[Oper] Wolfgang Amadeus Mozart – LE NOZZE DI FIGARO / Stadttheater Bremerhaven

Opera buffa von Wolfgang Amadeus Mozart / Libretto von Lorenzo Da Ponte / nach der Komödie La Folle Journée ou le Mariage de Figaro (Der tolle Tag oder Die Hochzeit des Figaro) von Pierre Augustin Caron de Beaumarchais / in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Premiere: 15. März 2025 / besuchte Vorstellungen: 15. & 29. März 2025

Stadttheater Bremerhaven / Großes Haus


MUSIKALISCHE LEITUNG Davide Perniceni
INSZENIERUNG Achim Lenz
BÜHNE & KOSTÜME Bernhard Bruchhardt
DRAMATURGIE Torben Selk
CHOR Edward Mauritius Münch
LICHT Frauke Richter

REGIEASSISTENZ & ABENDSPIELLEITUNG Annika Ellen Flindt
STUDIENLEITUNG Hartmut Brüsch
MUSIKALISCHE EINSTUDIERUNG Jorrit van den Ham & Tonio Shiga
INSPIZIENZ Mahina Gallinger
REGIEHOSPITANZ & FSJ KULTUR Tyler Wefer


Mozart passt – immer und zu jeder Gelegenheit, ob beim Sport, beim Hausputz oder zur Klausurvorbereitung. Während der Schwangerschaft nimmt Mozart positiven Einfluss auf die Entwicklung des ungeborenen Kindes. Wer mit Mozart ins Bett geht, kann die Einschlafprobleme bald vergessen.

Mozart ist ein Alleskönner, ein Tausendsassa, ein Genie: Er entspannt, hilft und heilt,…

…und er unterhält auf hohem Niveau!

In einem unmöblierten Zimmer nimmt Figaro Maß für sein künftiges Ehebett. Er ist glücklich: Vor wenigen Jahren war er noch ein einfacher Barbier in Sevilla. Nun ist er Kammerdiener des Grafen und wird in wenigen Tagen seine geliebte Susanna heiraten, die Kammerzofe der Gräfin. Die Hochzeitsvorbereitungen laufen, doch was seine Zukünftige noch nicht weiß: Der Graf hat mit Hintergedanken dem Paar dieses Zimmer im Schloss spendiert. Als Figaro seiner Braut stolz ihr künftiges Ehezimmer präsentiert, wird Susanna ärgerlich. Ihr ist bekannt, dass der Graf Almaviva seine Gemahlin fortlaufend betrügt und es nun auch auf sie abgesehen hat. Mit diesem Zimmer will er sie nur in seiner Nähe wissen. Figaro ist schockiert, als er dies hört. Es wird ihm einiges klar: Nun weiß er, warum ausgerechnet er beauftragt wurde, als Kurier nach London zu reisen. Doch diese Schmach wird er nicht einfach hinnehmen. Es wird sich noch herausstellen, wer von den beiden der Raffiniertere ist: der feine Herr Graf oder der listige Figaro? Schon lange hat der Graf ein Auge auf Susanna geworfen. Dumm nur, dass er höchst persönlich das „ius primae noctis“, das Recht der ersten Nacht abgeschafft hat, und er nun andere Mittel anbringen muss, um hoffentlich bei der reizenden Susanna landen zu können. Er versucht sie mit einem kleinen Vermögen zu locken, damit sie sich ihm am Abend im Park hingibt. Dumm nur, dass sein eigener Page Cherubino, im Zimmer versteckt, das schmutzige Angebot angehört hat. Cherubino wiederum ist in die Gräfin verliebt, flirtet aber auch heftig mit Susanna und ist auch einem Tête-à-Tête mit Barbarina, der Tochter des Gärtners Antonio, nicht abgeneigt. Als der Graf dies zufällig erfährt, will er den jungen Burschen zur Strafe zur Armee schicken. Doch auch aus einer anderen Richtung droht Gefahr: Die Haushälterin Marcellina will die Hochzeit platzen lassen, da Figaro ihr einst die Ehe versprochen hatte, sollte er seine Schulden bei ihr nicht bezahlen können. Unterstützung erhält sie von Bartolo, dem Leibarzt des Grafen, mit dem sie früher einmal ein kleines amouröses Techtelmechtel hatte. Später stellt sich überraschenderweise heraus, dass die Frucht ihrer gemeinsamen Leidenschaft eben genau jener Figaro ist, den sie zu heiraten gedachte. Da ist die „frischgebackene“ Mutter überglücklich und zerreißt voller Freude den Schuldschein. Die Begeisterung von Bartolo ist dagegen eher überschaubar, da er Figaro nie verzeihen konnte, dass er damals seine Heiratsabsichten mit der Gräfin torpediert hatte. Susanna wird bewusst, dass sie dringend handeln muss. Gemeinsam mit der Gräfin Almaviva, die zunehmend unter der Untreue ihres Gatten leidet, schmiedet Susanna einen Plan, um den Hochmut der Kerle endgültig empfindlich zu stutzen. Bei der Ausübung ihrer Pläne erhalten sie die Unterstützung von Cherubino, den sie als Frau verkleidet haben, damit er der Strafe des Grafen entgeht. Die Gräfin diktiert Susanna einen Brief, den sie dem Grafen zuspielt und somit dem erhofften Schäferstündchen zustimmt. Die beiden Frauen tauschen ihre Garderoben. Dabei erscheint die Gräfin verkleidet mit Susannas Hut und Kleid zum Treff mit ihrem untreuen Gatten, was Figaro zu ganz falschen Schlussfolgerungen treibt und ihm ein paar Ohrfeigen einbringt. Glücklicherweise erkennt er noch rechtzeitig seine geliebte Susanna in der Robe der Gräfin und weiß sich so ihrer Treue sicher. Doch auch der Graf Almaviva leistet seiner Gattin reumütig Abbitte.

