[Noch ein Gedicht…] Fritz Eckenga – LIEBE LINDE

Ich ritzte manches Herz in deine Rinde,
so manchen Pfeil, so manches Initial.
Stand G für Guddi oder für Gerlinde?
Und wer war noch mal C? Etwa Chantal?

Egal – du hast die Schnitte still ertragen,
du knarztest allenfalls mit dem Geäst,
und wenn wir unter deiner Krone lagen,
hat dein Lindenpipi uns benässt.

Die Herzen wuchsen mit dir hoch ins Blaue,
die Namen sind vernarbt in deiner Haut,
verzogen sich schon bald ins Ungenaue,
und keinen davon trug die spätre Braut.

Du gossest all die Kerben früher Triebe
mit deinen honiggoldnen Tränen aus.
Dein Bernstein füllt mein Alphabet mit Liebe,
das Z steht für Zwischenfall mit Klaus.

Fritz Eckenga

[Rezension] Fritz Eckenga – Eva, Adam, Frau und Mann – Da muss Gott wohl nochmal ran. Neue Rettungsreime/ mit Illustrationen von Nikolaus Heidelbach

Liebling,
ich habe nach dem Küffen
immer Fuffeln im Mund.
Kennft du den Grund,
wiefo ich die hab?

Blödmann,
nimm einfach die Maske ab.

*

Kabarettist Fritz Eckenga schlägt gnadenlos zu und trifft dabei empfindlich ins Schwarze: Statt „Aua“ zu brüllen, lacht der/die/das Getroffene aus voller Kehle und präsentiert die wehrlose Flanke in der wohligen Hoffnung auf einen weiteren Schlag. Ich wurde nicht endtäuscht: Eine Armada an Verse prasselte auf mich ein, und ich quiekte vor Vergnügen.

Thematisch beschäftigt sich Eckenga mit den essenziellen Bs des menschlichen Seins. Unter den Rubriken Belebt, Beliebt, Beruf, Begangen, Behütet, Verwirt, Berühmt, Bespielt, Bedacht und Bewundert schüttelt, rüttelt und reimt er alles zusammen, was nicht bis 3 auf einem Baum ist. Untermalt werden seine Werke durch den großen Nikolaus Heidelbach, dem er abschließend ein eigenes Gedichtchen widmet.

Mit spitzer Feder „verst“ er über Zwischenmenschliches und -tierisches, Politisches, Prominentes, Sportliches, Berufliches sowie All- und Feiertägliches, und es darf – aus aktuellem Anlass – auch Pandemisches nicht fehlen (Ratet mal, hinter welcher „Maske“ sich die hierzu passende Rubrik versteckt? 😉).

Ich habe Zeit, ich bin so frei,
ich schrei-
be hier auf Norderney,
wie einst der große Heinrich Hei-
ne sozusagen nebenbei,
bei einem Pott Ostfriesentee,
mit Blick auf Milchbar, Damm und See,
ne ziemlich große Menge Rei-
me in die daumendicke Spei-
sekarte des Café-
und Restaurants Marienhöh.

*

Für eine gute Pointe verkauft er nicht nur seine Großmutter, sondern scheut sich nicht, das Versmaß zu verbiegen und die wehrlosen Worte hemmungslos zu trennen – Hauptsache, es reimt sich. Wirkte diese Vorgehensweise auch anfangs so krude auf mich, dass ich nur dusselig aus der Wäsche gucken konnte, offenbarte sich nach einem wiederholten Lesen der Spaß. So hätte ich nie gedacht, dass diese Art ironischer Lyrik mir so viel Freude bereiten könnte. Darum…

Ja, schlag mich weiter! Ich brauch’ es…!


erschienen bei Kunstmann/ ISBN: 978-956143861

Ich danke dem Verlag herzlich für das zur Verfügung gestellte Leseexemplar!