Workshop am 29. Februar 2020 / Stadtbibliothek in Osterholz-Scharmbeck
Ich konnte es beinah kaum glauben: Wie mir Bibliotheksleiterin Iris Belz bei unserem Treffen beim Vorlesewettbewerb verriet, haben einige Eltern einerseits durchaus Hemmungen ihren Kindern vorzulesen, andererseits Angst, dafür nicht die richtige (pädagogisch wertvolle?) Lektüre zu wählen. So sollte dieser Workshop gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen, bzw. die Verunsicherung vieler Eltern nehmen, die den Mitarbeiterinnen der Bibliothek häufig zwei Fragen stellen: „WAS sollte ich meinem Kind vorlesen?“ und „WIE lese ich richtig vor?“. Was läge da näher, als an einem Samstagvormittag einen kostenlosen Workshop für Interessierte anzubieten, um eben diese Fragen erschöpfend und kompetent zu beantworten. Neun Teinehmer*innen mit unterschiedlichen Vorbildungen und Motivationen hatten ihren Weg hierher gefunden: Da waren ebenso die Erzieherin, die in ihrer Einrichtung für die Bücherei zuständig ist, sowie die Mutter, die Inspiration für die eigenen Kinder suchte, als auch die Seniorin, die gerne als Lesepatin aktiv werden möchte, vertreten.
Dozentin Johanna Augustin ist in der Stadtbibliothek für das pädagogische Programm für die Kleinsten und Kleinen verantwortlich, kann aus einem reichhaltigen Kontingent an Erfahrungen schöpfen und nahm uns mit ihrem Einleitungssatz direkt die Ängste:
Beim Vorlesen gibt es kein „falsch“, denn ein „falsches“ Buch ist immer noch besser als kein Buch!
Studien belegen, dass ca. 20% der Kinder zum Zeitpunkt ihrer Einschulung deutlich sprachliche Defizite aufweisen. Darum kann mit dem Vorlesen nicht früh genug begonnen werden! Selbstverständlich spielen wir Erwachsene in unserer Funktion als Vorbild eine immens wichtige Rolle: Wir können von unseren Kindern nicht erwarten, mehr zu lesen, wenn wir selbst kein Buch in die Hand nehmen. Das gemeinsame Angucken der Bücher vermittelt Zuwendung und Geborgenheit und schafft Vertrauen. Das Lesen von Büchern erweitert den kindlichen Erlebnishorizont und fördert sowohl die Konzentrations- und Wahrnehmungsfähigkeit als auch die Sprachentwicklung. Die Liste der Vorteile scheint schier unendlich…!
Bilderbücher werden von den Kindern je nach Alter und Entwicklung sehr unterschiedlich wahrgenommen. Vorschulkinder empfinden die Geschichten als wahr: Genauso wie es den Weihnachtsmann gibt, gibt es natürlich auch Einhörner, Elfen & Co.! Der Humor in den Bilderbüchern sollte sehr bewusst eingesetzt werden und dem altersbedingten Humorverständnis entsprechen. Ironie wird von kleineren Kindern nicht verstanden. Kinder reagieren auf eine schöne Sprache sehr positiv: Die Sprache ist darum ebenso wichtig wie der Inhalt oder die Illustration. Auch sogenannte kritische Themen (Tod, Trauer und Verlust) dürfen in Bilderbüchern angesprochen und können mit Hilfe der Bücher verarbeitet werden. Wichtige Botschaft des Buches: Am Ende wird alles wieder gut!
Die Illustrationen nehmen natürlich bei einem Bilderbuch eine bedeutende Stellung ein und sind genauso wichtig wie die eigentliche Geschichte und sollten deren Inhalte wiederspiegeln. Dabei dürfen gerne Bilddetails, die die Geschichte ergänzen, vorhanden sein, sollten aber auch Raum für die kindliche Phantasie lassen. Auch bei den Illustrationen ist Ironie ebenso fehl am Platz wie Karikaturen oder physisch verzerrte Figuren.
Vorgelesen wird das, was das Kind möchte. Dabei kann/ darf die Lektüre sich durchaus wiederholen. Gerade diese Wiederholungen schaffen Rituale und stärken durch gemeinsame Erinnerungen die Bindung von Kind und Vorleser.
Zum Abschluss lud Frau Augustin uns zu einem Bilderbuch-Casting ein: Jede*r der Teilnehmenden suchte sich aus einem Haufen Bilderbücher mehr oder weniger spontan ein Buch aus, überprüfte es bzgl. des Inhalts, der Sprache und der Illustrationen und konnte es mit bis zu drei Sternen bewerten. Meine Wahl fiel auf „Ich wünsche mir einen Freund“ von Amy Hest und mit Illustrationen von Jenni Desmond. Dieses bezaubernde Bilderbuch hätte ich beim flüchtigen Durchblättern wahrscheinlich wieder aus der Hand gelegt, denn es offenbarte mir seinen zarten Charme erst beim detaillierten Betrachten und erhielt dafür volle 3 Sterne von mir! Auch bei Bilderbüchern lohnt sich somit ein zweiter Blick…!
Ich danke Frau Augustin herzlich für diesen gelungenen und kurzweiligen Workshop!
In unserer Stadtbibliothek finden regelmäßig die unterschiedlichsten Veranstaltungen für jedes Alter statt.
Ich kann aus eigener Erfahrung als Großvater und als Lesepate bestätigen: Kindern etwas vorzulesen macht so viel Freude, den Kindern, aber auch dem Vorlesenden selbst. Diese Zeit des gemeinsamen Eintauchens in eine andere Welt ist ein Gewinn für alle.
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…sehr schön auf den Punkt gebracht! 😊
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