Gemeindebücherei in Ritterhude
Regionalkrimis sprießen seit einigen Jahren wie Pilze aus dem Boden und ergießen sich inflationär sowohl über die Leser- wie auch Landschaft. Beinah scheint es so, dass jedes Kuh-Kaff eine*n eigene*n literarische*n Ermittler*in vorweisen muss. Da reicht es dann nicht mehr, dass die Handlung in einer bestimmten Region spielt: Vielmehr müssen geografische Gegebenheiten so detailliert beschrieben werden, dass die Fans voller Freude zum Ort des Geschehens pilgern können, um sich dort auf die Spuren ihrer Held*innen zu begeben. Was – bitteschön – kann nun Ingrid Pfeiffer vorweisen, was nicht schon etliche Schreiberlinge vor ihr erledigt hätten? Kriminalromane, die in der norddeutschen Flachebene spielen, gibt es doch wahrlich zur Genüge.
Im Grunde ist es ganz einfach: Frau Pfeiffer hat für sich eine Marktlücke entdeckt, die sie seitdem souverän ausfüllt. Sie schreibt historische Regionalkrimis um eine junge Frau namens Line, die Ende des 18. Jahrhunderts als Köchin in Bremen bei einer wohlhabenden Kaufmannsfamilie arbeitet, den Moorkolonisten Früllerk heiratet und ihm ins Teufelsmoor folgt. Dort stolpert die selbstbewusste Frau immer wieder über mysteriöse Todesfälle und bringt sich mit ihren Nachforschungen selbst in Gefahr.
Meine obigen Worte klingen durchaus etwas lapidar und erwecken den Eindruck, als hätte Frau Pfeiffer voller Kalkül ihre Romane geschrieben, um für sich eine möglichst üppige Scheibe vom lukrativen Kuchen der Regionalkrimis abzuschneiden. Doch mit dieser Unterstellung würde ich ihr Unrecht tun. Bei der Lesung stellte sich uns eine Autorin vor, die mit sehr viel Herzblut ihre Geschichten verfasst hat. Dabei legte sie besonderen Wert auf historische Genauigkeit. Akribisch hat sie dafür recherchiert, um so exakt wie möglich Rituale, Abläufe und Handreichungen der damaligen Zeit zu beschreiben und diese so vor dem Vergessen zu bewahren. Auch lässt sie jeden ihrer Romane zu einer anderen Jahreszeit spielen: So findet auch der Einfluss der veränderten Wetterbedingungen auf den Tagesablauf der Moorbauern in ihren Geschichten eine nicht unwesentliche Erwähnung. Zudem schuf sie mit Line und Früllerk ein für damalige Verhältnisse sehr modernes Paar, für das ihre eigenen Großeltern Pate standen.
Bei der Lesung in der Gemeindebücherei in Ritterhude stand vornehmlich der letzte Band DIE KÖCHIN ODER DAS FEUER IM MOOR im Vordergrund, die Ingrid Pfeiffer mit viel Persönlichkeit gestaltete. Sie mag nicht die beste Vorleserin sein, doch verwandelt sie mit ihrem sympathischen Auftreten dieses „Manko“ zu ihrem Vorteil. Während ihrer Lesung „switcht“ sie durch ihre Geschichte, gibt Verweise auf die vorherigen Romane, macht auf Besonderheiten in der Handlung aufmerksam und reicht passende Requisiten als Anschauungsobjekt ins Publikum. Somit war dies auch weniger eine klassische Lesung als vielmehr ein Vortrag, in dem Textstellen aus dem Roman eingebunden wurden.
Apropos Publikum: Diesem ist sie sehr zugewandt. So verwundert es kaum, dass sich im Laufe der Jahre ein kleiner Kult um die rührige Schriftstellerin entwickelt hat und auch bei dieser Lesung ein Gefolge treuer Anhänger*innen im Auditorium saß. Doch unabhängig ob treue Leserschaft oder Erst-Täter: Sie begegnet ihrem Publikum stets mit Humor und sehr viel Charme.
Für mich war es zudem eine Freude nach Jahrzehnten einmal wieder in den Räumlichkeiten der Gemeindebücherei Ritterhude sein zu dürfen: In den 70er Jahren eröffnete die Gemeindebücherei erstmals seine Tür in einem ehemaligen Klassenzimmer der Grundschule in Ritterhude. Ich war ein Ausleiher der ersten Stunde, da ich zur damaligen Zeit selbst noch Schüler der besagten Schule war. Die Gemeindebücherei wurde mein Buch-Paradies, mein Lese-Eldorado, mein Zufluchtsort, die ich nur allzu gerne in den Pausen oder nach dem Unterricht aufsuchte, um mich mit ausreichend Lesestoff zu versorgen. Zumal die Ausleihe für Kinder und Jugendliche damals kostenfrei war (und auch heute noch ist). Wahrlich paradiesisch…!
Informationen zu ihren Romanen und Termine zu den Lesungen findet ihr auf der HOMEPAGE von Ingrid Pfeiffer. Auch in der Gemeindebücherei Ritterhude finden immer wieder interessante VERANSTALTUNGEN statt.











