Operette von Ralph Benatzky / Text von Ralph Benatzky, Hans Müller-Einigen, Erik Charell / Liedtexte von Robert Gilbert
Weyher Theater
Inszenierung: Frank Pinkus
Musikalische Leitung: Patrick Kuhlmann
Bühne: Hermes Schmid und Lisa Kück
Kostüme: Anika Töbelmann
„Im weißen Rössl am Wolfgangsee“, „Es muss was wunderbares sein“, „Im Salzkammergut, da kann man gut lustig sein“, „Als der Herrgott Mai gemacht“, „Die ganze Welt ist himmelblau“, „Zuschau’n kann i net“, „Was kann der Sigismund dafür“, „’s ist einmal im Leben so“, „Mein Liebeslied muss ein Walzer sein“…
…wenn ein musikalisches Werk eine solche Hit-Dichte aufweisen kann, bei dem das Publikum bei jedem Lied mitsingen kann, dann spricht man wohl mit Fug und Recht von einem Evergreen.
Das kleine Weyher Theater hat sich an diesen Gassenhauer der leichten Muse gewagt und im Großen und Ganzen auch gewonnen. In „Niedersachsens größtem Privattheater“ – so die Eigenwerbung – wurde in der reduzierten Orchesterfassung der „Bar jeder Vernunft“ ganz auf den boulevardesken Charakter des Werkes gesetzten. Mit Boulevardkomödien kennt sich das Weyher Theater aus, macht diese Gattung doch den Hauptteil des Spielplans aus.
Schon vor Betreten des Zuschauersaals wird der Gast auf das Stück eingestimmt: Rot-weiße Wimpelgirlanden und Tannengrün zieren das Foyer, und zünftige Laugenbrezel und „Berliner Weiße mit Schuss à la Giesecke“ werden von den freundlichen Damen vom Servicepersonal mit schmückenden Blütenkränzen im Haar feilgeboten. Im Saal reicht das Alpenpanorama bis in den Zuschauerraum hinein. Das Bühnenbild offenbart eine bunte Postkarten-Idylle und bietet ausreichend Raum für all die Irrungen und Wirrungen rund um die Liebe am Wolfgangsee.
Antje K. Klattenhoff als Wirtin Josepha Vogelhuber und Kay Kruppa als Zahlkellner Leopold schrammten als primäres Leading-Paar hin und wieder gefährlich nah am Chargieren vorbei. Glücklicherweise fanden sie in ihrer gemeinsamen Szene zum Happy-End doch noch ruhigere Töne und gestalteten diese sehr charmant. Großes Lob: Die Pointen saßen bei den boulevard-erprobten Profis punktgenau!
Auch Frank Pinkus in der Doppelfunktion als Regisseurs und Darsteller im Stück „litt“ an einem Hang zur Übertreibung: Sein Wilhelm Giesecke rollte gefährlich häufig mit den Augen und fand einmal zu oft „…dat is mir lieba!“. Ein wenig weniger laut und dafür ein etwas differenzierteres Spiel wäre mir „lieba“ gewesen. Da stellt sich mir in diesem Zusammenhang folgende Frage: Wenn der Regisseur selbst auf der Bühne steht, wer übernimmt dann bei ihm die Spielleitung? Seine Inszenierung setzte auf Tempo ohne in Hektik zu verfallen und amüsierte mit witzigen Details.
Sarah Kluge als Ottilie Giesecke und Christian Hamann als Otto Siedler entwickelten sich zum heimlichen Leading-Paar und zeigten weniger Klamauk dafür mehr Gefühl im Zusammenspiel. Warum die aparte Sarah Kluge in farbloses 70er-Jahre-Beige gehüllt wurde, blieb mir unverständlich. Sicher sollte ihr Outfit als junge Frau aus der Großstadt Berlin optisch einen Gegenpart zur volkstümlichen Kluft der übrigen Damen bilden. Dies wäre allerdings deutlich besser mit der Mode der 50er gelungen: Accessoires wie Hut, Handschuhe und Handtasche wirken (mit wenig Aufwand) manchmal Wunder. Abgesehen davon gab sie gemeinsam mit dem schmucken Christian Hamann ein äußerst attraktives Paar, das sowohl darstellerisch – auch in den leisen Tönen – wie auch im Gesang völlig überzeugte.
Apropos leise Töne: Diese waren – neben Kluge und Hamann – Hermes Schmid als Professor Dr. Hinzelmann und Joachim Börker als Kaiser Franz Joseph vorbehalten. Wenn Professor Hinzelmann bescheiden berichtet, wie er und seine Tochter Klärchen zwei Sommer lang jeden Taler sparen, um im dritten Sommer auf „große Reise“ zu gehen, oder der Kaiser weise und unaufgeregt sein „’s ist einmal im Leben so“ intoniert, da spürt der Zuschauer im großen Spektakel aus Witz und Spaß ein kleines Stückchen Gefühl.
Apropos Klamauk: Es gibt zwei Rollen im Stück, die von vornherein dafür prädestiniert sind und von der Übertreibung „leben“. Marco Linke stürzte sich mit vollem Körpereinsatz (oder sollte ich lieber sagen: mit voller Körpersprache) in die Rolle des schönen Sigismund Sülzheimer, flatterte hemmungslos über die Bühne und bezirzte seine Angebetete voller Inbrunst. Das Klärchen von Isabell Christin Behrendt er-lispelte sich herrlich komisch die Sympathien des Publikums, lies am Schluss unter der versierten Schulung ihres Sigismunds alle Hemmungen fallen und mutierte von der schüchternen Maid zur leidenschaftlichen Geliebten.
Die kleine, feine Theaterband mit Patrick Kuhlmann (auch musikalische Leitung), Michael Haupt und Kevin Kuhlmann sorgten gekonnt dafür, dass ein großes Orchester nicht vermisst wurde und überraschte mit dem einen oder anderen musikalischen Gag.
Das kleine Weyher Theater wagte sich an die große Operette und landete – mit kleinen Einschränkungen – eine Punktlandung: So gesehen sind meine „Kritikpunkte“ auch nur Nuancen, die einem anderen Besucher vielleicht/sicherlich nicht auffallen und auch meine Freude am positiven Gesamtbild nicht schmälerten.
Ich kann Euch einen vergnüglichen und kurzweiligen Theaterabend versprechen und bin mir sicher, dass Ihr das Theater mit einem Lied auf den Lippen verlassen werdet.
HOLDRIOH! IM WEISSEN RÖSSL wird noch – mit Unterbrechung – bis zum 24. November 2019 gejodelt und gejubelt!