[Noch ein Gedicht…] Heinz Erhardt – WEIHNACHTEN 1944 oder „WIE ICH KEINEN URLAUB BEKAM“

Wenn es in der Welt dezembert
und der Mond wie ein Kamembert
gelblich rund, mit etwas Schimmel
angetan, am Winterhimmel
heimwärts zu den Seinen irrt
und der Tag stets kürzer wird –
sozusagen wird zum Kurztag –
hat das Christkindlein Geburtstag!

Ach, wie ist man dann vergnügt,
wenn man einen Urlaub kriegt.
Andrerseits, wie ist man traurig,
wenn es heißt: „Nein, da bedaur ich!“
Also greift man dann entweder
zu dem Blei oder der Feder
und schreibt schleunigst auf Papier
ein Gedicht, wie dieses hier:

Die Berge, die Meere, den Geist und das Leben
hat Gott zum Geschenk uns gemacht;
doch uns auch den Frieden, den Frieden zu geben,
das hat er nicht fertiggebracht!
Wir tasten und irren, vergehen und werden,
wir kämpfen mal so und mal so…
Vielleicht gibt’s doch richtigen Frieden auf Erden?
Vielleicht gerade jetzt? – Aber wo?

Heinz Erhardt

[Noch ein Gedicht…] Heinz Erhardt – DER SPATZ

Es flog ein Spatz spazieren
hinaus aus großer Stadt.
Er hatte all die Menschen
und ihr Getue satt.

Er spitzte keck den Schnabel
und pfiff sich was ins Ohr.
Er kam sich hier weit draußen
wie eine Lerche vor.

Er traf hier auch manch Rindvieh,
sah auch manch Haufen Mist…
Er sah, dass es woanders
auch nicht viel anders ist.

Heinz Erhardt

[Revue] Nachdem ich mich hier versammelt habe… – Die tierisch satirische Heinz Erhardt-Revue / Weyher Theater

Bühneneinrichtung: Thorsten Hamer / nach Texten von Heinz Erhardt

Premiere: Datum unbekannt / besuchte Vorstellung: 14. August 2016 / Weyher Theater

Inszenierung: Thorsten Hamer


„Als ich geboren wurde, war ich noch sehr jung…“ 

Das ist er wieder – dieser Schelm – reinkarniert in der Gestalt des Schauspielers Thorsten Hamer!

Hamer tritt auf, und der Saal tobt: Gestik, Mimik, Körperhaltung und Tonfall – alles perfekt ohne aufgesetzt zu wirken. Jeder Satz, jede Anekdote und jeder Kommentar wurde mit Beifall und Gelächter honoriert. Mit seiner Spielfreude steckt er das Publikum erst an und dann in die Tasche.

Nathalie Bretschneider und Marc Gelhart waren als seine Partner in Sketchen und Songs mit Freude dabei – auch wenn sie hin und wieder „nur“ Stichwortgeber waren, damit Hamer seine Kunst dem Publikum kredenzen konnte.

Auch Kevin Kuhlmann am Piano war vor den Streichen von Thorsten Hamer nicht gefeit: So überrascht er – bei aller Professionalität – sich, seine Bühnenpartner und das Publikum mit spontanen Improvisationen, über die er sich selbst am Meisten amüsierte. Wir waren ihm alle verfallen.

„Wer reitet so spät durch Wind und Nacht? Es ist der Vater, es ist gleich acht…“

Als Liebhaber von intelligenten Blödeleien und klugen Sprachspielereien kamen wir bei dieser „tierisch satirischen Heinz Erhardt-Revue“ voll auf unsere Kosten.

Jubel für Heinz Erhardt! Jubel für Thorsten Hamer!


Nachdem ich mich hier versammelt habe… wird unregelmäßig am Weyher Theater gezeigt: Bitte den Spielplan beachten!

[Noch ein Gedicht…] Heinz Erhardt – DER WINTER

Wenn Blätter von den Bäumen stürzen,
die Tage täglich sich verkürzen,
wenn Amsel, Drossel, Fink und Meisen
die Koffer packen und verreisen,
wenn all die Maden, Motten, Mücken,
die wir versäumten zu zerdrücken,
von selber sterben – so glaubt mir:
es steht der Winter vor der Tür!

Ich laß ihn stehn!
Ich spiel ihm einen Possen!
Ich hab die Tür verriegelt
und gut abgeschlossen!
Er kann nicht rein!
Ich hab ihn angeschmiert!
Nun steht der Winter vor der Tür –
und friert!

Heinz Erhardt

[Rezension] Heinz Erhardt – Die Gedichte/ mit Illustrationen von Jutta Bauer

Da ist er wieder – dieser Schelm! Kein anderer Humorist seiner Generation konnte so schön mit Worten spielen, aus Nichtigkeiten eine Pointe spinnen und Reime zum Schütteln bringen.

Dabei spielte natürlich auch seine unnachahmliche Art des Vortrags eine immense Rolle: sein unschuldig-naiver Blick, die hängenden Schultern und die wie zufällig gewählte Betonung der Worte.

In diesem Band sind nun erstmals alle seine Gedichte versammelt und mit kleinen, witzigen Illustrationen von Jutta Bauer verschönt.

Sie alle warten auf ihre Wieder- und Neuentdeckung: Selbstverständlich darf „Die Made“ nicht fehlen, aber auch die gereimten Geschichten um „Ritter Fips von Fipsenstein“ und die Sammlung Gedichte „In vier Zeilen“ sind ein Fest-Schmaus vom Großen der humoristischen Reime.

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So verpackte Heinz Erhardt die Tücken des Alltags, das Lieb & Leid in den Beziehungen der Geschlechter und allerlei Getier jeglicher Größe in seine Reime und beschert mir, dem geneigten Leser auch in der gedruckten Form eine Fülle an köstlichen Bonmots und witzigen Wortspielereien.

Er war eben ein wahrer Schelm!

erschienen bei Lappan/ ISBN: 978-3830334057