7 WOCHEN ANDERS LEBEN: …fasten, wem fasten gegeben!

Anscheinend steht dieses Jahr bei mir ganz im Zeichen des Aufbruchs…!

Nachdem im letzten Jahr meine Gesundheit – insbesondere mein Rücken – nicht unbedingt einen verlässlich stabilen Eindruck hinterlassen hatte, musste ich sowohl zähneknirschend wie auch schmerzhaft registrieren, dass die Zeit für Veränderung reif zu sein schien. Doch dies hinderte mich nicht, anfangs ein (vielleicht) typisch männliches Verhaltensmuster an den Tag zu legen:

„Wenn nichts mehr weh tut,
kann es so schlimm ja nicht gewesen sein!“

Anfang des Jahres brachten sich dann die Rückenschmerzen in einer gemilderten Variation bei mir wieder in Erinnerung und veranlassten mich, mich bei einem Rücken-Präventionskurs anzumelden, der allerdings erst im März beginnen sollte. Mit dem guten Gewissen, die richtigen Maßnahmen gewählt und somit den korrekten Weg eingeschlagen zu haben, machte ich fröhlich weiter wie bisher. Die Quittung erhielt ich prompt im Februar, als die Hexe mir beim Einräumen der Spülmaschine so derbe in den Rücken schoss, dass ich kaum fähig war, meinen Körper wieder in die Senkrechte zu befördern. Über vier Wochen erarbeitete ich mir wieder ein (halbwegs) schmerzfreies Leben. Seitdem mache ich an (beinah) jedem Morgen meinen kleinen Spaziergang durch unseren schönen Stadtwald, unterdrücke dabei sehr bewusst den Impuls in das von mir gewohnte Schritt-Tempo zu verfallen. Vielmehr habe ich mir einen eher schlendernden Gang angewöhnt, der meine von der Nacht noch steife Wirbelsäule sanft in Bewegung bringt. Auch der Präventionskurs hat nun begonnen: Nach der ersten Stunde gezielter Bewegung war ich bis auf die „Unnerbüx“ nassgeschwitzt und taumelte erschöpft aber zufrieden zum Auto.

Und auch die größte Baustelle muss/wird von mir in Angriff genommen: 150 kg Lebendgewicht schränken nicht nur das körperliche Wohlbefinden ein, sondern sie nehmen auch massiv Einfluss auf die Funktionalität der Gelenke und („Ach was?“) des Rückens. Doch alles zu seiner Zeit, und eins nach dem anderen: Schließlich haben sich besagte Probleme nicht von einem Tag auf den anderen entwickelt. Vielmehr war es ein schleichender Prozess, den ich durchaus viel früher hätte unterbrechen können aber es leider – aus vielfältigen Gründen – nicht getan habe. Somit rechne ich durchaus damit, dass ich meine Zeit brauche, bis ich hier sicht- und spürbare Erfolge erzielen werde.

Aber auch an einer anderen Front sah ich durchaus deutlichen Handlungsbedarf. So hatte ich mich entschlossen, in diesem Jahr zu fasten: Die Fastenzeit begann am 5. März und endete am 20. April. Fasten bedeutet für mich, auf etwas zu verzichten, das einen hohen Stellenwert in meinem Leben einnimmt und von dem ich bisher meinte, nie darauf verzichten zu können. Doch genau dies wollte ich gerne versuchen und mich während dem o.g. Zeitraum dem Internet entziehen. „Warum?“ werdet ihr vielleicht fragen. Aufgrund dessen, dass ich so viel Zeit am PC und somit im Internet verbrachte, um meine Accounts mit Inhalt zu füttern, bekam ich andere Dinge („Wie drücke ich es mal treffend aus?“) einfach nicht geschissen.

Doch da ich mich und mein wankelmütiges Durchhaltevermögen kannte, war mir bewusst, dass ich einen Anreiz/einen Impuls benötigte. Zu meiner Unterstützung nahm ich diesmal wieder an der Fasten-Aktion „7 Wochen anders leben!“ von ANDERE ZEITEN e.V. teil. ANDERE ZEITEN e.V. ist ein gemeinnütziger Verein, der mit seinen Initiativen die Zeiten und Feste des Kirchenjahres mehr ins Bewusstsein rücken möchte. Dabei sind sie äußerst kreativ, doch nie dogmatisch. Sämtliche Überschüsse werden als Spenden an kirchliche und kirchennahe Projekte ausgeschüttet. Bei der Fasten-Aktion „7 Wochen anders leben!“ erhielt ich (neben einer Broschüre zur Einstimmung) Woche für Woche einen Brief zugeschickt, der mich mit Geschichten und Cartoons motivieren und mit Denkanstöße und Zitate inspirieren sollte.

