[Blog-Ge-„switch“-er] März (beinah April) 2022…

Seit meinem letzten [Blog-Ge-„switch“-er] scheint die Welt zunehmend aus den Angeln gehoben zu sein: Als wenn wir mit dieser globalen Pandemie nicht schon genug an den Hacken hätten, muss da auch noch ein Testosteron gesteuerter Diktatoren-Klops einen Krieg gegen ein Nachbarland anzetteln, was bei uns zur Folge hat, dass einige grenzdebile Mitmenschen wieder Hamsterkäufe tätigen, und somit im Supermarkt das Rapsöl ausverkauft ist.

Natürlich empfinde ich diese Situation ganz und gar nicht so flapsig-lakonisch, wie ich sie in meinem Einleitungssatz beschrieben habe. Vielmehr empfinde ich die Situation als schier unerträglich und bemühe mich, nicht an Tugenden wie Vernunft, Toleranz und Menschlichkeit zu zweifeln. Und inmitten des allgemeinen wie persönlichen Chaos stelle ich mir die Fragen, ob es legitim ist (m)einen persönlichen Blog in gewohnter Weise fortzuführen, oder muss ich mich zwingend regelmäßig zum aktuellen Zeitgeschehen positionieren?

Meine Haltung zum Krieg in der Ukraine ist da sehr eindeutig! Aufmerksame Follower meiner Accounts werden dort entsprechende Hinweise entdecken, und auch mein Fokus bei der Auswahl an Gedichten und Zitate hat sich verändert. Doch ich bin nicht der Meinung, dass ich diesen wahnsinnigen Krieg permanent in meinen Berichten thematisieren muss: Was könnte ich schon sensationelles Neues beitragen, was auf anderen Kanälen nicht schon in mannigfacher Form Erwähnung fand – und dies vor allem von Menschen, die dies viel besser konnten als ich?

Darum wird es hier auf meinem Blog sowie auf meinen Accounts in gewohnter Art und Weise weitergehen, mit dem Wunsch, dass ich damit bei meinen Leser*innen in dieser verrückten Zeit für Abwechslung und Inspiration sorge.

Jeder tut, was er kann!


  • Pascal Mathéus führt auf AUFKLAPPEN ein sehr interessantes Interview mit LiteraturkritikerUwe Wittstock. In seinem Beitrag Hat die Literatur versagt? gehen sie gemeinsam der Frage nach, was die Literatur leisten kann bzw. muss, wenn ein Diktator nach der Macht greift.
  • Der Mensch scheint so programmiert zu sein, dass traumatische Ereignisse eher im Gedächtnis haften bleiben als positive Erlebnisse – behauptet zumindest Markus Jäger auf seinem Blog LITERATUR in seinem Beitrag Krisen und Erinnerungen.
  • Apropos traumatisch: Ich glaube, jede*r von uns kann etwas zum Thema „Schullektüre“ beitragen. Marion Rave berichtet auf SCHIEFGELESEN von ihrem K(r)ampf mit Wer ist denn jetzt schuld? – „Effi Briest“ von Theodor Fontane und durfte feststellen, dass es manchmal gut tut, wenn die Schullektüre von damals mit den erfahrenen Augen von heute betrachtet wird.
  • Gabriel Rath stellte sich auf seinem gleichnamigen Blog die durchaus berechtigte aber schwer zu beantwortende Frage Wie erklären wir unseren Kindern den Krieg? Eine allgemeingültige Lösung kann auch er nicht bieten, dafür aber hilfreiche Impulse geben.
  • …und vielleicht hilft es, bei diesem ernsten Thema ein Buch zu Rate zu ziehen: Auf dem Online-Portal der Arbeitsgemeinschaft von Jugendbuchverlagen (avj) findet Ihr unter Von Krieg und Frieden, Heimat und Flucht eine ausführliche Liste mit Buchempfehlungen.
  • Mir ist es durchaus auch schon einmal passiert: Ich lese einen Roman und plötzlich erwecken Nebenfiguren meine Aufmerksamkeit. Doch weitere Details werden vom/von der Autor*in nicht verraten, da sie für die Haupt-Handlung völlig irrelevant sind. Leonie Nitsche lässt uns auf LITERARISCHES an ihre Lieblingsphänomene der Literatur teilhaben.
  • Apropos Phänomen: Wie wird ein Buch eigentlich zum Bestseller? Und welche Faktoren spielen dabei eine Rolle? Auf DEUTSCHLANDFUNK KULTUR habe ich dazu den lesenswerten Beitrag Wie Bestseller den Buchmarkt prägen entdeckt.
  • Vor wenigen Tagen haben alle Leseverrückte weltweit den Indiebookday begangen: Das Team von WE READ INDIE hat selbstverständlich kräftig mitgefeiert, sich aber auch – aufgrund des stetigen Wandels in der Buchbranche – die Frage gestellt, Wie wir in Zukunft den Begriff Indie definieren

