LESE-HIGHLIGHTS 2023…

Man soll das Jahr nicht mit Programmen
beladen wie ein krankes Pferd.
Wenn man es allzu sehr beschwert,
bricht es zu guter Letzt zusammen.

Erich Kästner

Na, das brauche ich mir nun nicht vorwerfen, dass ich an das vergangene Jahr zu viele Erwartungen geknüpft habe. Okay, einige Krisen hätte es mir/uns auch gerne ersparen können. Da verliert der Spruch „Was uns nicht umbringt, macht uns nur härter!“ zumindest bzgl. meiner Person langsam an Gültigkeit. Nach jeder durchlebten Krise benötigte ich mehr Zeit zur Rekonvaleszenz. Da wundert es kaum, dass meine diesjährige Literaturauswahl nur einige wenige Überraschungen beinhaltet.

Interessanterweise haben es vier Kinderbücher in die Auswahl zu meinen diesjährigen Lese-Highlights geschafft. Wer möchte, kann sich diesbezüglich gerne Gedanken machen, die Psychoanalyse bemühen und so einiges hineininterpretieren. Fakt ist, dass jedes Kinderbuch für sich betrachtet einfach nur entzückend war. Doch auch zwei Klassiker im illustrierten Gewande wussten mich ebenso zu begeistern, wie die Hörspielfassung eines bekannten Romans, eine sensationelle Anthologie und eine berührende Erzählung. Dahingegend ist das Genre, das hier auf meinen Block den größten Part einnimmt, nur mit zwei Werken vertreten. C’est la vie!

Das Ende eines Jahres ist für mich auch immer eine Zeit der Reflexion: Wie war das vergangene Jahr für mich? Was habe ich gut gemeistert? Was könnte ich zukünftig besser machen? Wer oder was darf mich weiterhin begleiten? Und wovon sollte ich mich trennen? Im Rahmen dieser Überlegungen habe ich – schweren Herzens – eine Mitgliedschaft bei der Büchergilde Gutenberg gekündigt. Die Büchergilde Gutenberg verlegt so schöne Bücher, von denen ich euch hier schon einige vorgestellt habe. Doch als ihr Mitglied bin ich verpflichtet, pro Quartal einen Kauf zu tätigen. In der Zwischenzeit nenne ich schon so viele wunderbare, bibliophile Bücher aus deren „Portfolio“ mein eigen, die leider – aufgrund mangelnder Zeit – bisher ein Schattendasein bei mir auf dem SuB führen. Dort sind sie in bester Gesellschaft mit den tollen Büchern anderer Verlage, die mich natürlich ebenso interessieren. So war es dringend nötig, dass ich dem Wachstum meines SuBs an allen Fronten Einhalt gebiete. Darum war eine Trennung unausweichlich…!

Doch hier sind sie nun endlich, meine Lese-Highlights des Jahres 2023…


Lese-Highlights 2023 - Buchcover


  • Im Januar überwältigte mich die grandiose Anthologie Prosaische Passionen. Die weibliche Moderne in 101 Short Stories. Herausgeberin Sandra Kegel versammelte in diesem Prachtband 101 Autorinnen aus 25 Weltsprachen und zeigte damit die unglaubliche Bandbreite weiblicher Prosa.
  • Im April lud mich Oscar Wilde ein, einen Blick auf Das Bildnis des Dorian Gray zu werfen. In der illustrierten Fassung mit den Bildern von Anna und Elena Balbusso kam ich dieser Einladung nur allzu gerne nach.
  • Der Juni lockte mich musikalisch in die französische Hauptstadt: Gemeinsam mit Ein Amerikaner in Paris. Sinfonische Dichtung von George Gershwin erkundete ich dank der zauberhaften Illustrationen von Doris Eisenburger die legendäre Seine-Metropole
  • Im Juli war ich mal wieder unter Menschen im Hotel. Doch diesmal checkte ich in Vicki Baums Geschichte akustisch via Hörspiel ein und erfreute mich an den großartigen Stimmen von Brigitte Horney, Willy Maertens, Paul Dahlke und Lisa Helwig.
  • Der August schenkte mir das entzückende Bilderbuch Hans Christian Andersen. Die Reise seines Lebens von Heinz Janisch und mit den Illustrationen von Maja Kastelic.
  • Im September machte ich die Bekanntschaft mit Leb wohl, Mister Chips von James Hilton: eine ganz und gar anrührende Geschichte.
  • Ebenfalls im September erfreute mich Josephine Tey mit Der letzte Zug nach Schottland. Ihr Inspector Alan Grant entwickelt sich langsam zu einem meiner Favoriten.
  • Der September meinte es in diesem Jahr gut mit mir: Ich war regelrecht entzückt von Der Zauber der Bücher. Dafür sorgten einerseits die Verse von Caroline Derlatka als auch die traumhaften Illustrationen von Sara Ugolotti.
  • Im November köderten mich dann Adelheid & Ferkolin mit ihrer reizenden Geschichte, die von Marius Marcinkevičius erzählt und von Lina Dūdaitė zauberhaft bebildert wurde.
  • Der Dezember bescherte mir dankenswerterweise durch Der Mistelzweig-Mord. Weihnachtliche Kriminalgeschichten die Bekanntschaft mit P.D. James und ihrer Schöpfung Chief Inspector Adam Dalgliesh.
  • Ebenfalls im Dezember frischte ich eine andere Bekanntschaft wieder auf: In Eine Weihnachtsgeschichte von Charles Dickens trat Scrooge wieder in mein Leben – diesmal mit den ausdrucksstarken Bildern von P.J. Lynch.