Meine Accounts legten in dieser Zeit eine Pause ein, und meine Aktivitäten sollten sich höchstens auf das Beantworten persönlicher Nachrichten beschränken. Ansonsten wollte ich mich den Versuchungen des Internets bewusst entziehen, das ja auch einen großen Zeitfresser darstellt. Obwohl diese Entscheidung mich beinah euphorisierte, keimte auch Unsicherheit in mir auf. Sollte ich mich wirklich so radikal – wenn auch nur für einen klar umrissenen Zeitraum – aus der Bubble zurückziehen? Besteht nicht die Gefahr, dass ich aufgrund dieser Passivität Follower verliere? Habe ich nicht eine Verantwortung gegenüber meinen Followern? Doch habe ich nicht eine viel größere Verantwortung mir selbst gegenüber?


Natürlich hätte ich auch ohne diese Fasten-Aktion – zumindest theoretisch – meine Internet-Präsenz reduzieren können, doch irgendwie fühlte ich mich durch die Teilnahme an dieser Aktion, als hätte ich mir selbst die Absolution erteilt und somit die Erlaubnis zum Internet-Detox erhalten.

WOCHE 1 + 2

Die Euphorie des Neubeginns trug mich durch die ersten beiden Wochen. Ich genoss die neue Freiheit, die mir die gewonnene Zeit bot, und war aktiv wie schon lange nicht mehr. So wurden u.a. die Regale im Arbeitszimmer aufgeräumt, Sträucher im Garten beschnitten, der Stapel mit Unterlagen aus mehreren Epochen sortiert und archiviert, und ich las gefühlt nahtlos 3 Bücher hintereinander weg. Es war großartig!

WOCHE 3

Ich ertappte mich dabei, wie ich – nachdem die persönlichen Nachrichten gecheckt waren – bei den Accounts meiner Blogger-Kolleg*innen hängen blieb, um mal hier, mal dort etwas zu lesen. Doch spätestens, wenn ich erstmals und wie selbstverständlich auf LIKE klicken wollte, meldete sich das schlechte Gewissen bei mir, und ich trennte mich – schweren Herzens – von der Tastatur, nur um wenig später wieder – wie ein Süchtiger um seinen Dealer – um den Computer herumzuschleichen. „Vielleicht ist in den letzten 30 Minuten eine persönliche Nachricht für mich angekommen, die dringend beantwortet werden muss?“ Nein, das war nicht der Fall, und somit schlich ich mit gesenktem Haupt wieder aus dem Zimmer.

WOCHE 4

Ich war absolut tiefenentspannt im hier und jetzt: Da ich von Vornherein diesen Block bei der Fasten-Aktion ausgespart hatte, nutze ich den wiedergewonnenen Elan und schrieb fleißig Rezensionen zu den in den vergangenen Wochen gelesenen Büchern sowie Berichte über Theater- und Event-Besuche. Ich genoss es regelrecht, mich nicht in der Verpflichtung zu sehen, meine Accounts bei Facebook und Instagram mit Inhalt füllen zu müssen – eine Verpflichtung, die ich übrigens mir selbst auferlegte. Die Wörter flossen nur so aus meinen Fingern über die Tastatur in den Rechner, um sich in launigen Beiträgen zu sammeln. Aus diesem Hochgefühl heraus hätte ich Helden zeugen können!

WOCHE 5

Doch dann begann die nächste Woche: In der Zwischenzeit hatten sich etliche Beiträge auf meinem Blog angesammelt, und es juckte mir in den Fingern, sie endlich der Weltöffentlichkeit via Social Media Accounts zu präsentieren. Doch ich widerstand! Meine geschätzten Blogger-Kolleginnen beim Challengemonday diskutierten über die weiteren Themen für die kommende Montage – allerdings ohne mich, dabei hätte ich so viel beizutragen. Doch ich widerstand! Andere Blogger-Kolleg*innen markierten mich freundlicherweise in ihren Beiträgen und luden mich so zu Aktivitäten ein. Doch ich widerstand! Mein Fazit nach dieser Woche: Widerstand zerrt an den Nerven und macht extrem müde!

