[Musical] Jim Steinman – TANZ DER VAMPIRE / Stage Operettenhaus in Hamburg

Musik von Jim Steinman / Buch & Liedtexte von Michael Kunze

Premiere in Hamburg: 7. Dezember 2003 / Stage Theater Neue Flora in Hamburg / besuchte Vorstellung: 8. Juli 2004 / Premiere der Wiederaufnahme in Hamburg: 17. September 2017 / Stage Thea­ter an der Elbe in Ham­burg / besuchte Vorstellung der Wiederaufnahme: 13. November 2017 / Premiere der 2. Wiederaufnahme in Hamburg: 12. November 2023 / Stage Operettenhaus in Ham­burg / besuchte Vorstellung der 2. Wiederaufnahme: 14. Februar 2024


Musikalische Leitung: Martin Gallery
Inszenierung: Roman Polanski
Choreographie: Dennis Callahan
Set-Design & Video-Projektionen: William Dudley
Kostüme, Perücken & Make-up Design: Sue Blane
Licht-Design: Hugh Vanstone


Seit über 25 Jahren geistern sie überaus erfolgreich über die deutschsprachigen Theaterbühnen und sind einfach nicht totzukriegen (Hähähä! – Vampire und „nicht totzukriegen“ – wie witzig – Hihi!). Seit der Wiener Uraufführung im Jahre 1997 tauchen sie regelmäßig sowohl in Österreich wie auch in Deutschland auf und wurden ebenfalls international in den USA, Frankreich, Russland und Japan gesichtet. In Deutschland ist nun das Hamburger Operettenhaus die 15. Station, bei der diese Show seit der Deutschlandpremiere im März 2000 haltmacht. Und zumindest bei den drei Stippvisiten in Hamburg waren auch wir zu Gast bei den populären Blutsaugern.

Ich könnte jetzt wortreich und äußerst kenntnisreich über das Geheimnis dieses Erfolges palavern, die Gründe für ein solches Phänomen erörtern, über die sexuell-erotische Anziehungskraft der Untoten schwadronieren oder insbesondere den Fan-Kult, der sich rund um die Rolle des Grafen von Krolock im Laufe der Jahrzehnte entwickelt hat, kritisch beäugen. Ja, das könnte ich alles tun! Aber: Nein, ich tue es nicht!

Warum tue ich dies nicht? Weil ich für Blutsauger aller Art recht wenig übrig habe. Mich begeisterten noch nie irgendwelche Vampir-Filme, noch konnte ich mein Herz für die unsäglichen literarischen Ergüsse jüngerer Zeit erwärmen. Und auch TANZ DER VAMPIRE zählt nicht zu meinem favorisierten Musical.

Mein Gatte hingegen liebt die Vampire – von Bram Stokers Erfolgsroman über die Filme mit Bela Lugosi, Christopher Lee und Gary Oldman bis eben zu diesem Musical. Vor den „zwielichtigen“ Neuinterpretationen schreckt zum Glück auch er zurück. Doch zu seinem diesjährigen Geburtstag äußerte er den Wunsch nach einem Besuch der Blutsauger, und als liebender Gatte habe ich mich selbstverständlich sofort an den PC begeben, um schnellstens die Eintrittskarten zu buchen.

Professor Abronsius ist mit seinem Assistenten Alfred im verschneiten Transsilvanien auf einer Forschungsmission, um seine Theorien über den Vampirismus zu beweisen. Erste Hinweise finden sie in einem einsamen Gasthaus, wo unübersehbar viel Knoblauch verbraucht wird. Aber jeder bestreitet, an die Existenz von Vampiren zu glauben. Selbst der Wirt Chagal streitet sogar ab, etwas von einem Schloss in der Nähe zu wissen, obwohl täglich ein buckliger Diener namens Koukol erscheint, um Einkäufe für einen scheinbar unbekannten Herren zu erledigen. Während Professor Abronsius weiter versucht, die Vampire ausfindig zu machen, verliebt sich Alfred in Sarah, der Tochter des Wirts. Doch er ist nicht der einzige, dem die verführerische Schöne gefällt. Auch Graf von Krolock, der Oberhaupt der Vampire, hat ebenfalls ein Auge auf Sarah geworfen und lockt sie in sein Schloss. Sofort macht sich ihr Vater auf den Weg zu ihrer Rettung und wird selbst Opfer der Vampire. Professor Abronsius will den toten Chagal umgehend pfählen, um zu verhindern, dass er als Vampir wiederaufersteht, wird jedoch von seiner Frau Rebecca daran gehindert. Wenig später erwacht der Wirt als Vampir und findet in der Magd Magda sein erstes Opfer. In der Nacht kehren Professor Abronsius und Alfred zurück, um das Pfählen von Chagal zu vollenden, müssen aber entdecken, dass sie zu spät sind. Doch sie können ihn überreden, sie zum Schloss des Grafen von Krolock zu führen. Dieser empfängt sie herzlich und lädt sie ein, über Nacht zu bleiben. Sein Sohn Herbert ist begeistert und zeigt sein deutliches Interesse an Alfred. In der Nacht hat Alfred einen schrecklichen Albtraum, in dem er und Sarah von Krolock gebissen werden. Am nächsten Morgen ist für ihn klar: Er muss Sarah sofort finden. Doch Abronsius will erst einmal dem Vampirismus ein Ende setzen, und so machen sie sich auf die Suche nach der Familiengruft, um die beiden Vampire zu pfählen. Diese Mission wird jedoch zum Desaster und muss abgebrochen werden. Als Alfred Sarah endlich findet, versucht er, sie zur Flucht zu überreden. Doch Sarah möchte lieber am abendlichen Ball teilnehmen, zudem der Graf sie geladen hat. Am Abend auf dem Ball mischen sich Professor Abronsius und Alfred in Verkleidungen unter die geladenen Gäste. Doch sie können nicht verhindern, dass der Graf auch Sarah beißt, die sich ihm allzu willig hingibt. Im letzten Augenblick befreien sie Sarah vom Einfluss des Grafen und können gemeinsam fliehen. Auf ihrer Flucht ruhen sie sich einen kurzen Moment aus. Während der Professor sich Notizen macht, träumen die beiden jungen Leute von einem neuen, besseren Leben. Dann blitzen bei Sarah Vampirzähne auf, die sie in Alfreds Hals schlägt, so dass auch er zum Untoten mutiert. Damit triumphieren am Ende doch die Vampire…!