Mozarts Musik zu lauschen, ist für mich ein absoluter Hochgenuss! Mozarts Werk auf der Bühne zu erleben, ist für mich die pure Wonne. Selbst (allzu) kreative Regie-Konzepte können dem Meister nichts anhaben. So sehr diese auch ihre Berechtigung haben, ihren Reiz auf mich ausüben, indem sie meinen Blickwinkel verändern und so meinen Horizont erweitern. Doch bei einer naturalistischen Inszenierung schalte ich unwillkürlich in den Wohlfühl-Modus: Mit einem wohligen Seufzer lehne ich mich in meinem Sitz zurück, und mein Herz springt und hüpft vor Freude!


HINWEIS: DIE OBIGE AUFNAHME STAMMTE NICHT AUS DER BESPROCHENEN INSZENIERUNG SONDERN DIENT NUR DAZU, EINEN EINDRUCK VON DER MUSIK ZU VERMITTELN.

Schon beim Klang der Ouvertüre wurde mir wieder allzu deutlich, dass es in dieser Oper äußerst turbulent zugeht: Es ist nicht zu überhören, dass die handelnden Personen voller Gefühl mit- und umeinander ringen und so reichlich Bewegung in die Geschichte bringen. Trefflich zu einer Opera buffa kitzelte Davide Perniceni genau diese vibrierende Leichtigkeit aus dem Philharmonischen Orchester Bremerhaven heraus. Schwelgerisch, in großen musikalischen Bögen umrahmte er die Sänger*innen bei den Arien. Zudem gab es bei dieser Inszenierung im/am Orchestergraben Ungewohntes zu bestaunen: Der Orchestergraben wurde angehoben, was für einen schlankeren Klang sorgte (mein subjektiver Eindruck). Zudem begleitete Perniceni die Sänger*innen bei den Rezitativen höchstpersönlich am Cembalo.

Einer klassischen Screwball-Komödie nicht unähnlich zieht Regisseur Achim Lenz in der ersten Hälfte das Tempo an. Da werden so manche Türen geöffnet und wieder geschlossen, nur um zu erleben, dass das, was man dahinter wähnte, nicht (mehr) dort zu sein scheint. Bereits während der Ouvertüre tobten die Darsteller*innen vor dem geschlossenen Vorhang über die Vorderbühne und gaben sich so unverwechselbar, dass dies einer nonverbalen Vorstellung der Personen gleichkam. Lenz drehte bei der Charakterisierung der Figuren an der empfindlichen Schraube zur Übertreibung, lotete diese souverän aus und gab die Figuren nie der Lächerlichkeit preis, indem er sie in albernem Klamauk verfallen ließ. Vielmehr wusste er um die Talente seines Ensembles und nutzte diese charmant: So durfte beispielsweise Victoria Kunze (als studierte Harfenistin) in ihrer Rolle als Susanna zu eben jenem Instrument greifen, um die Canzone, die Cherubino für seine angebetete Gräfin gedichtet hatte, musikalisch zu untermalen. Das genannte Tempo ließ sich natürlich nicht dauerhaft durchhalten – nicht, dass der Regisseur dazu nicht befähigt gewesen wäre. Da hatte schon der Meister Mozart selbst den erzählerischen Ton verändert, um zu verhindern, dass die Figuren zu bloßen Abziehbildern verkamen. Vielmehr waren sie nun getriebene Charaktere, denen zunehmend die Masken vom Gesicht gerissen wurden, und die so in tragikomische Situationen tappten. Genau diese Weiterentwicklung arbeitete Lenz mit seinem talentierten Ensemble fein heraus.