Abermals ist ein Rückblick auf ein Lese-Jahr geschafft. Wieder neigt sich ein Jahr dem Ende entgegen. Und wieder spüre ich diese bleierne Jahresend-Müdigkeit, die gerne mit einem leichten Anflug von Depri im Gepäck daherkommt. Doch dank der Erfahrungen der letzten Jahre nehme ich diesen Umstand recht gelassen: Spätestens Mitte Januar, wenn die Tage langsam aber durchaus schon spürbar länger werden, ist beides vergessen, und ich freue mich auf die Monate, die vor mir liegen.

Ich wünsche Euch einen guten Rutsch ins Neue Jahr 2024!

Liebe Grüße
Andreas

[Rezension] Doris Eisenburger – Ein Amerikaner in Paris. Sinfonische Dichtung von George Gershwin

Ungefähr zur selben Zeit als ich über Die Flöhe in der Oper stolperte, polterte mir auch dieses Bilderbuch vor die Füße. Bei diesem Titel musste ich zugreifen, zwangsläufig, ohne zu zögern und ohne Wenn und Aber, dafür liebe ich das gleichnamige MGM-Musical zu sehr. Doch ich sollte eine kleine Überraschung erleben: Doris Eisenburger, Autorin und Illustratorin in Personalunion, machte sich nämlich nicht die Filmgeschichte zu eigen, sondern kreierte eine eigenständige visuelle Fassung. Dabei lauschte sie dem Orchesterwerk von George Gershwin sehr genau und schuf um diese Komposition herum ihre Geschichte…

Paris an einem Frühlingstag im Jahre 1928: Der junge George Gershwin kommt am Bahnhof an. Einige Wochen wird er in Paris verbringen, in der Hoffnung, Inspiration für ein neues Orchesterwerk zu erhalten. Nachdem er sein Gepäck im Hotel verstaut hat, macht er sich auf einen Spaziergang durch die Straßen der legendären Seine-Metropole. Hungrig saugt er die Geräusche der Stadt in sich auf. Am Montmartre macht er die Bekanntschaft mit einer entzückenden Französin, die ihn zum Jardin des Tuileries begleitet. Doch die Liebe ist unstet – besonders in Paris: Am Pont Neuf trennen die Beiden sich wieder, und George setzt seinen Spaziergang alleine fort. Doch gänzlich alleine ist er nicht: Ein kleiner, entzückender Hund verfolgt ihn schon seit einer Weile. Gemeinsam besteigen sie den Eifelturm. Die Aussicht von dort oben ist einfach atemberaubend. Zurückgekehrt in seinem Hotelzimmer setzt er sich ans Klavier, beginnt zu komponieren und verwandelt alle seine Eindrücke des Tages in Musik.

HINWEIS: Bei der obigen Aufnahme handelt es sich nicht um die, die dem Buch beigefügt ist. Es ist eine ältere Aufnahme, und sie dient nur dazu, einen Eindruck von der Musik zu vermitteln. 

Dieses Bilderbuch ist einfach nur entzückend! Bei dieser Thematik muss das entsprechende Orchesterwerk parallel zum Lesen der Geschichte angehört werden, und selbstverständlich ist eine CD mit der Musik zu „An American in Paris“ diesem Buch beigefügt. In ihren Texten kommentiert Doris Eisenburg den Spaziergang Gershwins, erklärt den Einsatz der Instrumente, gibt Hinweise zum Gehörten, symbolisiert dies aber auch in ihren Illustrationen. Entsprechende Hinweise, welcher Track zu welchem Bild gehört, sind im Text vermerkt.

Bei der Musikaufnahme konnte der Verlag dankenswerter Weise auf das Archiv vom renommierten NAXOS-Label zurückgreifen und wählte eine Aufnahme aus dem Jahre 1989 mit dem Slovak Philharmonic Orchestra unter der musikalischen Leitung von Richard Hayman, die frisch remastert sehr dynamisch erklingt.


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Auf zweiseitigen Panoramabildern begleiten wir den Komponisten von rechts nach links zu den Sehenswürdigkeiten von Paris. Dabei wirken die Bilder in ihren zarten pudrigen Aquarell-Tönen wie durch leichter Hand aufs Papier gezaubert und besitzen eine flirrende Lebendigkeit. Detailreich fängt Eisenburger das Savoir-vivre dieser Stadt ganz und gar bezaubernd ein und schafft so kunstvolle Illustrationen voller Atmosphäre. Sogar der Wechsel der Tageszeiten wird bei ihr dadurch angedeutet, dass die Schatten immer länger werden und die Farbgebung der Bilder sich dezent verändert. Wunderbar!

So folgte ich dem berühmten Komponisten George Gershwin auf seinem Rundgang durch Paris. Und während ich seiner grandiosen Musik lauschte, schniefte ich voller Ergriffenheit ein wenig in ein Taschentuch.


erschienen bei Annette Betz / ISBN: 978-3219116175

ebenfalls erschienen bei Naxos/ CD 8.550295 (nur die Musik)