[Rezension] Maurice Leblanc – Arsène Lupin und die Frau mit den jadegrünen Augen (Hörspiel)

Seit einigen Jahren erfreut PIDAX Film- & Hörspielverlag sowohl mich wie auch sicherlich jeden anderen begeisterten Anhänger mit ihren Wiederveröffentlichungen von alten Serien, Filmen und Hörspielen. Dabei hatten die Verantwortlichen ein mal mehr, mal weniger glückliches Händchen bei der Sortimentsauswahl. Da wurde durchaus schon so manches verschollene Schätzchen wieder ans Tageslicht befördert. Allerdings gab es auch Funde, die meiner Meinung nach gerne in der Versenkung hätten bleiben dürfen. Aber Geschmäcker sind zum Glück recht verschieden: Medien, deren Inhalte nicht zu meinen Interessensgebieten zählen, können durchaus anderswo ihre Liebhaber*innen finden, gemäß dem Motto „Jedes Tierchen sein Pläsierchen“.

In diesem Fall entdeckte ich in der Reihe PIDAX HÖRSPIEL KLASSIKER die vertonten Abenteuer des bekannten Meisterdiebs. Nachdem mich die gedruckte Form von Arsène Lupin. Der Gentleman-Gauner so wunderbar unterhalten konnte, freute ich mich schon auf die akustische Umsetzung einer der Geschichten vom Autor Maurice Leblanc.

Frühling in Paris in den Zwanziger Jahren. Von ihren Wintermänteln befreit, flanieren die Menschen auf den großen Boulevards. Auch Arsène Lupin, mittlerweile 34 Jahre alt und ein eleganter Lebemann, genießt die laue Luft. Eine schöne Dame mit schweren blonden Haaren und blauen Augen gerät in sein Blickfeld – sie wird von einem Herrn verfolgt. Lupin folgt dem Verfolger bis in ein Café am Boulevard Haussmann. Dort sitzt an einem Tisch eine andere, auch sehr schöne Frau, jünger als die Blauäugige, mit jadegrünen Augen. Die Grünäugige verlässt das Café, Lupin geht ihr nach und wird Zeuge einer Szene: Der Verfolger der Blauäugigen und der herbeigeeilte Vater der Grünäugigen streiten sich schreiend um die grünäugige Frau. Der aufgebrachte Vater fährt schließlich mit ihr davon. Die Blauäugige nimmt einen Wagen zum Gare de Lyon und besteigt einen Zug nach Monte Carlo. Lupin folgt ihr bis ins Abteil und erfährt ihren Namen: Miss Bakefield, eine Engländerin. Dann überstürzen sich die Ereignisse. Lupin wird niedergeschlagen, drei Reisende werden ermordet, und drei Maskierte jagen auf der Flucht an Lupin vorbei. Er blickt kurz in jadegrüne Augen, dann steht er dem Verfolger von Miss Bakefield gegenüber: Es ist Kommissar Marescal. Im Mittelpunkt des Abenteuers steht die Frau mit den jadegrünen Augen, Aurélie d’Asteux, die immer wieder auftaucht und verschwindet. Lupin muss seinen einmaligen Charme einsetzen, um ihr Herz zu gewinnen – denn erst so kann er zum Grund der hochpolitischen Verwicklungen vordringen: Auf dem Boden eines Stausees liegt angeblich ein Schatz. Ist es gar die Quelle ewiger Jugend?

(Inhaltsangabe der ARD-Hörspieldatenbank entnommen.)


1 CDs/ Arsène Lupin und die Frau mit den jadegrünen Augen von Maurice Leblanc (2009)/ Übersetzung und Hörspielbearbeitung: Sabine Grimkowski/ Regie: Stefan Hilsbecher/ Musik: Helena Rüegg/ mit Rüdiger Vogler, Samuel Weiss, Odine Johne, Thomas Thieme, Heinrich Giskes, Barbara Stoll, Bijan Zamani, Hubertus Gertzen u.a.

Was eine entzückende Schönheit mit bestechenden Augen nicht alles anrichten kann: Bei ihrem Anblick entflammt selbst das Herz unseres genialen Meisterdiebs, der dann Logik, Sicherheit und Identität mit leichter Hand über Bord wirft, um der Dame in Nöten zur Hilfe zu eilen.

