[Rezension] NOCH 24 MAL SCHLAFEN. Ein literarischer Adventskalender/ ausgewählt von Ron Mieczkowski

Manchmal ist es recht interessant, die eigene verschriftlichte Meinung aus der Vergangenheit nochmals zu lesen. Da stolperte ich schon so manches Mal über Aussagen, die ich getätigt hatte, die ich heute so nicht mehr – oder zumindest nur in einer abgemilderten Form – äußern würde. Da schmetterte ich doch vor sieben Jahren folgende Worte voller Überzeugung heraus…

„Literarische Adventskalender brauche ich ungefähr so nötig wie eine verschleppte Bronchitis! – Nein, das wäre jetzt übertrieben und klingt, als würden mich „Literarische Adventskalendern“ in irgendeiner Art und Weise emotional berühren. Sie tun es nicht! Sie sind mir schlicht und ergreifend egal! Denn: Warum sollte ich Häppchen konsumieren, wenn ich den ganzen Happen haben kann. Will sagen: Warum sollte ich mir ein Büchlein mit 24 Zitaten Hermann Hesses zulegen, wenn ich für das gleiche Geld einen wunderbaren Gedichtband erwerben kann?“

Treuen Leser*innen meines Blogs wird es nicht entgangen sein, dass ich in den vergangenen Jahren – vornehmlich gerne bei der Rubrik LEKTÜRE ZUM FEST – auf Anthologien zurückgegriffen habe, die Geschichten mehrerer Autor*innen enthielten. Zwar stand nicht explizit „literarischer Adventskalender“ auf dem Cover, doch das Prinzip war schon sehr ähnlich. Somit senke ich demutsvoll mein Haupt und leiste Abbitte.

In diesem Jahr reiht sich beim Diogenes-Verlag in der langen, erfolgreichen wie kurzweiligen Reihe der Weihnachtsbücher mit NOCH 24 MAL SCHLAFEN ein echter literarischer Adventskalender ein, der sich deutlich von den ironisch-heiteren LAMETTA-Büchern abhebt. Wobei ausgerechnet die ersten drei Geschichten mich bedauerlicherweise nicht packen konnten und beinah meine Vorurteile in Bezug auf literarische Adventskalender noch befeuerten. Dabei maße ich mir nicht an, die literarische Qualität dieser Geschichten anzuzweifeln: Sie trafen schlicht und ergreifend nicht meinen Geschmack.

Aber so ist es nun einmal: Licht und Schatten liegen bei Anthologien oft dicht beieinander. Und vielleicht braucht es auch den Schatten, damit ich als Leser das Licht mehr würdigen kann. Denn bereits die vierte Geschichte WAS DER TEEKESSEL SUMMT von Else Ury katapultierte mich in „die gute alte Zeit“, wo Traditionen gepflegt wurden. Es folgte mit Evelyn Waughs MISS BELLA GIBT EINE GESELLSCHAFT eine bittersüße Erzählung um eine einsame Dame, die ein pompöses Weihnachtsfest plant. Anton Čechov lässt über die Weihnachtstage zwei KNABEN einen absonderlichen Plan schmieden, und Patricia Highsmith erzählt in ZUM VERSAGER GEBOREN die anrührende Geschichte eines stillen Helden. In DAS TRIPTYCHON VON DEN HEILIGEN DREI KÖNIGEN von Felix Timmermans erleben drei absonderliche Kauze an Heiligabend höchst Ungewöhnliches.

Beim Drehbuch zu Loriots Sketch VERTRETERBESUCH brach ich in schallendes Gelächter aus, da ich natürlich beim Lesen die Bilder vor Augen hatte. Doch bereits bei DAS CHRISTKIND von Rainer Maria Rilke liefen mir Tränen der Ergriffenheit über die Wangen, da das Schicksal dieses kleinen Menschenkindes mich so sehr rührte. Kristof Magnusson berichtet in EINE WEIHNACHTSGESCHICHTE sehr einfühlsam doch ganz unprädiziös von den letzten Tagen im Leben seiner Mutter, und Hans Fallada beschenkt uns in DAS VERSUNKENE FESTGESCHENK mit einer ganz wunderbar warmherzigen Novelle. Und auch Hans Christian Andersen lässt DAS KLEINE MÄDCHEN MIT DEN SCHWEFELHÖLZCHEN von einer schöneren Welt voller Wärme und Licht träumen.

Herausgeber Ron Mieczkowski hat in diesem Büchlein eher die stillen, melancholischen Geschichten versammelt, die zum Innehalten und Nachdenken anregen. Dabei wird die Heiterkeit durchaus auch bedient, allerdings feiner, subtiler und weniger plakativ lärmend. So schlich sich so manche Erzählung eher langsam in mein Herz, um mich dann so sehr zu begeistern, dass ich spontan begann, laut vorzulesen. Dies ist immer ein gutes Zeichen und bedeutet, dass mich das Gelesene vollumfänglich gepackt hat.

