Hass! Es ist so ein großes mächtiges Gefühl, das allumfassend deinen Verstand einengt und dein Handeln manipuliert, das alles menschliche und mitfühlende in dir blockiert und ein logisches Denken schier unmöglich macht! Bisher hat es noch kein Mensch geschafft, dass ich ihn hassen könnte. Selbst die so genannte Ausbilderin während meiner ersten Ausbildung zum Industriekaufmann habe ich nicht gehasst: Ich habe sie durchaus aus tiefsten Herzen verabscheut – doch nicht gehasst!
Auch gegenüber einem Buch habe ich dieses große mächtige Gefühl ebenfalls noch nie empfunden: Ungeliebt? Überschätzt? Überflüssig? Ja! Ja! und nochmals: Ja!
All dies empfinde ich, wenn ich an einen ganz bestimmten Roman denke!
Es geschah im 2. Halbjahr des dritten und somit meines letzten Jahres auf dem Gymnasium: Im Leistungskurs „Deutsch“ dreht sich alles um die Gegenwartsliteratur. Sicherlich aus dem gutgemeinten Grund, unsere Motivation zu steigern, lies die Lehrerin uns die Lektüre selbst auswählen. Selbstverständlich wäre diese Lektüre dann auch relevant für das Abitur.
Eine Kurskameradin schwärmte über alle Maßen von Milan Kunderas „Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins“. „Das ist sooo toll! Ich konnte das Buch gar nicht mehr aus der Hand legen!“ palaverte sie vollmundig mit verklärtem Blick. Der literarische Enthusiasmus dieser Mitschülerin überraschte mich doch sehr. So hatte ich doch bisher den Eindruck, dass ihre hauptsächliche Lektüre aus der „BRAVO Girl“ bestand, in der sie ganz verzückt während der Deutsch-Stunde heimlich unter dem Tisch blätterte. Leider ließen sich meine Kurskamerad*innen von ihrem Enthusiasmus anstecken, und so durfte auch ich mich durch Kunderas Werk quälen: „Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins“ entpuppte sich für mich zur unerträglichen Schwere des Lesens.
Ich habe diesen Roman nicht verstanden! Ich habe die Intension des Autors nicht verstanden! Ich habe das Handeln der Personen nicht verstanden! Im Gegenteil: Es war mir zuwider! Ich fand den selbstverliebten Egoismus des sexbesessenen Tomas absolut abstoßend. Teresas stilles Leiden und mitleidiges Ausharren brachten mich zur schieren Verzweiflung. Als Kundera dann in der Mitte des Romans – für mich völlig unverständlich und absolut irrelevant – eine seitenlange Abhandlung über „Scheiße“ in die Handlung einfließen lässt, hatte ich mich endgültig von diesem „literarischen Kleinod“ verabschiedet. Was blieb, war ein ängstliches Bangen, dass ich zum Abitur ausgerechnet zu diesem Roman eine Abhandlung verfassen müsste.
Der Tag der Abiturprüfung kam: Wir saßen in der Aula unseres Gymnasiums. Die Aufgabenzettel wurden abgedeckt auf unseren Tischen platziert. Erst auf ein Zeichen der Aufsichtsperson durften wir gleichzeitig diese umdrehen. Ich warf einen Blick auf den Zettel und unterdrückte einen Freudenschrei. Als Thema der Deutsch-Prüfung wurde mir „Die Geschwister Oppermann“ von Lion Feuchtwanger geschenkt. Ich atmete vor Erleichterung auf, während ich mir den vorab vergossenen Angstschweiß von der Stirn wischte. Dann griff ich zum Füller und brachte voller Elan meine Abhandlung zu Papier. Während der gesamten Prüfung jubilierte ich innerlich in den höchsten Tönen und wurde am Ende für meine geistigen Ergüsse mit 13 Punkten belohnt!
„Die unerträgliche Leichtigkeit…“ landete kurz nach dem Abitur im Altpapier. „Die Geschwister Oppermann“ stehen immer noch in meinem Regal!
…und welches literarische Werk bringt Euch in Wut? Oder steht Ihr eher über den Dingen???
Antonia Leise von „Lauter & Leise“ hat dankenswerterweise DIE MONTAGSFRAGE: Buch-Blogger Vorstellungsrunde wiederbelebt und stellt an jedem Montag eine Frage, die Interessierte beantworten können und zum Vernetzen, Austauschen und Herumstöbern anregen soll! Ich bin gerne dabei!!!
In meinem MONTAGSFRAGE-Archiv findet Ihr Fragen & Antworten der vergangenen Wochen.
Ach schade, vielleicht gibst du Kundera irgendwann mal ne zweite Chance!
LikeGefällt 1 Person
Nö!!! Es gibt noch so viele andere tolle Bücher, die darauf warten, von mir gelesen zu werden. Ich bin mir sicher, da werde ich Kundera verschmerzen können! 😉
LikeLike
Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins?
Wenn ich mich recht erinnere, habe ich es vor Jahren einmal nach drei Seiten aus der Hand gelegt und danach nicht mehr angefasst. Scheint nicht, als hätte ich viel verpasst.
LikeGefällt 1 Person
Die einen sagen so, die anderen sagen so…!
Ich sage „richtig so“! 😉😄
LikeLike
Eher nein
LikeGefällt 1 Person
Wenn ich lese und es wird nicht besser, lese ich es weg, aber hassen würde ich nicht sagen. Eher sage ich, ist nicht mein Ding und landet in eine Schublade
LikeGefällt 1 Person
Das Wort „Hass“ klingt auch schon echt mächtig…! Aber ich handhabe es wie Du: Buch sagt mir nicht zu, Lektüre wird abgebrochen. Ich würde mich nie durch ein Buch quälen in der Hoffnung, dass es irgendwann besser wird. Dafür ist mir meine Zeit viel zu kostbar…!
LikeLike
Wie wahr
LikeGefällt 1 Person