Ausstatter Bernhard Bruchhardt stellte auf die Drehbühne ein Bilderbuch-Italien, in dem die Sonne heller strahlte und die Sterne romantischer funkelten: mit hohen Fassaden, ebenso hohen Fenstern mit passenden Fensterläden, mit üppiger Wandmalerei im Boudoir der Gräfin und einem echten Olivenbaum im herrschaftlichen Garten – stimmungsvoll ausgeleuchtet und mit ebenso stimmungsvollen Hintergrundprojektionen komplementiert. Seine Kostüme zitieren den Historismus und beschreiben klar den Stand bzw. die Position der jeweiligen Person im sozialen Gefüge.


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Mozart hat in dieser Oper dem Chor ein eher überschaubares Pensum zugedacht, doch dies nutzte der Opernchor unter der Leitung von Edward Mauritius Münch wieder mit Bravour. Zudem schlüpften aus seinen Reihen einige Sänger*innen voller Spielfreude in die div. Nebenrollen, seien es Masahiro Yamada als wenig verschwiegener ANTONIO, Katharina Diegritz als seine kecke Tochter BARBARINA oder auch Gustavo Oliva als buckelnder BASILIO bzw. „sprunghafter“ DON CURZIO.

Brigitte Rickmann überzeugte als resolute MARCELLINA und gab sehr unterhaltsam die auf den eigenen Vorteil bedachte Intrigantin. Ihr zur Seite stand Bass Ulrich Burdack als BARTOLO, der erfolglos versuchte, seine Rachsucht („Bah, wat hat er für ’ne fiese Charakter!“ 😄) zu unterdrücken: Bei „La vendetta, oh, la vendetta!“ zügelte Burdack noch seine Gefühle, die er dann später völlig unvermittelt aus sich herausbrechen ließ.

Mezzosopranistin Boshana Milkov gefiel abermals in einer Hosenrolle: Als hormonell aufgeladener Jungspund CHERUBINO, der verzweifelt dem Grafen zu entkommen versucht, erntete sie reichlich Lacher aus dem Publikum. Mit der Arie „Non so più cosa son, cosa faccio“ setzte sie einen von vielen gesanglichen Glanzpunkten in dieser Inszenierung.

LA CONTESSA DI ALMAVIVA ist für mich – inmitten all dieser „buffa“-Figuren – die einzig wahre „seria“-Partie. Von Anfang an umweht die Gräfin ein Hauch von Traurigkeit und Wehmut. Kristín Anna Guðmundsdóttir gestaltete dies u.a. bei „Porgi, amor, qualche ristoro“ äußerst feinfühlig mit ihrem jugendlich klingenden Sopran. Ihre CONTESSA schien kaum älter als SUSANNA. So sah ihre Beziehung zueinander auch weniger nach einem Arbeitsverhältnis zwischen Herrin und Dienerin aus, vielmehr spürte ich als Zuschauer stets die Vertrautheit und Loyalität zwischen diesen beiden starken Frauen.

Victoria Kunze als SUSANNA glänzte wieder mit ihrer Natürlichkeit in der Rollengestaltung. Blitze anfangs in ihrem Spiel noch ein wenig ELIZA DOOLITTLE auf, gewann schnell SUSANNA mit eigener Körpersprache die Oberhand: eine selbstbewusste und zupackende junge Frau, die ihr Leben (und die Liebe) selbstbestimmt in die Hand nimmt. Dafür, dass SUSANNA eine solch wichtige Figur in dieser Oper ist, hat Mozart ihr häufig „nur“ die Aufgabe der Duett-Partnerin (abgesehen von der kurzen Arie „Venite… inginocchiatevi“ im 2. Akt) zugeteilt. Erst kurz vor dem Finale ehrte sie der Meister mit Rezitativ und Arie „Giunse alfin il momento“ und „Deh vieni non tardar, o gioia bella“, beides gefühlvoll von Kunze mit kultiviert geführter Stimme und silbrig schimmernden Sopran gestaltet.