WOCHE 6

Den Versuchungen des Internets zu widerstehen, darauf lag in dieser Woche absolut nicht mein Hauptaugenmerk, und demzufolge verschwendete ich daran auch nur wenige Gedanken. Vielmehr zwickte – nach einigen anstrengenden Diensten – mein Rücken leider wieder mehr. Während der Arbeit merkte ich, dass ich mein über Jahre antrainiertes Arbeits-Tempo nicht mehr (durch)halten konnte. Viele Tätigkeiten fielen mir deutlich schwerer und brauchten entsprechend ihre Zeit bei der Durchführung. Da half mir meine mit der Zeit verfeinerte Fähigkeit zum strukturierten Arbeiten schon sehr, und ich glaube (hoffe), dass ich trotzdem eine gute Leistung erbracht habe. Doch in stillen Momenten machte ich mir so meine Gedanken, ob und wie lange ich dieser Belastung noch standhalten könnte.

WOCHE 7

So, wie WOCHE 6 endete, fing auch WOCHE 7 für mich an: Mein Rücken-Aua hatte an Intensität gewonnen, sodass ich mir eine Pause gönnte und mich für den Montag krank meldete. Da Ostern nahte und somit auch vier Frühdienste über die Feiertage, hatte ich durchaus realistische Bedenken, dass, wenn ich mir jetzt keine Ruhe gönne, ich spätestens Ostern die Quittung dafür erhalten würde. So verbrachte ich meine Zeit mit einer wechselnden wie auch leichten körperlichen Betätigung in Kombination mit Rücken-Gymnastik, und entsprechend wenig hockte ich vor dem PC. Ich vermisste ihn allerdings auch nicht.


FAZIT

Am Ende der Fasten-Aktion „7 Wochen anders leben!“ stellte ich mir die Frage, ob ich abermals ein Internet-Detox in dieser Form für mich wählen würde. Meine Antwort lautete „Nein, ich würde nicht!“. Die wöchentlichen Fasten-Briefe von ANDERE ZEITEN e.V. hätte ich definitiv deutlich besser in die Fastenzeit integrieren können, um so Impulse für meinen Alltag aus ihnen zu ziehen. Doch auch so waren sie mir Mahnung und Halt, gaben Struktur, und allein ihr wöchentliches Erscheinen war Ansporn für mich und ließ meine innere Stimme mir zuflüstern „Bleib’ dran!“.

Aber ich ziehe durchaus meine Lehre aus dieser Zeit: Ich mag es, mich mit meinen Accounts zu beschäftigen und sie mit Inhalt zu füllen, ebenso sehr, wie ich den Austausch mit meinen Blogger-Kolleg*innen schätze. Allerdings werde ich mich bemühen, die Zeit nicht mehr sinnlos im Netz zu „verdaddeln“. Denn vieles, was ich tue (bzw. nicht tue) nimmt auf andere Bereiche meines Lebens einen deutlich spürbaren Einfluss. Meine ausdauernde Beschäftigung mit dem Internet geht natürlich mit einem Mangel an Bewegung einher, der wiederum meine Körperhaltung bestimmt, zu Verspannungen in Rücken und Nacken führt und eher rudimentär zur Gewichtsreduktion beiträgt. Schon kleine bis kleinste Aktivitäten im Haushalt erfüllten mich mit einem Gefühl der Zufriedenheit, da ich mir mein Nest schöner machte.

Die Spaziergänge durch den Stadtwald entwickelten sich zu einem Ritual: Auf meinem Weg höre ich die Vögel zwitschern, der Specht pocht, Eichhörnchen huschen durch das Geäst, und unter den Bäumen sprießen Buschwindröschen durch das welke Laub des vergangenen Jahres. Zudem habe ich eine besondere Stelle für mich entdeckt, wo die Bäume ein wenig lichter stehen und die Sonne mir so wohltuend ins Gesicht scheinen kann. Dort bleibe ich immer für einige Minuten stehen, schließe die Augen, horche in mich hinein und genieße das Licht, den Wind und den Duft des Waldes. In diesen kurzen, wertvollen Momenten spüre ich keinen Schmerz.


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So waren die vergangenen 7 Wochen für mich schwer, aufwühlend, emotional und – Ja! – auch schmerzhaft aber ebenfalls äußerst lehrreich: Mein Blog und meine Accounts sind ein wunderbar bereicherndes Hobby, das mir durchaus Vergnügen bereitet. Aber auch nicht mehr! Viel wichtiger ist mir die Lebenszeit, die ich mit Lieblingsmenschen verbringe. Sie ist so kostbar und schenkt mir kleine wie große Glücksmomente, an die ich mich immer wieder mit Freude erinnern werde.


Infos zu den Aktionen von Andere Zeiten e.V. findet ihr auf deren HOMEPAGE.

[Eine Geschichte…] Unbekannt – ERSTE HILFE

Ein kleiner Junge kam später nach Hause, als die Mutter erwartet hatte. Als sie nach dem Grund der Verspätung fragte, antwortete das Kind:

„Ich habe Julia geholfen. Ihre Puppe ist kaputt gegangen.“

„Hast du geholfen sie zu reparieren?“, fragte die Mutter.

