Eben noch gezittert, dann schon wieder vorbei: So ein Bundesweiter Vorlesetag rauscht an einem vorbei wie nix…! Hatte ich im letzten Jahr noch mit Abwesenheit geglänzt, da ich eine rechtzeitige Planung/ Anmeldung schlicht und ergreifend verpennt hatte, freute ich mich in diesem Jahr umso mehr, wieder dabei zu sein. Eine Idee zu einer Aktion war schnell gefunden: Unter der Überschrift POETRY on the MARKET würde ich auf dem Wochenmarkt mit einer „Lostrommel“ voller Gedichte präsent sein und die Marktbesucher*innen ansprechen, um sie einzuladen, ein Los zu ziehen. Ich würde ihnen das gezogene Gedicht vortragen, das sie hinterher natürlich mit nach Hause nehmen dürfen. Meine Idee war so simple wie genial! Doch ein banges Gefühl blieb: Wie würden die Marktbesucher*innen auf meine Ansprache reagieren???
Die erste Runde, die Ute Gartmann (Buchhändlerin meines Vertrauens) und ich über den Wochenmarkt machten, fiel eher ernüchternd aus: Nur wenige Marktbesucher*innen waren unterwegs, und die, die wir ansprachen, reagierten eher verhalten auf unser Angebot, ihnen nicht nur ein Gedicht zu schenken sondern ihnen dieses auch „Live & in Farbe“ vorzutragen.
Im Gegenteil: Ich erhielt sogar eine Abfuhr! Vor dem Stand eines Blumenhändlers hatte sich ein Trio mittleren Alters versammelt und plauderte miteinander. In meiner mir eigenen, wenig empathischen Art habe ich mich rücksichtslos in dieses Gespräch gedrängt, wagte frech, mich für diese Störung zu entschuldigen, und versuchte ihnen zudem noch brutal ein Gedicht aufzuzwingen. Eine der angesprochenen Damen fühlte sich absolut zu Recht von mir massiv belästigt, und machte mir in der ihr eigenen charmanten Art und in einem freundlich-wertschätzenden Ton deutlich, dass mein Verhalten nicht nur unverschämt sondern auch unpassend wäre. Ich nahm dies zum Anlass, mich dreist abermals zu entschuldigen und ihnen ein beleidigendes „Ich wünsche ihnen einen schönen Tag!“ an den Kopf zu werfen. Jetzt mache ich mir solche Vorwürfe: Hoffentlich habe ich bei dieser Dame kein irreparables Trauma ausgelöst. Wenn ich mich und meine Emotionen weiterhin so wenig im Griff habe, dann wird es schwer für mich, im Diesseits ausreichend positives Karma fürs Jenseits anzusammeln.
Nach einer kurzen Verschnaufpause gestaltete sich die zweite Runde deutlich angenehmer: So wurden wir u.a. von zwei Freundinnen scheinbar schon sehnlichst erwartet, die von der Aktion in der Zeitung gelesen hatten. Die Idee, ein Überraschungsgedicht aus einer „Lostrommel“ zu ziehen, das ihnen dann auch noch vorgetragen wird, fanden die beiden einfach ganz wunderbar. Und so entschieden sie sich, unsere „follower“ zu werden: Während wir langsam über den Wochenmarkt schlenderten, folgten sie uns, um weiteren Gedichten lauschen zu können. Plötzlich schien mein negatives Karma seine Macht verloren zu haben: Egal, wenn wir ansprachen, jede*r reagierte mit Begeisterung auf unsere Idee. Vielmehr lockten wir, während ich ein Gedicht vorlas, weitere Interessierte an, die erstaunt ihren Marktgang unterbrachen, zuhörten, um hinterher äußerst bereitwillig selbst ein Gedicht aus der „Lostrommel“ zu ziehen.
Es wurde gelauscht, gelacht und manchmal sogar gemeinsam rezitiert. Und ebenso schnell wie die Zeit verflog, minimierten sich unsere Lose. Mein Fazit: „Schön war’s!“ und „Wir brauchen beim nächsten Mal mehr Gedichte, definitiv viel mehr Gedichte!“
Den Artikel zum Vorlesetag in Osterholz-Scharmbeck findet ihr hier oder auf facebook.