Schlagwort: Partners in Crime
[Rezension] Agatha Christie – Die Büchse der Pandora. Kurzkrimis mit Tommy und Tuppence
Da ist es ja wieder – unser kriminalistisches Duo, unsere „Partners in Crime“, unser pfiffiges Pärchen mit Spürnase, Klasse und Esprit. Diesmal machen wir mit ihnen eine Reise in die Vergangenheit: Waren wir mit Lauter reizende alte Damen schon im Jahre 1968 gelandet und durften die Beiden als gereiftes Paar beobachten, so werfen wir nun einen Blick zurück ins Jahr 1929.
Tommy und Tuppence Beresford sind frisch verheiratet und chronisch gelangweilt. Da kommt ihnen der verlockende Auftrag vom britischen Geheimdienst nur allzu recht, inkognito eine Detektei zu übernehmen. Der ursprüngliche Eigentümer erholt sich gerade während eines Urlaubs auf Staatskosten und scheint seine Detektei als Briefkasten für feindliche Spione genutzt zu haben. Um dies auf den Grund zu gehen, schlüpft Tommy in die Rolle des Leiters dieser internationalen Detektivagentur Mr. Theodore Blunt, während Tuppence seine tüchtige Sekretärin Miss Robinson mimt. Ihr besonderes Augenmerk sollen sie auf eine dubiose Korrespondenz legen – insbesondere auf blaue Briefumschläge mit russischer Marke. Doch diese Post lässt auf sich warten, und so lösen die detektivischen Fachkräfte so ganz nebenbei auch einige „reguläre“ Fälle. So suchen sie u.a. nach einer Erklärung für scheinbar paranormale Phänomene in einem alten Haus, spüren eine vermisste Ehefrau in einer delikaten Institution auf, überprüfen nicht nur eins sondern gleich zwei Alibis ein und derselben jungen Dame und rätseln über einen vertauschten Diplomatenkoffer. Diese interessanten wie skurrilen Fälle sind aber gänzlich harmlos im Vergleich zu dem Abenteuer, das sie erwartet, als sie plötzlich tatsächlich einen blauen Brief mit der Post erhalten…!
Agatha Christie ließ ihr gewieftes Detektiv-Paar nicht nur in vier Romanen (zwischen deren Erscheinen teilweise Jahrzehnte lagen) auf Verbrecherjagd gehen, sondern gönnte ihnen ebenfalls eine Sammlung unterhaltsamer Kurzkrimis, die nun endlich wieder im neuen Gewand erschienen sind. Dabei legte sie bei diesen Geschichten den Schwerpunkt eher auf das kurzweilige Rätselraten als auf die „das Blut in den Adern gefrierende“ Spannung. So kann sich die verehrte Leserschaft auf so manchen herrlichen verbalen Schlagabtausch unserer beiden sympathischen Protagonisten freuen, die sich die Bälle nicht nur geschickt zuspielen, sondern je nach Auftrag auch gerne alle Bälle in der Luft behalten. Dabei agieren beide – wie gewohnt – auf Augenhöhe und demonstrieren eine äußerst emanzipierte Partnerschaft, wie sie zur Entstehungszeit der Geschichten höchstwahrscheinlich selten in der Realität zu bewundern war.
Gerne ziehen sie dabei die jeweils passenden Klassiker des Genres zu Rate und versuchen, sich in die erdachten Personen von weltberühmten Krimiautoren wie Edgar Wallace, G. K. Chesterton, Arthur Conan Doyle & Co. hineinzuversetzen, um so von deren „Spiritus Rector“ zu profitieren. Bei der Lektüre der letzten Geschichte Der Mann, der Nummer 16 war brach ich in schallendes Gelächter aus, da diesmal Tommy und Tuppence ihre Inspiration beim kleinen, pedantischen Belgier mit den genialen grauen Zellen suchten. Die „Queen of Crime“ nahm somit sich selbst höchst humorvoll „auf die Schippe“. Chapeau!