SUSANNAS Love Interest FIGARO präsentierte sich in der wohlgeformten Gestalt von Bariton Florian Götz, der schon mit seinem ersten gesungenem „Cinque…“ verdeutlichte, dass hier ein wahrer Charmebolzen auf der Bühne steht, der nicht nur seine SUSANNA bezirzt sondern auch das Publikum problemlos um den Finger wickelt. Mit potenter Stimme gefällt er bei „Non più andrai, farfallone amoroso“, um gegen Ende der Oper bei Rezitative und Arie „Tutto è disposto“ und „Aprite un po’ quegli occhi“ auch Verzweiflung auszudrücken, bevor er seine geliebte SUSANNA zum Happy End endlich in die Arme schließen darf.

Gefühlt seit Jahren fordere ich „Gebt dem Mann endlich eine große Partie!“. Ob ich nun tatsächlich erhört wurde, mag ich nicht zu beurteilen, ist aber schlussendlich auch ohne Belang. Marcin Hutek wurde mit IL CONTE DI ALMAVIVA eine Partie anvertraut, in der er seine Talente endlich zeigen darf. Gesanglich überzeugte er abermals mit seinem schönen Bariton. Doch es steckte auch viel komödiantisches Potential in diesem Kerl, das er in der Rolle des Grafen – sehr zum Vergnügen des Publikums – voll entfalten durfte: Er protzte und schwadronierte, er gockelte und drohte – alles umsonst. Je mehr er diese Allüren an den Tag legte, umso drastischer glitten ihm die Fäden aus den Händen. Da half ihm auch nicht sein angeberisches Auftreten wie bei „Hai già vinta la causa!“ und „Vedrò, mentr’io sospiro“. So schaffte Hutek das Kunststück, dass mir diese Figur trotz (oder wegen) ihrem Scheitern sympathisch blieb.

Kritikpunkte! Gab es Kritikpunkte? Naja, den zweiten Teil der Vorstellung nach der Pause empfand ich als etwas zu hektisch. Doch diesen Umstand schrieb ich dem holprigen Probenprozess aufgrund Krankheit im Ensemble gepaart mit der Aufregung zur Premiere zu. Doch ist dies wirklich ein Kritikpunkt, oder fällt es nicht vielmehr unter die Rubrik „Leiden auf hohem Niveau“?

In 14 Tagen schaue ich nochmals am Hofe Almavivas im Italien an der Weser vorbei. Ich freue mich drauf!!! ❤


Nachtrag zum 29. März 2025 …oder auch DER DOPPELTE FIGARO: Frühling lässt sein blaues Band / Wieder flattern durch die Lüfte / Süße, wohlbekannte Düfte / Streifen ahnungsvoll das Land.“ dichtete einst Eduard Mörike so fein. Doch mit Düfte tummeln sich auch die fiesen Pollen durch die Lüfte, und so trat Dramaturg Torben Selk zu Beginn der Vorstellung vor den Vorhang, um das Publikum zu informieren, dass der Sänger des Figaros Florian Götz leider von einer Pollen-Allergie betroffen sei: Die Partie spielen könne er, nur leider nicht singen. Glücklicher- wie auch dankenswerterweise hatte sich Bariton Carl Rumstadt von der Oper Bonn bereiterklärt, die Partie vom Bühnenrand zu singen und so dem indisponierten Kollegen seine Stimme zu leihen. Florian Götz gab abermals einen agilen und kraftstrotzenden Figaro, sang die Partie im kaum hörbaren „pianissimo“ und suchte den Blickkontakt mit seinem Kollegen, um möglichst synchron seine Lippen zu dessen Gesang zu bewegen. Dies gelang den beiden Künstlern so überzeugend, dass sich meine anfängliche Irritation (Darsteller von vorne, Stimme von links) schnell legte, und ich flott in den Genuss-Modus umschalten konnte. Zumal die warme, volltönende Stimme von Carl Rumstadt ganz wunderbar mit der Charakterisierung des Figaros von Florian Götz harmonierte. Es war grandios!

Kritikpunkte! Kritikpunkte? Welche Kritikpunkte? Ach ja, da war ja noch etwas…! 14 Tage nach der Premiere zur 4. Vorstellung haben sich alle „Kritikpunkte“ in Wohlgefallen aufgelöst. Da stimmten die Zwischentöne ebenso wie das neckende Zusammenspiel der Sänger*innen, die Abläufe waren fließender, und von der Hektik der Premiere fehlte jede Spur. Übrig blieb „nur“ ein rundum gelungener Abend!!!


Mozarts zauberhafte Oper LE NOZZE DIE FIGARO steht leider nur für wenige Vorstellungen auf dem Spielplan des Stadttheaters Bremerhaven. Also: Nix wie hin!