MONTAGSFRAGE #122: Welches Stück Literatur deiner Sammlung liegt dir besonders am Herzen?

Och, wenn ich wollte, wie ich könnte, dann wäre diese Frage mit einem freundlichen Hinweis auf meine Rubrik DIE BÜCHER MEINES LEBENS schon beantwortet. Ich würde mich entspannt vom PC entfernen, mir meinen Krimi schnappen und mich auf den sommerlichen Balkon zurückziehen. Wenn ich wollte, wie ich könnte…!

Aber ich will nicht, wie ich kann: So billig kommt Ihr mir nicht davon – und ich mir selbst auch nicht. Denn neben den in der oben genannten Rubrik schon gewürdigten Werken gibt es natürlich auch noch andere literarische Veröffentlichungen, die vielleicht keinen sehr wichtigen aber durchaus einen wichtigen Stellenwert in meiner Sammlung einnehmen.

Also: Los geht’s!

Mein schönstes Gedicht?
Ich schrieb es nicht.
Aus tiefsten Tiefen stieg es.
Ich schwieg es.

Das kleine rote Taschenbuch aus dem dtv-Verlag ist schon ziemlich abgegriffen, die Seiten sind schon nachgedunkelt, und der Einband ist abgestoßen. Es ist ein sicheres Zeichen, dass ich dieses Büchlein gerne und häufig zur Hand nahm/nehme. Ich blättere durch die Seiten, mache irgendwo halt und lese Mascha Kalékos Gedichte, die mal weise, mal kraftvoll, sehr melancholisch, dann wieder klug oder gefühlvoll mich zum Sinnieren anregen und mir so kleine Momente der Muße schenken. Und obwohl ich seit letztem Jahr die gebundene und illustrierte Ausgabe ihrer Gedichte von der Büchergilde Gutenberg besitze – auch unbedingt besitzen wollte – wandert dieses Taschenbuch weiter wie durch einen magischen Zwang immer wieder und wieder in meine Hände. Vielleicht liegt es am deutlich handlicheren Format des Taschenbuchs, vielleicht liegt es auch daran, dass ich mich bisher mit den Illustrationen der Büchergilde-Ausgabe noch nicht so richtig anfreunden konnte.

Und: Weiter geht’s!

Für mich zählt dieses Märchenbuch aus dem Diogenes-Verlag zu den schönsten Märchenbüchern der Welt – wenn nicht sogar zu dem schönsten. Natürlich liegt dies zum einen an der gelungenen Auswahl der Märchen durch Christian Strich. Doch der Hauptverdienst gebührt der großartigen Künstlerin Tatjana Hauptmann, die mit ihren Illustrationen dieses Märchenbuch schwelgerisch veredelt. Doch bevor ich mich hier wiederhole, möchte ich auf die MONTAGSFRAGE #71 verweisen, im Rahmen dessen Beantwortung ich Euch dieses Werk ausführlich vorgestellt habe.

Endspurt!

Im damaligen Schweizer Haffmans Verlag erschien im Jahre 1995 der Roman „Girl“, der meiner Meinung nach damals viel zu wenig Aufmerksamkeit erhielt: Mini-Macho Bradley Barrett wähnt sich in einem Horror-Film, als er am Tag nach seiner OP aufwacht und sich nach wie vor im Besitz seiner Weisheitszähne befindet. Doch aufgrund einer Verwechslung der OP-Unterlagen vermisst er nun sein Genital, könnte sich aber stattdessen über zwei prachtvolle Brüste freuen. Tut er aber nicht…! Doch es gibt keine Alternative, und so muss Bradley sich an ein Leben als Frau gewöhnen – ein Leben, das durchaus Vorteile mit sich bringt aber auch ebenso viele Nachteile birgt, die ihm vorher als strammer hetero Macker nicht bewusst waren. Sein erzwungener Perspektivwechsel lässt ihn an seiner früheren Männer-Rolle zweifeln…! Lange vor der momentan vorherrschenden Gender-Diskussion lieferte Autor David Thomas eine aberwitzige wie tragische Geschichte, in der er sowohl die typisch männlichen wie typisch weibliche Verhaltensweisen ironisch auf den Prüfstand stellte und so das sogenannte Geschlechtsspezifische hinterfragte…!

So: Das war’s!

…und welche literarischen Werke haben in Eurer Sammlung einen dauerhaften Platz ergattert???


Antonia Leise von „Lauter & Leise“ hat dankenswerterweise DIE MONTAGSFRAGE: Buch-Blogger Vorstellungsrunde wiederbelebt und stellt an jedem Montag eine Frage, die Interessierte beantworten können und zum Vernetzen, Austauschen und Herumstöbern anregen soll! Ich bin gerne dabei!!!

In meinem MONTAGSFRAGE-Archiv findet Ihr Fragen & Antworten der vergangenen Wochen.

[Rezension] »Mir träumte, du bliebest mir gut« – Die schönsten Liebesgedichte/ herausgegeben von Matthias Reiner/ mit Illustrationen von Isabel Pin

Ach ja, die Liebe…!

Was musste sie nicht schon alles aushalten? Wofür musste sie nicht schon alles herhalten? Freundschaften gingen zu Bruch, und Feindschaften entstanden. Kriege wurden wegen ihr entfacht und wieder beendet. Gefühls-Tsunamis tobten in so mancher Seele, und der Boden bebte unter so manchen Füßen beim Anblick des geliebten Menschen. Kapitelweise wurde sie in Büchern beschrieben, und Verse über Verse füllen unzählige Seiten.