Ein kleiner Hinweis am Schluss: Dies ist keine Rubrik, die regelmäßig erscheint. Darum lasst Euch überraschen, wann das nächste [Blog-Ge-„switch“-er] das Licht der Blogger-Welt erblickt…!!! 😊

[Noch ein Gedicht…] Ludwig Thoma – MÄRZ

Ah! Wie die buttergelbe Sonne
Uns wärmend durch die Poren dringt!
Wie neu erwachte Frühlingswonne
Uns das vergrämte Herz beschwingt!

Dem wintermüden Menschentume
Erheitert ihr die Phantasie,
Schneeglöckchen, Veilchen, Schlüsselblume
Und was auf Wiesen sonst gedieh!

Im Mistbeet herrscht ein reges Leben;
Das drängt sich an das helle Licht
Und will uns bald Gemüse geben,
Will Zutat sein zum Leibgericht.

Und wie sich froh den Hühnersteißen
Entringt das liebe Osterei!
So mag sich die Natur befleißen,
Dass sie nebst schön auch schmackhaft sei.

Das Starkbier regelt dann die Stühle,
Wenn Hertling spricht, ist’s ebenso,
Man sitzt im Frühlingslustgefühle
Und wird im Sitzen lebensfroh.

Ludwig Thoma

…zum Welttag der Poesie!

🌈💘💐

[Rezension] Theodor Fontane – Der kinderleichte Fontane/ ausgewählt von Gotthard Erler/ mit Illustrationen von Sabine Wilharm

Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland – wer kennt ihn nicht, und auch das Leiden der Effi Briest mussten schon viele Generationen an Schüler*innen über sich „ergehen“ lassen. Doch kennt jemand noch mehr von Fontane? Ich leider bisher nicht…! Doch dank dieser entzückenden Anthologie kann nun Abhilfe geschaffen werden.

Auch wenn dieses Büchlein mit Der kinderleichte Fontane betitelt wurde, so ist es nicht ausschließlich nur für Kinder geeignet. Auch dem interessierten Neu-Einsteiger ins Fontansche Werk (so wie ich einer bin) verschafft es einen guten Überblick. Neben einer Vielzahl an Gedichten kredenzt uns Herausgeber Gotthard Erler eine abwechslungsreiche Mischung aus spannenden Geschichten (aus: Romane und Erzählungen in acht Bänden), Märchen und Sage (aus: Wanderungen durch die Mark Brandenburg), mystischen Erzählungen (aus: Das erzählerische Werk) und Berichten aus dem Leben eines Lausbuben (aus: Meine Kinderjahre. Autobiografischer Roman): Wir erfahren, wie Steuermann John Maynard das brennende Schiff unter Einsatz seines Lebens ans rettende Ufer bringt. Bei den Streichen und Abenteuern des kleinen Buben Theodor sind wir erleichtert über die Schutzengel, die über ihn wachen. Wir lernen mit Grete Minde eine resolute junge Frau kennen, die zu drastischen Mitteln greift, als sie von ihrem Bruder nicht ihr gewünschtes Erbe erhält. Fritz Katzfuß hat unser vollstes Verständnis bei seinem Versuch, seine heimliche Leidenschaft gegenüber seiner Lehrherrin zu verbergen – vergebens. Und natürlich sind auch für uns die Birnen aus dem Havelland noch immer die süßesten…!