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Zugegeben: Wir wurden extrem gut und höchst professionell unterhalten. Die bombastische Ausstattung mit den raffinierten Projektionen war sehr faszinierend, und die detailreichen Kostüme waren traumhaft. Zudem saß diesmal ein richtiges Orchester im Graben vor der Bühne, das von Martin Gallery mit straffen Dirigat geleitet wurde. Doch kann mir hier bitte irgendjemand erklären, warum bei den großen Musical-Produktionen der Ton so brutal laut abgemischt wird?! 😵

Die Darsteller*innen boten im Großen und Ganzen wirklich gute Leistungen, und die Tanzsolisten waren atemberaubend. Nur leider ist TANZ DER VAMPIRE nicht nur ein Musical: Es ist im Laufe der Jahre zu einer Marke geworden. Das durchschnittliche Musical-Publikum erwartet eine bestimmte Optik. So findet für das Ensemble zwangsläufig ein Typ-Casting statt, d.h. als Künstler*in musst du sowohl ein entsprechendes Aussehen wie auch deine Stimme das passende Timbre vorweisen, um eine klar definierte Rolle ausfüllen zu können. Diese Vorgehensweise sichert zwar einerseits eine gleichbleibend hohe Qualität dieses Produkts, andererseits lässt es den Künstler*innen nur sehr wenig Raum für eigene Interpretationen. Die Individualität der Künstler*innen verschwindet hinter Kostüm und Maske und lassen sie so recht austauschbar erscheinen. Als Zuschauer*in kaufst du Eintrittskarten für die Marke TANZ DER VAMPIRE. In den seltensten Fällen besucht das Publikum die Show, um von ihnen verehrte und geschätzte Künstler*innen auf der Bühne zu bewundern.

Da erfreut es, wenn Darsteller*innen trotzdem hervorstechen, aber es verwundert ebenso, wenn andere hinter den Erwartungen zurückbleiben. Frederik Stuhllemmer als Alfred und Kristin Backes als Sarah harmonierten als junges Liebespaar vokal und darstellerisch ganz famos. Rachel Bahler punktete als Magda (wie schon vor genau einem Jahr in MAMMA MIA!) mit ihrer blendenden Stimme und bot reichlich üppige Erotik. Till Jochheim (Professor Abronsius), Oleg Krasovitskii (Chagal), Anne Hoth (Rebecca) und Jonas Steppe (Herbert) machten das Beste aus den jeweiligen Rollenvorgaben, die recht plakativ angelegt sind. Alexander Ruttig amüsierte mit rustikalem Charme und viel Witz als Koukol, dem buckligen Faktotum vom Grafen.

In der von uns besuchten Vorstellung schlüpfte der Australier Simon Loughton in die beinah schon ikonische Rolle des Grafen von Krolock. Optisch bringt er alles mit, was diese Rolle verlangt: hochgewachsen, athletisch-schlank. Bemühte er sich anfangs um den bekannten baritonalen Sound in der Stimme, verlor er sich dann im Laufe der Vorstellung stimmlich eher zu einem lyrischen Pop-Tenor und büßte dabei leider einiges an Charisma ein. Auch darstellerisch schien er noch nicht den richtigen Weg für sich gefunden zu haben: Der Song „Unstillbare Gier“ wurde von ihm recht „ambitioniert“ bzgl. Ausdruck und Gesang gestaltet. Es sei ihm zu gönnen, dass „sein“ Graf von Krolock im Laufe der Spielzeit weiter reifen darf.

Ansonsten lief alles wie am Schnürchen: Es war die ganz große Show! Aber: Genau dieser Umstand war wahrscheinlich auch der Grund, warum ich emotional so wenig berührt war.

Es fehlte mir der künstlerische Ausdruck!
Es fehlte mir die Persönlichkeit!
Es fehlte mir das Herz!
❤️

Und abermals fühlte ich mich bestätigt: Für einen Musical-Besuch, der mich begeistert, verzaubert und berührt, brauche ich nicht die großen Produktionen. Das funktioniert auch „kleiner“!!!


Für alle Freunde des gepflegten Gruselns: Zum TANZ DER VAMPIRE wird gerne auch weiterhin ins Operettentheater in Hamburg geladen!