Bei dieser irrwitzigen Geschichte fühlte ich mich zwar durchaus unterhalten, allerdings unterstelle ich mal, dass das Original in Fortsetzungen in einer Zeitschrift erstmals veröffentlicht wurde. Die Handlung entwickelte sich so krude, dass bei mir der Eindruck entstand, Leblanc musste jede Folge mit einem Knalleffekt beenden (Heute nennt sich so etwas „Cliffhanger“.), um so seine Leserschaft bei der Stange zu halten, damit sie auch die nächste Zeitungsausgabe kaufen. Anders kann ich mir diese wirre Entwicklung der Story nicht erklären: Eine plausible Handlung mit entsprechendem Aufbau incl. Spannungsbogen sucht man hier vergebens. Auch kann keine differenzierte Charakterisierung der Personen erwartet werden. Vielmehr bedient sich Leblanc der gängigen Klischees: Der Held ist mutig, der Schurke böse, der Bulle nachtragend, und die Frauen sind entweder schön naiv oder schön durchtrieben.

Können da wenigstens die Sprecherinnen und Sprecher „das Ruder rumreißen“ und aus einer mittelprächtigen Vorlage ein unterhaltsames Hörspiel zaubern? Antwort: Bedingt! Samuel Weiss gibt den Meisterdetektiv mit charakteristischer Stimme zwischen selbstbewusstem Held, raffiniertem Gauner und verliebtem Jüngling. Zudem verfügt er über ein solch einnehmendes Timbre, das mich aufhorchen ließ und viel Wiedererkennungswert besitzt. Seinen Gegenspieler Kommissar Marescal gibt Thomas Thieme mit schnoddrigen Tonfall und cholerischen Attitüden. Rüdiger Vogler gefällt als Sprecher mit sonorer Stimme. Auch die weitere Herrenriege mit Heinrich Giskes, Bijan Zamani, Hubertus Gertzen u.a. kann überzeugen.

Gleiches kann ich leider den Damen nicht attestieren: Barbara Stoll verpasst Miss Bakefield nicht nur einen (wenig überzeugenden) englischen Akzent, auch gestaltet sie ihre Rolle allzu herb und lässt so an Charme vermissen. Die Angebetete unseres Helden, Aurélie d’Asteux, bleibt bei Odine Johne bedauerlicherweise recht blass, strahlt kaum Charisma aus und kann so zumindest rein akustisch nicht vermitteln, warum Lupin in Liebe zu ihr entbrennt. Schade!

Sabine Grimkowski bemühte sich redlich, um aus der verworrenen Vorlage eine brauchbare  Hörspielfassung zu zaubern und stieß dabei an dessen Grenzen. Regisseur Stefan Hilsbecher sorgte für eine flüssige Verknüpfung der vielen Handlungsorte und Szenen. Seine Arbeit ist absolut solide, bietet aber auch keine Überraschungen. Helena Rüegg schuf mit ihrer Musik (gemeinsam mit der Tontechnik bei den Geräuschen) eine stimmige Hintergrund-Atmosphäre und versprühte mit ihrem Akkordeon frankophiles Flair.

Leider konnte mich diese akustische Umsetzung nicht vollends überzeugen. Doch unser charmanter Gentleman-Gauner hat es durchaus verdient, dass ich ihm bzw. eine seiner Hörspieladaptionen eine weitere Chance einräume.


erschienen bei Pidax/ EAN: 4260158194235

[Rezension] Maurice Leblanc – Arsène Lupin. Der Gentleman-Gauner/ mit Illustrationen von Annika Siems

Arsène Lupin, der feinsinnige Gentleman-Gauner und Meister der Verkleidungskunst, brilliert im rasanten Schlagabtausch mit seinen Gegenspielern. Galant wickelt er seine Geschäfte ab, entwendet mit Leichtigkeit prächtige Diamanten, teuerste Gemälde und brisante Dokumente. Selbst ein Aufenthalt im berüchtigten Gefängnis von Paris hält Lupin nicht davon ab, seine diebischen Vorhaben in die Tat umzusetzen. Intrigen, falsche Fährten, Täuschungen und Verrat – nichts kann dem Meisterdieb gefährlich werden. Nur eines bringt den ausgewiesenen Kunstkenner aus der Fassung: die Liebe zu einer Frau…

(Inhaltsangabe dem Klappentext des Buches entnommen!)

