22. LANGE NACHT DER KULTUR in Bremerhaven
Termin des Events: 8. Juni 2024
Je mehr ich mich Bremerhaven näherte, umso dunkler türmten sich die grauen Wolken vor mir auf, und ein Regenschauer nach dem anderen ließen den Scheibenwischer meines kleinen Autos im Akkord arbeiten. Sollte mein innerer Schweinehund Günther tatsächlich Recht behalten? Schon seit dem Morgen brüllte er mir immer wieder ins Ohr – sozusagen ins Innen-Ohr: „Bleib’ lieber zuhause! Auf dem Sofa ist es sicher, warm und trocken!“ Dabei war ich so stolz auf mich, dass ich seinem Zerren und Ziehen nicht nachgegeben hatte.
Die Stadt Bremerhaven präsentierte abermals die LANGE NACHT DER KULTUR: An verschiedenen Orten in der Stadt wurde Theater, Musik, Tanz, Kunst, Führungen und vieles mehr – natürlich kostenlos – geboten. Kulturschaffende aus den unterschiedlichsten Bereichen zeigten mit ihrem Können die kulturelle Vielfalt, die diese Stadt zu bieten hat. Völlig unverbindlich und in entspannter Atmosphäre konnten wir so in künstlerische Bereiche schnuppern, an die wir uns sonst vor lauter Respekt vielleicht nicht getraut hätten.
Wie könnte es auch anders sein, begann mein persönliches Programm am Stadttheater Bremerhaven. Von dort starteten im ¼-Stunden-Takt die „theatralen Stadtspaziergänge“: Da ließ es sich Intendant Lars Tietje nicht nehmen, die erste Führung zu übernehmen und uns – gut sichtbar anhand seines Regenschirms – zu den einzelnen Etappen der Tour zu geleiten. An vier Orten der Hafenwelten wurden wir von Ensemble-Mitgliedern aller Sparten erwartet, die uns mit einer kleinen Darbietung erfreuten.
Da verwandelte sich die Einfahrt einer Tiefgarage kurzerhand zum weltberühmten Balkon in Verona, wo „Romeo“ Richard Feist seiner großen Liebe „Julia“ Anna Caterina Fadda leidenschaftliche Worte zurief. Shakespeares ROMEO UND JULIA ist momentan auf der Sommerbühne am Stadttheater Bremerhaven zu sehen. Wenige Schritte weiter am Längengrad 8 auf der Havenplaza neben dem Klimahaus erwarteten uns die Tänzer*innen des Balletts mit Ausschnitten aus DIE VIER JAHRESZEITEN. Tür auf und raus Richtung Weser und schon stolperten wir über Carina Sönksen, Ulrich Fassnacht und Janek Biedermann vom JUB – Junges Theater Bremerhaven, die im Windschatten des Klimahauses einen Auszug aus DIE BIENE IM KOPF präsentierten. Von dort wanderten wir weiter zum Tourismuszentrum „Hafeninsel“: Direkt dahinter hatten es sich der Opernchor und Mitglieder des Musiktheater-Ensembles in der Werkhalle der gläsernen Werft gemütlich gemacht. Mit sonorer Stimme schickte Seebär Ulrich Burdack die weiße Taube „La Paloma“ auf Reise, bevor Leichtmatrose Marcin Hutek gemeinsam mit Wassernixe Victoria Kunze sehnsuchtsvoll die traditionell irische Weise „Both Sides the Tweed“ vortrug, bei der Kunze sie an der Harfe selbst begleitete. Mit Melodien aus der Operette DIE LUSTIGE WITWE hatte uns der Opernchor voller Schmiss begrüßt und verabschiedete uns ebenso wieder in den nass-grauen Abend.
Wer sich nun fragt, wo bei diesem theatralen Stadtspaziergang das Philharmonische Orchester zu finden war, dem sei verraten „Gar nicht!“. Das Orchester stand zeitgleich im Stadtteil Wulsdorf auf der Bühne des TiF – Theaters im Fischereihafen und bot dort ein Konzert mit Werken von Béla Bartók und Johannes Brahms. Dieses sicherlich wundervolle Konzert verpasste ich ebenso wie die (ebenfalls zeitgleiche und ebenso wundervolle) Tanz-Vorführung „Wir tanzen um die Welt“ der Tanzschule DanceArt, die gemeinsam mit dem Historischen Museum zu Gast im Weser Yacht Club im Stadtteil Geestemünde waren.
Und selbst ortsnah direkt in der City war die Fülle an Angeboten so groß, dass ich vorab mir schon ein kleines Programm zusammengestellt hatte, das mich allerdings von spontanen Änderungen nicht abhielt. So statte ich der Bgm.-Smidt-Gedächtniskirche zwar einen Besuch ab, verzichtete allerdings auf das Crossover-Orgelkonzerte mit Hits von Udo Lindenberg und Herbert Grönemeyer, da dies parallel zur Jazz-Session in der Stadtbibliothek stattfinden würde. Meinen Durst nach Rock, Pop und Schlager stillte dafür das Blasorchester Wulsdorf, das mit Medleys aus Songs von Abba bis Les Humphries Singers das Publikum in der Fußgängerzone ordentlich einheizte.
Apropos einheizen: Nachdem ich mich nun zwei Stunden lang vom typischen norddeutschen Schmuddelwetter hatte durchwehen und durchfeuchten lassen, freute ich mich auf ein warmes Plätzchen vor der Strandkorbbühne der Stadtbibliothek, wo ich mich auch innerlich mit einem Heißgetränk wieder aufwärmen konnte. Für meine Wärme an Herz und Seele sorgten auf der Bühne die fünf Mannen der Jazzformation „Can`t Stop & Friends“: Sie boten so herrlich relaxt die Jazz-Standards in Kombination mit Samba- und Bossa Nova-Rhythmen dar, dass ich verzückt mitgrooven musste.
Nachdem mein kultureller Hunger ausgiebig und auf das Allerbeste gestillt wurde, meldete sich nun ganz profan der körperliche Hunger, der meine Füße (incl. dem nicht unerheblichen Rest meines Körpers) zu einer Würstchenbude lenkte. Da ich mich nicht zwischen Schinkenkrakauer und Rostbratwurst entscheiden konnte, nahm ich einfach beides. Denn bei diesem „Programm“ musste ich mich nicht entscheiden: Hier durfte und konnte ich parallel genießen. „Möchten Sie Senf zu ihren Würstchen?“ „Aber bitte gerne!“
„Ach ja, und Günther?! Du kannst mich mal!“ 😝
BITTE VORMERKEN: Im nächsten Jahr findet die LANGE NACHT DER KULTUR in Bremerhaven am 14. Juni 2025 statt.