Ein bisschen Irritation verursachte bei mir die Aufteilung der Kapitel: So sind die meisten Geschichten jeweils unter einem Titel in zwei Kapitel unterteilt, die deutlich mit I und II gekennzeichnet sind. Bei drei Geschichten sind die einzelnen Kapitel jeweils mit einem eigenen Titel versehen, im Inhaltsverzeichnis entsprechend notiert und hinterlassen so den Eindruck, als wären sie eigenständige Geschichten. Somit beinhaltet diese Sammlung nicht 17 sondern „nur“ (!) 14 Kurzkrimis. Da hätte ich mir bei dieser überarbeiteten Wiederveröffentlichung ein wenig mehr Sorgfalt beim Editieren der Texte gewünscht.
Doch abgesehen von diesem klitzekleinen Wehrmutstropfen haben wir es hier (meines Wissens) mit der vollständigsten Sammlung der Beresford-schen Kurzkrimis zu tun, die mir ein überaus kuschliges Lesevergnügen schenkte.
erschienen bei Atlantik/ ISBN: 978-3455012064
Ich danke dem Verlag herzlich für das zur Verfügung gestellte Leseexemplar!
[Rezension] Agatha Christie – Lauter reizende alte Damen: Ein Fall für Tommy und Tuppence
„Entschuldigen Sie, aber war es Ihr armes Kind?“ raunte die freundliche Mrs Lancaster Tuppence Beresford leise zu, die im Salon des Seniorenheims „Haus Sonnenhügel“ auf die Rückkehr ihres Mannes Tommy wartet, der dort seine Tante Ada besucht. Mrs Lancasters Bericht von einem toten Kind hinter dem Kamin hört sich sehr fantastisch an, zudem sie auch schon ein wenig tüttelig zu sein scheint. Doch einige Wochen später ist Tante Ada tot und Mrs Lancaster wie vom Erdboden verschwunden. Im Nachlass von Tante Ada finden die beiden ein Bild, das Mrs Lancaster ihr geschenkt hatte, und Tuppence ist sich sicher, dass sie das dort abgebildete Haus schon einmal gesehen hat…!
Mit „Partners in Crime“ gönnte sich Agatha Christie ein Protagonistenpaar, das gemeinsam mit ihrer Schöpferin altern durfte (einen Luxus, den Christie sich mit Miss Marple und Hercule Poirot selbst verwehrte). So spielen die wenigen Kriminalromane um Tommy und Tuppence auch im jeweiligen Entstehungsjahr (1922: Ein gefährlicher Gegner, 1941: N oder M?, 1968: Lauter reizende alte Damen und 1973: Alter schützt vor Scharfsinn nicht), und so lernte ich die Beiden als junge Erwachsene kennen, begleitete sie als s.g. „Best Ager“ und begrüße sie nun wieder als älteres Ehepaar…!
Anfangs war ich etwas enttäuscht: Allzu betulich plätscherte die Handlung beinah belanglos dahin, und die Dialoge wirkten auf mich ein wenig hölzern. Dabei war mir nicht klar, ob dieser Umstand der Qualität der Übersetzung geschuldet war, oder ob Christie diesen Kniff sehr bewusst und somit voller Absicht anwandte, um die unaufgeregte Routine (die durchaus einen Hang zur Monotonie annehmen kann) innerhalb einer langjährigen Beziehung zweier Menschen zu beschreiben. Genau ab Seite 50 trat die Veränderung ein: Die Dialoge wurden lebendiger, und die Handlung nahm an Fahrt auf. Zudem wirkte der Umstand, dass Christie ihre Held*innen altern lässt, und diese mit den entsprechenden Veränderungen in ihrem Leben konfrontiert werden, nur allzu menschlich und somit äußerst sympathisch auf mich.
Auch in diesem Krimi wagte sich Christie wieder an ein heikles Thema (Kindstötung) und verarbeitete dieses sehr geschmackvoll-zurückhaltend ohne Effekthascherei. Dabei zeigte sie auch hier wieder ihre Kunst, eine Vielzahl an potentiellen Täter*innen zu etablieren und eine Fülle an falschen Spuren zu legen, um so ihre Leserschaft auf unterhaltsame Weise in die Irre zu führen. Trotzdem wirkte die Handlung auf mich etwas wirrer und weniger durchdacht, als ich es sonst von Christie-Krimis gewohnt war.