„Nein“, antwortete das Kind, „Ich habe ihr geholfen zu weinen.“

Unbekannt

aus: Hoppla! Neue Geschichten für andere Zeiten/ herausgegeben von Andere Zeiten e.V./ mit Illustrationen von Elsa Klever

[Rezension] Hoppla! Neue Geschichten für andere Zeiten/ herausgegeben von Andere Zeiten e.V./ mit Illustrationen von Elsa Klever

Seit etlichen Jahren begleiten mich die Publikationen von Andere Zeiten e.V., eine Initiative zum Kirchenjahr, die in Hamburg beheimatet ist und sich mit der Zeit vom kleinen Geheimtipp zum begehrten Insider gemausert hat.

Meinen ersten Kontakt mit einer Publikation dieser Initiative hatte ich, als ich vom Pastor der diakonischen Einrichtung, bei der ich gearbeitet hatte, über Jahre deren besonderen Adventskalender geschenkt bekam. „Der Andere Advent“ ist ein Adventskalender mit Texten und Bildern zum Weiterdenken: Es wurde ein richtiges Ritual, morgens vor Arbeitsbeginn einen Moment am Schreibtisch inne zu halten, Bild und Text auf mich wirken zu lassen und erst danach ans Tagwerk zu gehen. Nach einem Wechsel des Arbeitgebers schenke ich mir diesen Kalender nun immer selbst.

Doch auch die anderen Veröffentlichungen gefallen mir sehr. Besonders die „Geschichten für andere Zeiten“ sind ganz wundervoll. Nach „Typisch!“ und „Oh!“ erschien nun brandneu mit „Hoppla!“ der dritte Streich dieser Reihe. In diesen entzückenden Büchern im handlichen Format versammeln sich Geschichten und kleine Anekdoten, die vorab im „Magazin zum Kirchenjahr“, im Fastenwegweiser „wandeln“ oder in vergangenen Adventskalendern erschienen sind und hier mit stimmungsvollen Illustrationen versehen als Sammlung neu veröffentlicht werden.

Für „Hoppla!“ konnte die Hamburger Künstlerin Elsa Klever gewonnen werden, die schon Kinderbücher für die Verlage Carlsen, Thienemann und Aladin illustrierte oder Buch-Cover für Dragonfly, Beltz & Gelberg und Coppenrath schuf. Sie gewann 2015 den Österreichischen Kinderbuchpreis und ist in diesem Jahr für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert.

Hier sorgt sie mit ihren sowohl ansprechenden wie auch stimmungsvollen Bildern, dass die Geschichten originell umrahmt werden. Klever verbeugt sich mit ihrer Kunst vor den Zeilen der versammelten Autor*innen: Neben vielen „Unbekannten“ gibt es auch Texte von Anthony de Mello, Frank Hofmann, Susanne Niemeyer, Martin Auer, Elke Heidenreich, Johann Roth, Hans Heß, Lynn Segal, Shiva Ryu, Gisela Rieger, Sigismund von Radecki, Rabbi Nilton Bonder, Luigi Malerba, Rajinder Singh, Kristina Reftel und Shiva Singh.

Da wird ein Zwiegespräch mit dem Teufel gehalten, für das Gehör eines Musikers singt ein Vogel „falsch“, eine Einsiedlerin zähmt ihre inneren Tiere, und Forscher fordern frech Gott heraus. Andere Geschichten erzählen von dem Meister, der seinen Schüler auf die Suche nach Wahrheit schickt, von einem schielenden Huhn in Pisa und von einem kleinen Junge, der seiner Freundin beim Weinen hilft.

Allen Geschichten ist gemein, dass sie mir ein Lächeln ins Gesicht zauberten und nach der Lektüre meine Gedanken auf eine Reise schickten. Sie erzählen von der Suche nach dem großen Glück, der noch größeren Liebe, dem Finden der kleinen Glücksmomente, vom humorvollen Scheitern, von  viel Menschlichkeit und ganz viel Weisheit. Dieses kleine Buch macht die Welt vielleicht nicht besser, aber es sorgt dafür, dass wir uns in ihr eine Zeit lang besser fühlen. Und ich finde, das ist schon sehr viel wert…!

Übrigens: Den Adventskalender für dieses Jahr habe ich mir natürlich schon zuschicken lassen. Denn: Ruckzuck ist sie da, die Adventszeit…! 😉


erschienen bei Andere Zeiten e.V./ Artikel-Nr.: 525