URLAUBSLEKTÜRE 2025

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Sommerzeit ist Urlaubszeit,…

…und das bedeutet, es kann wieder unbeschwert in den Tag hineingelebt werden. Da stört uns kein penetranter Blick auf die Uhr, da wir zum Glück keine dringenden Termine wahrnehmen müssen, die unseren Tag in kleine Häppchen zerteilen. Die Tage stehen uns zur freien Verfügung, und dies können/dürfen/sollten wir nutzen, um unbeschwert in eine Geschichte einzutauchen – gänzlich ohne Angst, irgendetwas „Wichtigeres“ zu verpassen.

Die Auswahl der Urlaubslektüre darf da gerne vielfältig sein: Die einen lieben einen zünftigen Krimi, die anderen greifen zu einem Klassiker, wieder andere schmökern in einem fesselnden Roman.

Auch in diesem Jahr habe ich mich bemüht, aus den von mir gelesenen Büchern der vergangenen 12 Monate eine kleine, urlaubstaugliche Auswahl zu treffen.


Beginnen möchte ich den Reigen mit einer äußerst populären Spürnase: Zu Miss Marple gibt es zwölf neue Geschichten, die nicht aus der Feder von Agatha Christie stammen. Vielmehr haben sich namhafte Autorinnen der Figur angenommen und mit Talent und Respekt weitere tolle Kriminalfälle kreiert. Alan Bradley ließ seine Fans ganze 5 Jahre zappeln, bis endlich Flavia de Luce wieder die literarische Bühne betrat, und somit ihre spannende Geschichte weitererzählt wurde. Kate Atkinson legte einen aufregenden Roman zwischen Gesellschaftsstudie, Sittengemälde und Kriminalroman vor, der zudem in den „Roaring Twenties“ spielt.


Dieser Autor war für mich eine wahre Entdeckung: Sasha Filipenko gelingt das Kunststück, die Melancholie und Tristesse in seinem Roman durch ein feines Netz aus Humor aufzuhellen. Kathrin Aehnlich warf wieder einen liebevollen Blick auf die Menschen in den so genannten neuen Bundesländern und beschreibt die Charaktere in ihrer Geschichte voller Wärme. Saša Stanišić war Entdeckung wie Offenbarung für mich: Seine Erzählungen sind warmherzig, humorvoll und melancholisch – einfach wundervoll.


Sind wir alle nicht hin und wieder ein wenig neugierig und möchten erfahren, wie es hinter den Kulissen so zugeht? Mit spitzbübischer Freude schenkt uns Rainer Moritz einen humorvollen Blick in die (Un-)Tiefen der Buchbranche. Heinrich Spoerls Klassiker um den scheinbaren Pennäler „Pfeiffer mit drei Eff“ hat in all den Jahrzehnten nichts von seinem Charme verloren und amüsiert auf ganzer Linie. Von Winifred Watsons federleichtem Unterhaltungsroman gibt es hier noch keine Rezension, da ich ihn erst vor kurzem ausgelesen habe. Doch ich wollte euch diese wunderbar beschwingte Geschichte nicht vorenthalten.


Allen Büchern ist gemein, dass sie mich ausnehmend gut unterhalten haben, und so hoffe ich sehr, dass sie auch euren Geschmack treffen und euch wohlige Lese-Stunden schenken.

Die Fachleute in der Buchhandlung eures Vertrauens stehen euch gerne mit Rat und Tat zur Seite und sind sowohl bei der Suche als auch bei der Beschaffung dieser oder einer anderen Urlaubslektüre mit Freude behilflich! 💖

Ich wünsche euch einen wunderbaren Urlaub
mit viel Spaß beim entspannten Schmökern!!!

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LESE-HIGHLIGHTS 2024…

Altes Jahr vergeht.
Wange in die Hand gestützt,
blicke ich ihm nach.

Chô-i

So wie der japanische Dichter Chô-i es zwar knapp aber treffend schon vor hunderten von Jahren beschrieben hatte, erging es mir beim Schreiben dieses Beitrags.

Ich schaue auf das Jahr 2024 mit gemischten Gefühlen: Da gab es so manche Krisen bzw. krankheitsbedingte Rückschläge, die mich zum Nachdenken zwingen… (Nein! Ich werde nicht gezwungen. Vielmehr werde ich aufgefordert.) …die mich zum Nachdenken auffordern. Ich empfinde es wahrlich nicht als Zwang. Ich sehe es vielmehr als Chance! Im Neuen Jahr wird es Veränderungen geben: Wie und in welchem Umfang wird sich noch entscheiden. Um langfristig gesund zu bleiben, sollte sich in meinem Leben allerdings einiges ändern.