Ach ja, die Liebe…!

Die ansprechende Insel-Bücherei ist immer ein Blick wert und verführt mit anspruchsvollen Inhalten in Kombination mit einer exquisiten Optik. Ich habe mir vorgenommen, dass so nach und nach alle Bücher dieser Reihe in mein Bücherregal einziehen dürfen. So beschenke ich mich zum heutigen Valentinstag selbst mit diesem wunderbaren Büchlein voller Liebesgedichte. Herausgeber Matthias Reiner schlägt mit dieser Auswahl einen spannenden Bogen zwischen klassischen und zeitgenössischen Lyriker*innen.

Da wird Edurard Mörikes Herz Auf einer Wanderung durch einen Liebeshauch berührt, Wislawa Szymborska trauert auf dem Bahnhof einer vertanen Chance hinterher, und für Robert Gernhardt ist ein Gelungener Abend mit einem „besonderen“ Schluck verbunden.

Emily Dickinson sehnt sich Wilde Nächte herbei, während Joachim Ringelnatz eine männliche Briefmarke gezwungenermaßen auf Reisen schickt. Ulla Hahn wollte Nie mehr dieses Gefühl des sehnsuchtsvollen Wartens erleben, und Mascha Kaléko schreibt sich Weil du nicht da bist die Einsamkeit von der Seele.

Oswald von Wolkenstein reimt und rüttelt, „verst“ und schüttelt sich seitenweise voller überschäumender Sehnsucht die Liebste herbei. Christian Morgenstern huldigt in Die zwei Wurzeln der alten Liebe, die zwar nicht mehr so stürmisch dafür umso beständiger ist.

Isabel Pin unterstreicht die Vielfalt der Gedichte mit ihren federleichten Illustrationen, die wie „hingeworfen auf Papier“ wirken.

Ach ja, die Liebe…!

In diesem kleinen, feinen Büchlein wird sie in der schönsten und poetischsten Weise gehuldigt.

❣️Ich wünsche Euch von Herzen einen wunderbaren Valentinstag!❣️


erschienen bei Insel-Bücherei/ ISBN: 978-3458205258

[Noch ein Gedicht…] Mascha Kaléko – ANSPRACHE EINES BÜCHERWURMS

Der Kakerlak nährt sich vom Mist,
Die Motte frißt gern Tücher,
Ja selbst der Wurm ist, was er ißt.
Und ich – ich fresse Bücher.

Ob Prosa oder Poesie,
Ob Mord- ob Heldentaten –
Ich schmause und genieße sie
Wie einen Gänsebraten.

Ich bin ein sehr belesener Herr,
Nicht wie die anderen Viecher!
Daß Bücher bilden, wißt auch ihr,
Und ich – ich fresse Bücher.

Die Nahrung, sie behagt mir wohl,
Verleiht mir Grips und Stärke.
Was andern Wurst mit Sauerkohl,
Das sind mir Goethes Werke.

Ich fraß mich durch die Literatur
So mancher Bibliotheken;
Doch war`  n das meiste, glaubt es nur,
Bloß elende Scharteken.

Das Bücherfressen macht gescheit.
So denken sich`  s die Schlauen.
Doch wer zuviel frißt, hat nicht Zeit,
Es richtig zu verdauen.

Drum lest mit Maß, doch lest genug,
Dann wird`  s euch wohl ergehen.
Bloß Bücher fressen macht nicht klug!
Man muß sie auch verstehen.

Mascha Kaléko

[Noch ein Gedicht…] Mascha Kaléko – REZEPT

Jage die Ängste fort
Und die Angst vor den Ängsten.
Für die paar Jahre
Wird wohl alles noch reichen.
Das Brot im Kasten
Und der Anzug im Schrank.

Sage nicht mein.
Es ist dir alles geliehen.
Lebe auf Zeit und sieh,
Wie wenig du brauchst.
Richte dich ein.
Und halte den Koffer bereit.

Es ist wahr, was sie sagen:
Was kommen muss, kommt.
Geh dem Leid nicht entgegen.
Und ist es da,
Sieh ihm still ins Gesicht.
Es ist vergänglich wie Glück.

Erwarte nichts.
Und hüte besorgt dein Geheimnis.
Auch der Bruder verrät,
Geht es um dich oder ihn.
Den eignen Schatten nimm
Zum Weggefährten.

Feg deine Stube wohl.
Und tausche den Gruß mit dem Nachbarn.
Flicke heiter den Zaun
Und auch die Glocke am Tor.
Die Wunde in dir halte wach
Unter dem Dach im Einstweilen.

Zerreiß deine Pläne. Sei klug
Und halte dich an Wunder.
Sie sind lang schon verzeichnet
Im großen Plan.
Jage die Ängste fort
Und die Angst vor den Ängsten.

Mascha Kaléko

[Noch ein Gedicht…] Mascha Kaléko – ADVENT

Der Frost haucht zarte Häkelspitzen
Perlmuttergrau ans Scheibenglas.
Da blühn bis an die Fensterritzen
Eisblumen, Sterne, Farn und Gras.

Kristalle schaukeln von den Bäumen,
die letzen Vögel sind entflohn.
Leis fällt der Schnee – in unsern Träumen
weihnachtet es seit gestern schon.

Mascha Kaléko