[Rezension] P.D. James – Der Mistelzweig-Mord. Weihnachtliche Kriminalgeschichten

Die Beschriftung auf ihren Visitenkarten müsste beeindruckend gewesen sein, hätte sie dort ihren vollen Namen incl. Titel und Auszeichnungen verewigt:

Phyllis Dorothy James, Baroness James of Holland Park, OBE, FRSA, FRSL

Für ihre Fans war sie „nur“ P.D. James. Dabei hat sie zu Lebzeiten immer beteuert, dass sie mit diesem Kürzel nie vorgehabt hat, ihr Geschlecht zu leugnen. Vielmehr hätte sie ihren Vornamen auf P.D. verkürzt, weil es rätselhaft wirke und zudem auf dem Buchrücken so gut aussähe.

Im Jahre 1962 erschien ihr erster Roman mit dem Titel „Ein Spiel zuviel“ (im eng. Org.: „Cover Her Face“). Mit ihm erblickte gleichzeitig ein neuer Ermittler das Licht der literarischen Welt: Chief Inspector Adam Dalgliesh ist ein schweigsamer Kriminalist. Zudem hat der früh Verwitwete eine poetische Ader und schon einige Gedichtbände veröffentlicht. Schon der erste Fall zeigt in seinen Grundzügen viele Gemeinsamkeiten mit den klassischen „Whodunits“, die in der Zeit zwischen den Weltkriegen in Großbritannien so populär waren. Auch in zwei von den insgesamt vier Geschichten dieser Anthologie spielt Adam Dalgliesh eine Hauptrolle. Doch schön der Reihe nach…!

Schon mit der titelgebenden Geschichte für diese kleine Sammlung Krimi-Erzählungen gelang es P.D. James, mich zu ködern. Ich hatte vorher noch nichts von ihr gelesen – zumindest kann ich mich nicht darin erinnern. Und schon beim Lesen der ersten Geschichte „Der Mistelzweig-Mord“ fragte ich mich, wie dies möglich sein konnte. Wie konnte mir bisher diese talentierte Autorin von Kriminalromanen verborgen bleiben?

Sowohl bei „Der Mistelzweig-Mord“ als auch bei „Ein ganz banaler Mord“ wird die Handlung aus der Erinnerung einer Person geschildert, die einen mehr oder weniger schmerzhaften Blick in die Vergangen wagt und so die Geschichte durchaus sehr emotional und mit persönlicher Färbung wiedergibt. Beide Geschichten fesselten mich durch ihren raffinierten Aufbau, der langsamen Steigerung der Spannung und einem überraschenden Twist am Schluss.

In „Das Boxdale-Erbe“ und „Die zwölf Weihnachtsindizien“ kommt der schon eingangs erwähnte Chief Inspector Adam Dalgliesh zum Zuge. Dieser noble und zurückhaltende Ermittler konnte mich sofort für sich einnehmen. Auch diese Mini-Krimis überzeugten mich durch ihre klar gezeichneten Figuren und dem gut durchdachten Handlungsaufbau. Mit einem herrlich kuscheligen Gefühl ließ ich mich in die Handlungen fallen, die – wie aus der Zeit gefallen – auch von Agatha Christie oder Dorothy L. Sayers hätten stammen können. Doch dann tauchte plötzlich eine Formulierung oder ein zeittypisches Detail auf, und mir wurde bewusst, dass P.D. James erst ab den 60er Jahren literarisch aktiv war.

„Die Krimis spielen in der Gegenwart, sind aber so gotisch, dass es fast verwundert, wenn erwähnt wird, dass Frauen aus dem Figurenensemble die Pille nehmen.“ ist in Reclams Krimi-Lexikon zu lesen. Genau diese Erfahrung durfte auch ich erleben. Doch stellt dies für mich durchaus kein Kritikpunkt dar. Vielmehr hatte ich den Eindruck, dass es hier eine Autorin gab, die sich mit Respekt auf die Tugenden ihrer Vorgängerinnen besann, in ihren eigenen Werken diese mit aktuellen Gegebenheiten kombinierte und so für die Nachfolgenden den Weg in die Moderne ebnete.

Die beiden spannenden Appetizer mit Adam Dalgliesh waren so schmackhaft, dass ich „Ein Spiel zuviel“ bei der Buchhandlung meines Vertrauens bestellt und schon einen Tag später abgeholt habe. Es spricht somit nichts dagegen, dass ich meine flüchtige Bekanntschaft mit ihm weiter vertiefe. Ich freue mich schon darauf…!


erschienen bei Droemer / ISBN: 978-3426282175 / in der Übersetzung von Susanne Wallbaum und Christa E. Seibicke

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