Doch natürlich gab es nicht nur Krisen: Gottlob wurde ich mit vielen Glücksmomenten – kleinen wie größeren – beschenkt. Ich durfte viel Qualitätszeit mit meinen Herzensmenschen verbringen, erlebte etliche inspirierende Stunden im Theater und Konzert und las einige wunderbare Bücher.

Diese Aspekte meines Lebens werde ich ganz sicher nicht ändern!

Bei der Auswahl der Bücher bin ich mir gänzlich treu geblieben. Die Zeiten, in denen ich dachte, ich müsste hier mit der Vorstellung intellektuell herausfordernder Literatur meine Follower*innen beeindrucken, sind längst passé. Ich lese, was mir gefällt – unabhängig vom Alter des Werkes bzw. für welches Lesealter es ursprünglich vorgesehen war. Es gibt für mich nur eine einzige Voraussetzung: Ich möchte mich unterhalten fühlen!

Und hier sind sie nun endlich, meine Lese-Highlights des Jahres 2024…


Lese-Highlights 2024 - Buchcover


  • Ende Februar wurde der 125. Geburtstag von Erich Kästner gefeiert. Und auch ich ließ es mir nicht nehmen, diesen großartigen Romancier – neben einer kleinen RETROSPEKTIVE – mit Rezensionen zu DAS MÄRCHEN VOM GLÜCK und DAS MÄRCHEN VON DER VERNUFT zu gratulieren. Beide Bücher wurden phantasievoll von Ulrike Möltgen illustriert.
  • Im März tat ich etwas, was längst überfällig war: Es war mir eine große Freude, Heinrich Spoerls „Loblied auf die Schule“ DIE FEUERZANGENBOWLE zu lesen.
  • Ebenfalls im März begeisterte mit Kathrin Aehnlich mit ihrem Roman DER KÖNIG VON LINDEWITZ. Immer wieder schafft sie es, den Menschen im Osten unsere Landes eine Stimme zu geben.
  • Im April hielt ich dann das wunderbare Lese- und Bilderbuch FESTE DER WELT mit den Texten von Joanna Kończak in den Händen, das von Ewa Poklewska-Koziełło ebenso wunderbar illustriert wurde.
  • Der Mai bescherte mir mit DER TWYFORD-CODE von Janice Hallett einen ganz ungewöhnlichen Roman, der komplett aus Transkriptionen von Audiodateien bestand. Spannend!
  • Absolut Entzückendes erwartete mich im August mit SO ZÄRTLICH WAR SULEYKEN von Siegfried Lenz. Dieses kleine ostpreußische Dorf im Masurenland mit seinen liebenswert-kauzigen Menschen war mir schnell ans Herz gewachsen.
  • Im September feierte auch ich den Weltkindertag: Grund genug mich mit MEIN GROSSER MÄRCHENSCHATZ. Das Original aus den 70ern der Brüder Grimm auf eine kleine Zeitreise in meine eigene Kindheit zu begeben.
  • Der September überraschte mich auch mit dem Erzählband MÖCHTE DIE WITWE ANGESPROCHEN WERDEN, PLATZIERT SIE AUF DEM GRAB DIE GIESSKANNE MIT DEM AUSGUSS NACH VORN von Saša Stanišić, das mich so sehr begeistern konnte.
  • Im Oktober wurde es schaurig-schön mit DAS PHANTOM DER OPER von Gaston Leroux in der überzeugenden Neu-Übersetzung Rainer Moritz.
  • Der Oktober blieb weiter spannend, da ich mit Sasha Filipenko und seinem Krimi  DER SCHATTEN EINER OFFENEN TÜR einen sehr interessanten Autor entdeckte.
  • Ende November geschah ein kleines Wunder, das mich selbst überraschte: Mit Agatha Christies HERCULE POIROTS WEIHNACHTEN von Isabelle Bottier (Text) und Callixte (Illustrationen) konnte mich endlich eine Graphic Novel überzeugen.
  • Im Dezember wurde es humorvoll-besinnlich mit den entzückenden Geschichten wie DER GESTOHLENE WEIHNACHTSBAUM von Hans Fallada, zu denen Ulrike Möltgen (wie schon bereits bei Erich Kästner) ihre zauberhaften Illustrationen beisteuerte.