In seiner kurzweilig geschrieben Einleitung lässt Gotthard Erler das Leben Fontanes Revue passieren und gibt einen prägnanten Einblick in die Persönlichkeit dieses vielschichtigen Künstlers. Illustratorin Sabine Wilharm, die u.a. bekannt durch ihre Covergestaltung der Harry-Potter-Romane wurde, lässt in der Einleitung amüsant Ribbecks Birnen über die Seiten toben, um einzelne Lebensstationen des Autors nachzustellen. Bei den Erzählungen und Gedichten trifft sie mit ihren kurios-kantig-komischen Illustrationen überzeugend den jeweiligen Grundton.

Diese gelungene wie abwechslungsreiche Zusammenstellung offeriert uns einen äußerst vielfältigen Poeten, der schon zu Lebzeiten als ein Pedant bekannt war und oftmals bis kurz vor Druck seiner Werke noch Änderungen an eben diesen vornahm. Das Ergebnis gab ihm recht: Seine Geschichten überzeugen durch eine geschliffene Sprache. Seine Lyrik erfreut mich als Vor-Leser mit einem interessanten Duktus und einem pulsierendem Rhythmus der Verse. Beinah melodisch sind seine Reime aufgebaut und verführen geradezu zu einer musikalischen Vertonung.

Apropos Vertonung: Schon im Jahre 1978 wählte Achim Reichel ein Gedicht Fontanes für sein Album Regenballade aus. Ribbecks Birnen sind eben in jeglicher Form zu und zu schmackhaft…!


erschienen bei Aufbau/ ISBN: 978-3351037734

[Noch ein Gedicht…] Theodor Fontane – ALLES STILL!

Alles still! Es tanzt den Reigen
Mondenstrahl in Wald und Flur,
Und darüber thront das Schweigen
Und der Winterhimmel nur.

Alles still! Vergeblich lauschet
Man der Krähe heisrem Schrei.
Keiner Fichte Wipfel rauschet,
Und kein Bächlein summt vorbei.

Alles still! Die Dorfeshütten
Sind wie Gräber anzusehn,
Die, von Schnee bedeckt, inmitten
Eines weiten Friedhofs stehn.

Alles still! Nichts hör ich klopfen
Als mein Herze durch die Nacht –
Heiße Tränen niedertropfen
Auf die kalte Winterpracht.

Theodor Fontane

[Noch ein Gedicht…] Theodor Fontane – DER SCHWESTER ZU SILVESTER

Habe ein heitres, fröhliches Herz
Januar, Februar und März,
Sei immer mit dabei
In April und Mai,
Kreische vor Lust
In Juni, Juli und August,
Habe Verehrer, Freunde und Lober
In September und Oktober,
Und bleibe meine gute Schwester
Bis zum Dezember und nächsten Silvester.

Theodor Fontane

[Noch ein Gedicht…] Theodor Fontane – HERR VON RIBBECK AUF RIBBECK IM HAVELLAND

Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland,
Ein Birnbaum in seinem Garten stand,
Und kam die goldene Herbsteszeit
Und die Birnen leuchteten weit und breit,
Da stopfte, wenn’s Mittag vom Turme scholl,
Der von Ribbeck sich beide Taschen voll,
Und kam in Pantinen ein Junge daher,
So rief er: »Junge, wiste ’ne Beer?«
Und kam ein Mädel, so rief er: »Lütt Dirn,
Kumm man röwer, ick hebb ’ne Birn.«