Zwischen den Jahr(zehnt)en 1905 und 1935 erzählte Autor Maurice Leblanc seinem stetig wachsenden Publikum in 20 Romanen, zwei Theaterstücken und etlichen Kurzgeschichten von den haarsträubenden Abenteuern des Arsène Lupin. Dabei gelten die Romane als eine wichtige Entwicklung in der Geschichte des Kriminalromans. Hier stand nicht ein gewiefter Ermittler im Rampenlicht, vielmehr galt die gesamte Aufmerksamkeit erstmals einem Kriminellen, der allerdings mit so viel Charme, Stil und Klasse agierte, dass er sich der Sympathie der Leserschaft sicher sein konnte.

Arsène Lupin ist frech, dreist und unverschämt, dann wieder zartfühlend, zurückhaltend und empathisch. Die Armen haben nichts zu befürchten. Vielmehr beutelt er die, die eh alles im Übermaß besitzen und sich oftmals verzweifelt an ihre Besitztümer klammern gemäß dem Motto „Ich habe, also bin ich wer!“. Sein genialer „Spiritus rector“ erlaubt ihm sogar die Freiheit bzw. Frechheit, dass er seine zukünftigen Opfer vorwarnt und sie trotz aller getroffenen Vorsichtsmaßnahmen selbstverständlich (!) um ihrer Wertgegenstände erleichtert.

Dabei pflegt er ein beinah freundschaftliches Verhältnis zur Polizei, selbst wenn diese, wie z.Bsp. der von ihm geschätzte Inspector Ganimard, ihn verhaftet und ins berüchtigte Pariser Gefängnis Santé verfrachtet. Er kann ihnen nicht lange böse sein, denn schließlich ist selbst ein Gefängnisaufenthalt für einen Gentleman-Gauner, wie er einer ist, nur von kurzer Dauer. Doch es gibt zwei Menschen, die es schaffen den Meisterdieb aus sehr unterschiedlichen Gründen durch ihre bloße Anwesenheit zu irritieren: Einerseits ist es die entzückende Miss Nelly Underdown, andererseits der wohl berühmteste Detektiv der Welt Mr. Sherlock Holmes.

Gerüchten zufolge soll Leblanc den Meisterdieb als Gegenstück zum sehr erfolgreichen Sherlock Holmes von Arthur Conan Doyle geschaffen haben. Aus urheberrechtlichen Gründen durfte bei der Erstveröffentlichung der korrekte Name des Meisterdetektivs nicht genannt werden, der dann zu „Herlock Sholmes“ mutierte. Diese Schreibweise wurde auch in der vorliegenden Ausgabe der Büchergilde Gutenberg beibehalten.

Aus dem Füllhorn an Geschichten wurden für die vorliegende Edition neun Erzählungen gewählt, die wunderbar aufeinander aufbauen bzw. sich aufeinander beziehen. Alle Erzählungen wurden von Martin Barkawitz mit viel Witz und Esprit vortrefflich übersetzt.

Die Illustrationen von Annika Siems, die jeweils am Anfang einer Geschichte stehen, sind ein nettes „Beiwerk“ aber durchaus auch entbehrlich. Leider erreichen sie nicht die Intensität, die ihre Illustrationen vorweisen, die sie für Graham Greenes „Der dritte Mann“ ebenfalls für die Büchergilde Gutenberg kreiert hat.

Arsène Lupin ist ein Meister der Verkleidung, der in eine Vielzahl verschiedener Identitäten schlüpft: So ist es natürlich müßig zu erwähnen, dass Maurice Leblanc in keinem einzigen Satz und nicht mit der winzigsten Andeutung einen Hinweis auf das wahre Erscheinungsbild seiner Schöpfung gibt. So blieb es für mich als Leser immer wieder spannend zu rätseln, hinter welchem Pseudonym sich der Gentleman-Gauner diesmal verbergen könnte.

„Oldies but Goldies!“ lautet ein vielbemühter Ausspruch, der mal mehr, mal weniger zutreffend ist. In diesem Fall trifft er allerdings direkt ins Schwarze: Ich habe mich bei der Lektüre dieser neun Erzählungen gar prächtig amüsiert und bestens unterhalten gefühlt.

Easter Eeg: Beim Lesen der letzten Erzählung „Herlock Sholmes kommt zu spät“ stutze ich plötzlich und musste spontan auflachen. Da hatte sich doch tatsächlich der korrekte Name des Meisterdetektivs in die Geschichte geschummelt. Ich wünsche Euch viel Spaß beim Suchen!


erschienen bei Büchergilde Gutenberg / ISBN: 978-3763272938 / in der Übersetzung von Martin Barkawitz