht und beherrscht sein Handwerk: Sein Winkeladvokat Björn Diemel ist mit allen Wassern gewaschen, gleichzeitig gelingt es dem Autor, ihn nie unsympathisch wirken zu lassen – im Gegenteil: Bei jedem Schritt, den wir Leser ihn tiefer in dieser Affäre folgen, kann er sich unserer vollsten moralischen Unterstützung sicher sein. Überraschenderweise empfindet der Leser herzlich wenig Mitgefühl mit Herrn Diemels Opfern (Ja, sie haben richtig gelesen: Es bleibt nicht bei einer einzelnen Kofferraumleiche.). Einerseits konnte ich mich während der Lektüre nicht dem Eindruck verwehren, alle Opfer hätten ein solch schändliches Gemeuchel und Gemetzel mehr als verdient. Andererseits hegte ich den Verdacht, dass die jedem Kapitel vorangestellten Tipps von Esoterik-Guru Joschka Breitner ebenfalls ihre Wirkung auf mich Leser zeigten, denn zu „Achtsam Morden“ gehört eben auch achtsam lesen.
Herrn Dusses Erfahrung mit dem Medium Fernsehen merkt man diesem Krimi deutlich an – und ich möchte diesen Hinweis durchaus positiv besetzen: So verteilt sich der Inhalt über 413 Seiten und auf 37 Kapitel. Schnelle Schnitte sind vorprogrammiert. Die Handlung nimmt zügig an Fahrt auf ohne in Hektik zu verfallen. Für Langeweile bleibt somit kaum Raum, dafür gibt es häufig überraschende Wendungen incl. des einen oder anderen Lachers. Dieser Krimi „schreit“ geradezu nach einer visuellen Umsetzung. Sicherlich liegt zuhause bei Herrn Dusse in irgendeiner Schublade schon fix und fertig ein Drehbuch und wartet auf die Chance, beispielsweise in die „fähigen“ Hände eines Herrn Schweigers zu gelangen. Doch ich werde inbrünstig zum Gott der darstellenden Kunst beten in der Hoffnung, dass für diese Rolle ein richtiger Schauspieler gecastet wird.
Ich werde ja wohl noch hoffen dürfen! Hoffen und beten…!
In diesem Zusammenhang möchte ich auch gerne auf die Lesung mit Karsten Dusse in der Buchhandlung meines Vertrauens hinweisen!
Sehr schöne Romane. Angenehm zu lesen. Die bildliche Vorstellung beim Lesen begeistert mich. Ich habe die ersten zwei Teile förmlich lesetechnisch aufgrund der Spannung und interessanten Schilderungen verschlungen. Den dritten Teil hatte die Buchhandlung nicht vorrätig, war dennoch bereit diesen für mich in Taschenbuch Format zu bestellen.
Was die Handlung durch einen Rechtsanwalt im ersten und zweiten Roman angeht, kann meiner Ansicht nach nicht den Sinn eines Jurastudium und geltenden Grundgesetzen entsprechen. In meinen Augen ein Psychopath. Wenn man sich vorstellt ein Opfer dieser Handlungen zu sein und der Rechtsanwalt verbirgt sich hinter der Schweigepflicht, ist das mega essig. Mit der Selbstständigkeit hat sich Björn Diemel lediglich von den falsch orientierten Gesellschaftern, alleine auf die gleiche Ebene in leeren Autfit begeben.
Schade, dass Joschka Breitner frei erfunden ist. Er bietet sehr gute Ansätze zur „Problemlösung“, die von Karsten Dusse, alias Björn Diemel sehr schräg interpretiert werden.
Sicher ist es nicht schlimm, wenn Emily mit ihrem Laufrad, wegen Glasscherben und platten Reifen gegen ein Auto fãhrt und einen Kratzer im Lack hinterlässt, aber dass Björn Diemel den Schlüssel nimmt und diesen maximal vergrößert ist weder alterskorrekt noch vorbildlich.
Emily ist ihm dabei absolut unwichtig, die Ausübung seiner Macht als Rechtsanwalt und Rache seiner Eltern, die sein inneres Kind verletzt haben steht im Vordergrund.
Die Kindergarteneltern in ihrem Wahn die Klimarettung und damit die Welt zu retten, ist in der Beschreibung erste Klasse formuliert und mit super Ideen umgesetzt. Dazu braucht es Format, welche Björn Diemel und der Bulgare prima ausarbeiten. Schade nur, dass der Kindergarten lediglich das Alibi und somit Mittel zum Zweck für den grausamen Hintergrund im Milieu ist.
In Richtung Sci Fi/Psychothriller sind die ersten beiden Romane besser eingeordnet. Oder ist das heute so????
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Moin Gassner (!?),
herzlichen Dank für Deinen ausführlichen Beitrag, den ich leider jetzt erst unter den ausstehenden Kommentaren entdeckt habe. Darum entschuldige bitte meine verspätete Antwort.
Natürlich hast Du vollkommen Recht: Als moralisch-erbauliche Lektüre für den Nachwuchs ist dieser Krimi ebenso wenig gedacht (aber welcher Krimi ist das schon) wie als Tätigkeitsbeschreibung für angehende Rechtsanwälte geeignet.
Für mich ist dieser Krimi schlicht und ergreifend das, was man früher eine Räuberpistole nannte: Alle und alles wird etwas „Over the Top!“ geschildert, dafür ist es allerdings äußerst amüsant und kurzweilig zu lesen. Naja, und wie es sich für eine waschechte Räuberpistole gehört, darf man dem Wahrheitsgehalt nicht allzu viel Bedeutung beimessen. Darum: Zurücklehnen und Spaß haben!
Eine nahrhafte Lektüre sieht wahrlich anders aus, aber manchmal darf es ruhig auch etwas Leckeres zu Naschen sein!
Gruß
Andreas
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