Schon immer war das Design eines Covers dem jeweiligen Zeitgeschmack ausgesetzt und spiegelte sich in der präferierten Ästhetik wieder. Ein Cover sollte im besten Fall für den enthaltenen Roman als Werbung fungieren, somit die Aufmerksamkeit der Leserschaft auf das Werk lenken und deren Begehrlichkeit wecken. Gleichzeitig soll es auch über den Inhalt informieren und dessen Besonderheiten hervorheben. Aber die Art der Cover-Gestaltung kann ein literarisches Werk auch durchaus schaden und ihm ein eher negatives Image verpassen. „Vom Wind(e) verweht“ ist ein wunderbares Beispiel dafür, wie das Cover-Design sein Image prägte, und der Roman so zwischen den ambivalenten Polen „Weltliteratur“ und „Groschenroman“ hin und her pendelte.
Ich habe mir den Spaß erlaubt und einen Blick auf die Cover-Gestaltung der letzten Jahrzehnte geworfen: Alle Angaben erfolgen ohne Anspruch auf Vollständigkeit und sind somit „ohne Gewähr“!
1937 erschien der Roman erstmals im Claassen-Verlag mit einem zeittypischen Umschlagbild in einer eher reduzierten Farbgebung. Auf dieses Ursprungs-Design wurde vom Verlag im Laufe der Jahre gerne zurückgegriffen. So auch im Jahre 1984 als der Film zu Weihnachten zum ersten Mal im deutschen Fernsehen ausgestrahlt wurde und dem Roman zu neuer Popularität verhalf. Die Übersetzung stammte von Martin Beheim-Schwarzbach.
Doch auch der Claassen-Verlag war vor geschmacklichen Verfehlungen nicht gefeit: So wirkt das Cover von 1970 sehr plakativ, lässt eine schmalzige Liebes-Schmonzette vermuten und hätte auch als Werbung für den Film fungieren können. Folge-Auflagen wirken da durchaus dezenter, griffen in der Farbgestaltung auf ein gedecktes Violett zurück und wählten Filmfotos in einem Sepia-Ton. Stehen bei den gewählten Fotos zwar durchaus Vivien Leigh und Clark Gable im Mittelpunkt, so wurde wenigstens auf ein schmachtendes Anhimmeln bzw. einen Kuss verzichtet. Kurzzeitig wurde der Roman im Jahre 1978 auch im Kölner Lingen-Verlag publiziert: Aufgrund dessen seitenstarkem Umfangs entschied man sich hier für einen Zwei-Teiler – eine Entscheidung, die sicher bei vielen Leser*innen eine Sehnenscheidenentzündung der Hand verhindert hat. Die Gestaltung des Covers war ganz im Stil der 70er-Jahre: klar, frisch und mit wenigen aber leuchtenden Farben.
Im Taschenbuch-Format machte Margaret Mitchells Epos eine erstaunliche Reise durch die Verlage: beginnend im „rororo“ Rowohlt Verlag über den Heyne-Verlag bis zum Ullstein-Verlag, wo nach wie vor die aktuell erhältliche Taschenbuch-Fassung (Übersetzung: Martin Beheim-Schwarzbach) verlegt wird. Bei der Gestaltung der Covers verwendeten die Verlage gerne knallige Rot-Violett-Töne und griffen zwecks besserer Wiedererkennung auf die bekannten Filmfotos zurück. Doch in dieser Kombination rückt der Roman leider eher in die Nähe des Bahnhofskiosks und weniger in Richtung Bibliothek.
Auch in den diversen Buch-Clubs erfreute sich „Vom Winde verweht“ eine immense Beliebtheit. Gerne wurde auch dort auf die bewerten Konterfeis von Leigh und Gable zurückgegriffen oder zumindest als Illustration angedeutet. Wobei es hier zwei außergewöhnliche Ausnahmen gab: In der Ausgabe der Büchergilde Gutenberg von 1996 zeigt eine Pastellkreide-Zeichnung kindlich-naive Szenen des Plantagen-Lebens im sonnigen Süden der USA und steht damit karikierend entgegen dem Inhalt. Dagegen wirkt das Cover vom Deutschen Bücherbund von 1964 überraschend modern und erinnert in seiner Ästhetik an die Covers verschiedener Indie-Verlage neueren Datums.
Auch in der DDR erschien der Roman 1964 im Verlag Buch und Welt. Selbstverständlich wurde bei der Gestaltung des Umschlags auf die Verwendung von Filmfotos verzichtet. Über die Gründe kann ich nur spekulieren: Einerseits war der Film hier weniger bekannt, andererseits könnten auch urheberrechtliche Gründe eine Rolle gespielt haben. Ein Novum stellte dafür die Taschenbuch-Ausgabe aus dem Rütten & Roening-Verlag von 1989 dar: Zum einen wurde der Roman zwecks besserem Handlings drei-geteilt, andererseits zierte die Covers jeweils eine stilisierte Pusteblume im unterschiedlichen Stadium des „Verwehens“. Diese einfache wie geniale Idee habe ich gerne bei der Wahl des Bildes zu diesem Beitrag aufgegriffen.
Nun im Jahre 2020 stehen die Zeichen günstig für ein Comeback von Margaret Mitchells Epos. 70 Jahre nach ihrem Tod wurden die Rechte an dem Werk gemeinfrei. Der rührige Kunstmann-Verlag ergriff die Chance und schenkte dem Werk nicht nur eine neue Übersetzung durch Andreas Nohl und Liat Himmelheber. Auch das Cover erhielt – passend zur schlankeren Übersetzung – eine überfällige Frischzellen-Kur, wirkt nun deutlich eleganter und knüpft in seiner reduzierten Farbgebung an die Tradition des Ursprungs-Covers an. Bei seinem Umfang von 1328 Seiten muss die/der Leser*in zwar weiterhin einen literarischen Ziegelstein stemmen, dafür braucht der Roman aber nicht mehr verschämt versteckt und kann auch hemmungslos in der Öffentlichkeit gelesen werden. Happy End!
Für alle die vom Thema „Buchcover-Klischees“ nicht genug bekommen, möchte ich gerne den äußerst kurzweiligen Beitrag meiner Blogger-Kollegin Marion Rave von „schiefgelesen“ ans Herz legen.
Cover sind etwas Faszinierendes: Für den Erwerb des Buches nicht unerheblich, bei der Bewertung desselben später dann aber völlig egal. Oder wie ich immer sage: „Wenn ich mir im Restaurant um die Ecke eine Lebensmittelvergiftung zugezogen habe, lobe ich ja auch nicht wenigstens noch die hübsche Tischdekoration.“ 🙂
Aber, wie gesagt, für den Erwerb des Buches können Cover immens wichtig sein. So habe ich bis heute nicht „Vom Ende der Einsamkeit“ von Benedict Wells gelesen. Man sagt, dass ich etwas verpasst habe, aber ich finde die Covergestaltung des von mir ansonsten sehr geschätzten Diogenes-Verlags grenzkitschig. Ähnlich verhält es sich mit „Ein wenig Leben“ von Hanya Yanagihara – es mag sich um ein tolles Buch handeln, aber beim Cover setzt bei mir der natürliche Fluchtreflex ein. 🙂
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…Dein Vergleich mit dem Restaurant amüsiert mich sehr! 😄
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Lieber Andreas, danke für diesen interessanten Beitrag zur „Cover-Evolution“!
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…sehr gerne!!! 😊
Gruß
Andreas
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