[Rezension] Heinrich Spoerl – Die Feuerzangenbowle (Hörspiel)

Wer kennt ihn nicht – den Primaner „Pfeiffer mit drei Eff“.

Bei einer launigen Stammtischrunde, die durch Genuss besagter Feuerzangenbowle noch angeheizt wurde, schwelgen die anwesenden Herren in Erinnerungen an ihre Schulzeit. Ja, das waren noch Zeiten, als sie jung und mit Flausen im Kopf Streiche gegen die Pauker ausheckten und sich zum ersten Mal in die Schülerinnen des benachbarten Mädchen-Gymnasiums verliebten. Einzig Dr. Johannes Pfeiffer kann keine Anekdoten beitragen, da er privat unterrichtet wurde. Seine Freunde sind entsetzt: Die beste Zeit im Leben eines jungen Mannes blieb ihm verwehrt. Dieser Umstand muss schleunigst geändert werden. Kurzerhand werden entsprechende Unterlagen fingiert, Pfeiffer passend ausgestattet und auf das Gymnasium einer Kleinstadt verfrachtet. Seine Verlobte Marion ist ganz und gar nicht entzückt. Dafür ist Pfeiffer umso entzückter von der reizenden Eva, der Tochter des Direktors seiner Penne…!

Zu jedem Eff im Namen „Pfeiffer“ gab es bisher eine Verfilmung: Schon 1934 setzte sich Heinz Rühmann die Primaner-Mütze auf und lieferte mit „So ein Flegel“ einen Eindruck zur späteren Verfilmung des Romans. Im Jahre 1970 wagte sich dann Walter Giller unter der Regie von Helmut Käutner an die Rolle. Doch gegen die wunderbare und bekannteste Film-Fassung von 1944, die Rühmann mit seinem unübertroffenen Spiel dominierte, verblasst jegliche andere Verfilmung. Ebenfalls im Jahr 1970 produzierte der Bayrische Rundfunk diese Hörspielfassung, die sehr prominent besetzt wurde.


1 CDs/ Die Feuerzangenbowle von Heinrich Spoerl (1970)/ Hörspielbearbeitung: Bernd Grashoff/ Regie: Heinz-Günter Stamm/ Musik: Raimund Rosenberger/ mit Hans Clarin, Fritz Rémond, Paul Verhoeven, Josef Meinertzhagen, Heini Göbel, Günther Ungeheuer, Thomas Piper, Margot Philipp, Erika von Thellmann, Karin Kleine u.a.

Alle sind sie da! Bernd Grashoff lässt in seiner Hörspielfassung nicht nur die liebgewonnenen Figuren akustisch wieder auferstehen, auch all die wunderbaren Szenen mit den bekannten Zitaten, die ich nur allzu gerne aus dem Film zitiere, sind hier präsent. Unter der Regie von Heinz-Günter Stamm werden diese Ingredienzen zu einer amüsanten und kurzweiligen Schüler-Posse vereint, zu dessen Gelingen auch Raimund Rosenberger mit seiner stimmigen Musik beiträgt.

Auf der Besetzungsliste finden sich bekannte Namen aus Theater, Film und Fernsehen. Bei den Schüler*innen gefallen besonders Margot Philipp als aparte Direktorentochter und Thomas „Tommi“ Piper als Ackermann, der später durch seine Synchronisation von „Alf“ besondere Popularität erlangen sollte. Beim Lehrkörper fallen Namen renommierter Mimen wie Fritz Rémond, Paul Verhoeven, Josef Meinertzhagen, Heini Göbel und Günther Ungeheuer ins Auge, die allesamt durch ihre markanten Stimmen im Zusammenspiel mit gekonnt-kauzigen Rollenporträts überzeugen. Doch Dreh- und Angelpunkt dieser gelungenen Hörspiel-Fassung ist der herausragende Hans Clarin, der sich so herrlich schelmisch-verschmitzt die Pennäler-Mütze aufs Haupt stülpt.