So ging es viel Jahre, bis lobesam
Der von Ribbeck auf Ribbeck zu sterben kam.
Er fühlte sein Ende. ’s war Herbsteszeit,
Wieder lachten die Birnen weit und breit;
Da sagte von Ribbeck: »Ich scheide nun ab.
Legt mir eine Birne mit ins Grab.«
Und drei Tage drauf, aus dem Doppeldachhaus,
Trugen von Ribbeck sie hinaus,
Alle Bauern und Büdner mit Feiergesicht
Sangen »Jesus meine Zuversicht«,
Und die Kinder klagten, das Herze schwer:
»He is dod nu. Wer giwt uns nu ’ne Beer?«

So klagten die Kinder. Das war nicht recht –
Ach, sie kannten den alten Ribbeck schlecht;
Der neue freilich, der knausert und spart,
Hält Park und Birnbaum strenge verwahrt.
Aber der alte, vorahnend schon
Und voll Mißtraun gegen den eigenen Sohn,
Der wußte genau, was damals er tat,
Als um eine Birn‘ ins Grab er bat,
Und im dritten Jahr aus dem stillen Haus
Ein Birnbaumsprößling sproßt heraus.

Und die Jahre gehen wohl auf und ab,
Längst wölbt sich ein Birnbaum über dem Grab,
Und in der goldenen Herbsteszeit
Leuchtet’s wieder weit und breit.
Und kommt ein Jung‘ übern Kirchhof her,
So flüstert’s im Baume: »Wiste ’ne Beer?«
Und kommt ein Mädel, so flüstert’s: »Lütt Dirn,
Kumm man röwer, ick gew‘ di ’ne Birn.«

So spendet Segen noch immer die Hand
Des von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland.

Theodor Fontane

Theodor Fontane – VERSE ZUM ADVENT

Noch ist Herbst nicht ganz entflohn,
Aber als Knecht Ruprecht schon
Kommt der Winter hergeschritten,
Und alsbald aus Schnees Mitten
Klingt des Schlittenglöckleins Ton.

Und was jüngst noch, fern und nah,
Bunt auf uns herniedersah,
Weiß sind Türme, Dächer, Zweige,
Und das Jahr geht auf die Neige,
Und das schönste Fest ist da.

Tag du der Geburt des Herrn,
Heute bist du uns noch fern,
Aber Tannen, Engel, Fahnen
Lassen uns den Tag schon ahnen,
Und wir sehen schon den Stern.

Theodor Fontane

[Rezension] Theodor Fontane – Das ist das höchste Glück: Gedichte und Balladen

Das ist das höchste Glück von Theodor Fontane.JPG

Unzählige Schülergenerationen mussten sich durch „Effi Briest“ quälen, wurden „dank“ germanistisch-geprägter Deutschlehrer gezwungen, seine Texte zu interpretieren und machen seither für immer einen großen Bogen um Theodor Fontane – völlig zu Unrecht!

Theodor Fontane hat es nicht verdient, als Schülerschreck zu verkommen: Sein Schreibstil durchzieht ein feiner ironischer Humor. Er blickt auf das scheinbar Belanglose im Leben und schenkt diesem seine Beachtung. Scheinbar folgen seine Figuren den gesellschaftlichen Normen, nur um dann ihre wahren Interessen zu offenbaren. Fontanes Kritik an einer Einzelperson lässt Rückschlüsse auf seine Kritik an der Gesellschaft zu.

ZZ türkis1ww.png

In diesem Band findet der Leser nun eine feine Auswahl seiner Gedichte und Balladen. Gerade in seinen längeren Vers-Kreationen offenbaren sich seine verführerische Sprachmelodie und sein Talent für Rhythmus.

Selbstverständlich darf in dieser Anthologie die Ballade „Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland“ ebenso wenig fehlen, wie seine Gedichte an seine Ehefrau Emilie Fontane, die so wunderbar schelmisch daher kommen und so viel über das Verhältnis der Eheleute preisgeben.

„Es ist etwas unbedingt Zauberhaftes um seinen Stil…“ Thomas Mann

…völlig zu Recht!

erschienen bei marix/ ISBN: 978-3865393623