[Rezension] Agatha Christie – Das Geheimnis von Sittaford

Auf dem Landsitz Sittaford House haben die Mieterinnen des Anwesens Mrs. Willett und Miss Violet (Mutter und Tochter) ihre wenigen Nachbarn zum Tee geladen. Während außerhalb des Hauses ein ungemütlicher Schneesturm wütet, vertreibt sich die Gesellschaft in dessen Inneren die Zeit mit einer Séance. Alle reagieren überrascht bis bestürzt als bei diesem anfangs als Albernheit verspotteten Tischrücken scheinbar tatsächlich eine Nachricht aus dem Jenseits sie erreicht: Der Tod von Captain Joseph Trevelyan wird angekündigt. Der Captain ist der eigentliche Hausherr von Sittaford House, der das Anwesen über die Wintermonate an die Willetts vermietet und sich somit selbst vorübergehend in einem kleinen Haus in der Ortschaft Exhampton einquartiert hat. Einer der anwesenden Gäste Major Burnaby sorgt sich um seinen Freund Trevelyan und macht sich auf den beschwerlichen Weg nach Exhampton. Dort findet er den Captain in seinem Haus erschlagen vor. Der tüchtige Inspector Narracott nimmt die Ermittlungen auf und findet auch schnell einen Verdächtigen: James Pearson, der Neffe des Opfers, war zur fraglichen Zeit vor Ort und hätte auch durchaus ein Tatmotiv. Zudem verstrickt er sich in Widersprüche. Alles scheint perfekt, würde die Verlobte des Tatverdächtigen sich nicht ständig einmischen und eigene Ermittlungen anstellen: Emily Trefusis ist eine äußerst patente junge Dame, die mit einem bewundernswerten Selbstbewusstsein immer wieder die Wege des Inspectors (durch)kreuzt…!

Wie sehr ich Mrs. Christie verehre, habe ich schon vor beinah genau 2 Jahren bei Die Bücher meines Lebens verlauten lassen, und diese Verehrung ist nach wie vor ungebrochen. Auch in diesem Fall bescherte sie mir ein wohlig-warmes Lese-Vergnügen. Einerseits kann ich mir sicher sein, dass sie ein Garant für vergnügliche Lesestunden ist, da ich einschätzen kann, was mich erwartet. Andererseits schafft sie es trotzdem, mich immer wieder mit einem „Plot-Twist“, einer unerwarteten Wendung in der Handlung, und ihrer interessanten Charakterzeichnung des Handlungspersonals zu überraschen.

Natürlich (!) ist der offensichtlich Verdächtige nicht der Täter – Das wäre ja auch viel zu einfach! – vielmehr heftete ich mich als Leser mit Vergnügen an die Fersen unserer jugendlichen Heldin auf der Suche nach dem wahren Mörder (Aber vielleicht war hier ja auch eine Mörderin am Werk!).

Apropos: Christie war da immer sehr großzügig bei der Verteilung für die Rolle der Übeltäterin/ des Übeltäters und zeigte keine nennenswerte Präferenz zu nur einem Geschlecht. Vielmehr erstaunte sie mich auch diesmal, da sie schon im Jahre 1931 sowohl für die Haupt- wie auch Neben-Charaktere vielfältige Frauen-Porträts entwarf, die autark und selbstbestimmt agieren und weit entfernt vom gängigen Klischee der damaligen Epoche sind.

Diese Frauen nehmen durchaus gerne die Hilfe eines „Ritters in glänzender Rüstung“ in Anspruch, könnten ihr Leben aber auch spielend „ohne“ bewältigen. Sie sind sich ihrer Weiblichkeit durchaus bewusst und setzten diese – natürlich im schicklichen Maße – für ihre Zwecke ein. Dabei vermeidet Christie bei ihrer Charakterisierung auf eine Eindimensionalität – vielmehr sind ihre Heldinnen durchaus ambivalent zu betrachten, da sie positive wie negative Eigenschaften in sich vereinen.

Ähnlich wie bei Lucy Eyelesbarrow in 16 Uhr 50 ab Paddington bedauerte ich auch hier sehr, dass es keinen weiteren literarischen Auftritt von Emily Trefusis gab. Beide Ladies hätten durchaus Potential für ein längeres Leben gehabt…!


erschienen bei Atlantik/ ISBN: 978-3455011845

Ich danke dem Verlag herzlich für das zur Verfügung gestellte Leseexemplar!

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