Beim Lauschen des Hörspiels lachte ich so manches Mal herzhaft auf oder stieß einen wohligen Seufzer aus, da mir zwangsläufig Szenen des Films wieder in den Sinn kamen. Und da dachte ich mir, dass es langsam an der Zeit wäre, mich auch einmal der literarischen Vorlage zu widmen.


erschienen bei der Hörverlag/ ISBN: 978-3899409697

[Rezension] Vicki Baum – Menschen im Hotel (Hörspiel)

„Ich bin eine erstklassige Schriftstellerin zweiter Kategorie.“

…lautete Vicki Baums Selbsteinschätzung. Viele Leser*innen weltweit würden ihr vehement widersprechen. Dafür sind ihre Romane extrem gut und packend geschrieben und lassen auch eine gewisse ergreifende Dramatik nicht vermissen. Zudem konnte ihre Leserschaft gewiss sein, dass ihre Romane eine vergnügliche Lektüre versprachen. Wobei das Etikett „Unterhaltungsschriftstellerin“ sie nur unzulänglich beschreiben würde. Auch Vicki Baum zählte zu den Autor*innen, deren Werke am 10. Mai 1933 von den Nationalsozialisten verbrannt wurden. Ein Umstand, der im Nachhinein beinah als Qualitätsprädikat gedeutet werden könnte.

Menschen im Hotel erschien im Jahre 1929 und wurde ein internationaler Erfolg, auf dem sich die Autorin nicht ausruhte. Für sie war es eine Selbstverständlichkeit, hart zu arbeiten und sich vorab gründlich mit den Themen, über die sie dann schrieb, zu befassen. Zur Recherche für „Menschen im Hotel“ arbeitete sie wochenlang als Stubenmädchen in einem großen Berliner Hotel.

Die Drehtür des Berliner Grand Hotels rotiert: Gäste checken ein, checken aus, begegnen sich in der Lobby, im Tearoom oder im Wintergarten, und für einen kurzen Moment kreuzen sich ihre Lebensbahnen. Da haben wir den Generaldirektor Preysing, der sich voller Verzweiflung in Verhandlungen stürzt, um seine Firma zu retten. Im Nebenzimmer logiert der totkranke Buchhalter Otto Kringelein, der, nach einem unbedeutenden Dasein des Sparens und Darbens, noch einmal leben möchte. Der smarte Baron Gaigern ist ihm nicht ganz uneigennützig behilflich, eine gehörige Portion „Leben“ zu erfahren. Immer knapp bei Kasse aber auf großem Fuß lebend, schlägt er sich „hauptberuflich“ als Fassadenkletterer durch. Bei einem dieser Aktionen landet er im Zimmer der alternden und lebensmüden Primaballerina Grusinskaja. Doch anstatt ihr ihre berühmten Perlen zu stellen, findet er in ihr eine verwandte Seele auf der Suche nach Zuneigung und Glück. Ein kleines Stückchen Glück wünscht sich auch die kokette Sekretärin Flämmchen, die auf ihrer Suche danach durchaus gewillt ist, das unmoralische Angebot von Generaldirektor Preysing anzunehmen. Wenige Tage später, manchmal auch nur nach wenigen Stunden trennen sich diese Menschen wieder, doch ihre Begegnungen haben Spuren im Lebenslauf der anderen hinterlassen…!

Wie ich schon mehrfach erwähnte, kann ich mit Hörbüchern nichts anfangen. Natürlich gibt es da Hörbücher, die sehr gut produziert sind und mit wunderbar talentierten Sprecher*innen punkten können. Doch ich werde beim Anhören von Hörbüchern recht schnell ungeduldig: Die sprechende Person liest nicht in meinem Tempo, interpretiert eine Rolle vielleicht nicht in meinem Sinne, oder die Stimme passt für mich nicht zum Inhalt des Buches. Zudem wirken die Hörbücher auf mich oft auch sehr steril. Ganz anders ergeht es mir bei einem Hörspiel, das für mich gewissermaßen „ein Schauspiel für die Ohren“ ist. Hier werden die Rollen von unterschiedlichen Personen interpretiert, und Musik- und Geräuscheinspielungen sorgen für die akustische Atmosphäre.