Auch in diesem Jahr hat der Diogenes-Verlag mit NOCH 24 MAL SCHLAFEN wieder eine bunte Pralinenschachtel mit literarischen Köstlichkeiten für Nachkatzen zusammengestellt, die eher die Geschmacksrichtung „zartherb“ bevorzugen.


erschienen bei Diogenes / ISBN: 978-3257248197
Ich danke dem Verlag herzlich für das zur Verfügung gestellte Leseexemplar!

[Rezension] Hauck & Bauer – CARTOONS ZU WEIHNACHTEN

Kurz bevor ich hier auf meinem Blog mit der Rubrik LEKTÜRE ZUM FEST feierliche Stimmung verbreite und meiner Lust an weihnachtlicher Besinnlichkeit in literarischer Form fröne, möchte ich allen Advents-Muffeln gerne dieses aparte Büchlein (14,5 x 9,5 cm) wärmstens ans Herz legen. Da gibt es Mitmenschen, die schon jetzt kaum mehr in den Schlaf finden, da sie mit Grausen einer Zeit mit zu viel Lebkuchen, zu viel Kitsch, zu viel Lametta, zu viel „Last Christmas“, zu viel „von allem“ entgegenzittern. Diese bemitleidenswerten Zeitgenossen haben mit CARTOONS ZU WEIHNACHTEN aus der Ideenschmiede von Hauck & Bauer nun ein wirksames Antidot gegen die zu erwarteten Grausamkeiten. Dabei setzt die Wirksamkeit dieses Gegenmittels nicht erst ab der Einnahme einer höheren Dosis ein, auch bei homöopathisch genossenen Mengen zeigt sich durchaus schon eine Wirkung.

Beim Cartoonisten-Duo Hauck & Bauer handelt es sich um Elias Hauck (Zeichnungen) und Dominik Bauer (Text). Größere Bekanntheit erreichten sie ab 2003 mit dem wöchentlich erscheinenden Comicstrip „Am Rande der Gesellschaft“ in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Veröffentlichungen in der Titanic, bei Spiegel Online sowie in der Apotheken Umschau sollten ebenso folgen wie div. Preise und Auszeichnungen.

Hier nehmen sie nun das Fest der Liebe mit spitzer Feder und flinkem Wort aufs Korn und offenbaren uns so sehr treffsicher die Gedanken einer piefigen Spießbürgerlichkeit. Ups, ich übersah, es sind ja gar keine Gedanken: Dieses Wort wurde im Titel durchgestrichen und durch „Cartoons“ ersetzt. „Gedanken“ klingt ja auch irgendwie nach „rauchendem Schädel“, „weltverändernden Erkenntnissen“ und „Kritik am Establishment“. Nein, so weit wollen die Zwei nicht gehen: Sie haben doch „nur“ ein paar Bildchen gemalt und mit Wörtern verschönt.


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Doch diese Bildchen mit Wörtern haben es durchaus in sich: Da gibt es so manchen Streit am und um den Weihnachtsbaum. Sie verraten etliche pikante Anekdötchen zu Christis Geburt – direkt vom Rand der Krippe und somit brandaktuell. Es geht um nachhaltiges Bauen zu Grimmschen Zeiten: Da steht selbst bei der Knusperhexe die Ökobilanz ihres Lebkuchenhauses im Vordergrund. Auch der Weihnachtsmann mit all seinen Nöten findet ebenso Gehör wie die Klagelieder so manch armer Kreaturen, die auf der Suche nach einem passenden Geschenk für Familie, Verwandtschaft oder Kollegium sind. Und die Serie „Gedanken zum Advent mit Elmar Punsch“ wird selbstverständlich in vier Teilen kredenzt.

Dabei schrammt das kreative Autoren-Duo häufig knapp an der Grenze der „political correctness“ vorbei, bekommt aber immer wieder rechtzeitig die Kurve. So stutzte ich häufig und schaute mir den Cartoon durchaus ein weiteres Mal an, um sicher zu sein, dass ich die Botschaft verstanden hatte. Erst dann brach ich in ein schallendes Gelächter aus. Geschickt vermeiden die Zwei ein „Zuviel“, ein „über das Ziel hinausschießen“, da dies bei mir sicherlich keine Lachen ausgelöst sondern eher zu einer unangenehmen Befangenheit geführt hätte.

Gekrönt wir diese Ansammlung humoresker Skizzen mit einer festlichen Geschichte von Kristof Magnusson: Sollte hier nun eine spritzig-witzig-satirische Erzählung erwartet werden, da muss ich leider enttäuschen. Vielmehr schenkt Magnusson uns eine kleine traurig-anrührende Geschichte, die einen deutlichen Kontrast zu den Cartoons bildet und so umso mehr ihre Wirkung entfaltet.

Einziger Nachteil dieses Büchlein: das kleine Format! Der Zeichenstil von Elias Hauck in Kombination mit den Texten von Dominik Bauer wirken so filigran, dass es mir manches Mal schwer fiel, Details im Bild bzw. die Schrift deutlich zu erkennen.

Ansonsten: Frohe Weihnachten!


erschienen bei Kunstmann / ISBN: 978-3956146084
Ich danke dem Verlag herzlich für das zur Verfügung gestellte Leseexemplar!