Doch hier leide ich mal wieder auf sehr hohem Niveau: Verständlicherweise konnte eine so produktive Autorin wie Agatha Christie, die über Jahrzehnte schriftstellerisch aktiv war, nicht ständig auf einem gleichbleibend hohen Niveau schreiben. Doch selbst ihre „schwächeren“ Werke verfügen über die Qualität, kurzweilige Lesestunden zu garantieren.
erschienen bei Atlantik/ ISBN: 978-3455010817
Ich danke dem Verlag herzlich für das zur Verfügung gestellte Leseexemplar!
[Rezension] Agatha Christie – N oder M?: Ein Fall für Tommy und Tuppence
Miss Marple ist bekannt! Hercule Poirot ist bekannt! Wer von Euch nun Thomas und Prudence Beresford kennt, hebe bitte die Hand! Ahja, das dachte ich mir schon, dass sich nur wenige Hände in die Höhe strecken werden. Dabei handelt es sich hierbei um ein äußerst gewieftes Ermittler-Duo, dass gerne für besonders heikle Fälle vom Geheimdienst rekrutiert wird.
Agatha Christie hatte es häufig bereut, dass sie sowohl Miss Marple als auch Hercule Poirot schon zu Beginn deren jeweiligen literarischen Karrieren ein so hohes Alter hat angedeihen lassen. So war sie bzgl. des zeitlichen Rahmens äußerst eingeschränkt und konnte wenig aktuelles Zeitgeschehen in die Geschichten einflechten. Bei den vier Romanen und der Sammlung mit Kurzgeschichten rund um die „Partners in Crime“ Tommy und Tuppence – wie Thomas und Prudence Beresford von Familie und Freunden gerne genannt werden – konnte Christie dafür aus den Vollen schöpfen. Sehr bewusst hat sie Jahre, manchmal sogar Jahrzehnte zwischen den Erscheinungsdaten der Romane verstreichen lassen. Die Handlung spielte immer im jeweiligen Veröffentlichungsjahr des Romans: Während der 1. Fall im Jahre 1922 spielt, in dem Tommy und Tuppence sich als junge Menschen kennenlernen und unversehens in Spionagegeschäfte verstrickt werden, ist die Handlung des 2. Falls im Jahre 1941 fixiert…
Der 2. Weltkrieg tobt! Großbritannien erwartet die Angriffe der Deutschen, und Tommy und Tuppence sitzen in ihrem Heim und fühlen sich völlig unnütz. Das Leben spielt sich woanders und vor allem mit deutlich jüngeren Leuten ab: Ihre Zwillinge Derek und Deborah sind beide schon erwachsen und arbeiten für die Regierung. So fühlen sich Tommy und Tuppence mit Mitte 40 zum alten Eisen gehörend. Doch nicht nur der äußere Feind stellt eine Bedrohung dar: Auch im Inneren der Regierung gibt es feindliche Subjekte, die aus Gründen der Staatssicherheit eliminiert werden müssen. Da die eigenen Agenten zu bekannt sind, erinnert man sich an Tommy und Tuppence. Sie reisen inkognito an die britische Küste, um in der Pension „Sans Souci“ als unscheinbare Gäste unter den Anwesenden den Kopf der Spionagebande auszuspähen. Kein leichtes Unterfangen mit den wenigen vorhandenen Informationen, dass es sich hierbei um einen Mann und eine Frau handelt, bei denen nur die Code-Namen bekannt sind: Jeder – vom Dorfbewohner bis zum Pensionsgast – könnte somit „N oder M“ sein…!
Agatha Christie ist wieder eine kurzweilige und spannende Spionage-Geschichte gelungen, die deutlich mit ihrer Entstehungszeit verankert ist. Dabei versteht sie es famos, nicht allzu klischeehaft die jeweiligen Parteien (böse Deutsche/ gute Engländer) zu porträtieren. Trotzdem spiegeln sich in den Dialogen deutlich die Ansichten der damaligen Zeit wieder: Christie weiß aber durchaus zu differenzieren. Als Meisterin ihres Fachs lockt sie die Leser in klassischer „Whodunit“-Manier seitenlang in die Irre, um dann endgültig „die Katze aus dem Sack“ zu lassen.
Wie schön, dass die Werke von Agatha Christie nun im Atlantik-Verlag ihre Heimat gefunden haben. So werden auch weiterhin die weniger bekannten aber ebenso erstklassigen Krimis der „Queen of Crime“ wieder neu aufgelegt, um so eine größere Leserschaft zu finden. Sie hätten es mehr als verdient!