Seit geraumer Zeit werden die alten Hörspielschätze der Rundfunkanstalten aus den Archiven befreit und neu aufgelegt. Für eine solche Hörspielproduktion traten damals wahre Schauspiel-Koryphäen vor das Mikrofon: Schauspieler*innen, die noch richtig sprechen konnten und ihre Stimme als Instrument sahen, das trainiert und gepflegt werden musste. Hier wurden Sätze nicht „vernuschelt“ oder Silben der „neuen Natürlichkeit“ geopfert. Hier erkannte die Hörerschaft den Künstler allein am prägnanten Klang der Stimme.

Die vorliegende Aufnahme von „Menschen im Hotel“ entstand im Jahre 1958 und versammelte ebenso prominente Mim*innen, die damals schon von Film und Bühne bekannt waren, wie auch aufstrebende Jung-Schauspieler*innen, die einige Jahre später in Film und Fernsehen Bekanntheit erlangen sollten.


1 CD/ Menschen im Hotel von Vicki Baum (1958)/ Hörspielbearbeitung: Gerda Corbett/ Regie: Heinz-Günter Stamm/ Musik: Raimund Rosenberger/ mit Brigitte Horney, Willy Maertens, Erik Schumann, Paul Dahlke, Günter Pfitzmann, Lisa Helwig, Gisela Zoch-Westphal, Dinah Hinz, Eva Pflug u.a.

…und nun sitze ich und lausche und lausche und lausche und freue mich, freue mich über diese gelungene Umsetzung, freue mich über diese grandiosen Schauspieler*innen, die mit ihren Stimmen den Personen des Romans Leben einhauchen, und die mir aus so vielen Fernsehspielen bekannt sind.

Gerda Corbett gelingt das Kunststück, einen komplexen Roman auf 82 Minuten zu komprimieren ohne dabei den Grundtenor zu verändern bzw. die Motivationen der Figuren zu verfälschen. Regisseur Heinz-Günter Stamm stellte für diese Hörspielproduktion eine Besetzung zusammen, die auch Eins-zu-eins bei einer filmischen Umsetzung dieser Geschichte überzeugend hätte mitwirken können. Brigitte Horney mimt die alternde Primaballerina Grusinskaja voll trauriger Melancholie und lebensmüder Erschöpfung. Unterstützung erhält Grusinskaja durch ihre ergebene Zofe Suzanne, die Lisa Helwig mütterlich-mitfühlend interpretiert. Willy Maertens berührt sehr als totgeweihter Otto Kringelein ohne in allzu schwülstiger Sentimentalität abzugleiten. Dem Generaldirektor Preysing leiht Charakter-Mime Paul Dahlke seine markante Stimme und lässt diesen zwischen Überheblichkeit und Verzweiflung hin und her pendeln. Erik Schumann gibt den Baron von Gaigern zwischen weltgewandter Nonchalance und mitfühlender Empathie. Das Flämmchen von Gisela Zoch-Westphal ist kokett-lebenshungrig ohne dabei ordinär zu wirken. Selbst die kleinen bis kleinsten Nebenrollen sind mit bekannten Namen wie Günter Pfitzmann, Dinah Hinz oder Eva Pflug besetzt, die so zum Gelingen dieses Hörspiels beitragen.

Allein der Klang dieser Stimmen versetzt mich zurück in eine Zeit, wo Fernsehen noch „anders“ gemacht wurde, wo das Erzähltempo gemächlicher war, wo mehr Wert auf Qualität und weniger auf Quantität gelegt wurde. Nein, früher war wahrlich nicht alles besser, doch manches schon…!


erschienen bei der Hörverlag/ ISBN: 978-3867179621