…und das war er wieder, mein Lese-Rückblick auf das Jahr 2024, das wir in wenigen Tagen ad acta legen können. Da bleibt mir nur noch eins:

Ich wünsche Euch einen guten Rutsch ins Neue Jahr 2025!

Liebe Grüße
Andreas

[Rezension] Kathrin Aehnlich – DER KÖNIG VON LINDEWITZ

Mit ihrem Roman WIE FRAU KRAUSE DIE DDR ERFAND konnte Kathrin Aehnlich mich nicht nur überzeugen sondern auch begeistern. Schon in ihrem Erstlingswerk warf sie einen humor- wie liebevollen Blick auf die Menschen in den so genannten neuen Bundesländern. Dabei sind die „neuen“ Bundesländer nach 35 langen Jahren der Wiedervereinigung bei weiten nicht mehr neu. Sie sind gealtert. Auch die dort lebenden Menschen sind älter geworden. Ihr Leben hat sich durchaus verändert, aber trotz allem haben die gemeinsame Vergangenheit und die persönlichen Schicksale immer noch einen großen Einfluss auf ihr Denken und Handeln…

Bruno Henker weiß mehr als andere. Er kennt die Lebensläufe und Familiengeschichten, auch die Geheimnisse der Lindewitzer. Er weiß, warum der eine trinkt, wer wen verraten hat, wer Zugang zu den begehrten Westwaren hatte, und warum das herbeigesehnte neue leben viele nicht glücklicher macht. Warum Claudia, die sich nach der weiten Welt gesehnt hat, als Touristenführerin in Lindewitz hängen blieb. Warum sich im Leben der 1923 geborenen Zwillinge Anne und Marie die Geschichte des ganzen Jahrhunderts spiegelt. Warum Tante Mausi, die mit 93 Jahren in einem Pflegeheim lebt, sich von ihrem Großneffen täglich eine Flasche Rotwein bringen lässt. Warum Claudius immer noch mit seiner fast hundertjährigen Mutter zusammenwohnt. Warum Benedikt es zum Entsetzen der Familie vorzog, nach einem mit Bravour absolvierten Jurastudium einen Späti in Tante Huldas ehemaligem Gemischtwarenladen zu eröffnen. Bruno weiß auch, wie sich das Viertel durch die „Vorkommnisse“ vor einem Jahr verändert hat. Diesen Überfall der Rechten auf das Viertel, die Nacht, in der sie die Scheiben eingeschmissen und brennende Fackeln auf die Dächer geworfen haben. Und warum darüber geschwiegen wird. Aber hat Schweigen je geholfen?

(Inhaltsangabe dem Klappentext des Buches entnommen!)

Lindewitz steht stellvertretend für einen Stadtteil in irgendeiner größeren Stadt im Osten der Republik. Alles scheint hier seinen gewohnten Gang zu gehen: Die Bewohner*innen haben sich in ihrem Mikro-Kosmos eingerichtet. Man kennt sich, kennt auch die Geschichten der Familien und weiß, wer mit wem warum und wie… – Naja, geht ja niemanden etwas an. Ist ja schließlich so ’ne Familienangelegenheit,…

…und dann wird geschwiegen, geschwiegen und weggeschaut. Und plötzlich sind da Kräfte am Werk, die niemand haben wollte. Plötzlich tauchen Gestalten auf, die mit Ihrer Haltung und ihren Handlungen das gemütliche Leben in Lindewitz auf den Kopf stellen. Plötzlich? Nein, diese subversiven Elemente agieren schon viel, viel länger. Denn etwas nicht sehen (wollen), bedeutet nicht, dass es nicht da ist!

Kathrin Aehnlich siedelt ihre Geschichte im Osten unseres Landes an, um so vor dem Hintergrund der DDR-Vergangenheit eine plausible Begründung sowohl für das Handeln wie auch für das Ausharren der Menschen zu bieten. Ja, es sind eben „nur“ Menschen und keine Heiligen oder Helden. Es sind Menschen: fehlerhaft, unvollkommen und doch einzigartig. Schnörkellos erzählt die Autorin uns ihre Geschichten: Sie alle haben ihre ganz individuellen „Alt-Lasten“, mit denen sie versuchen umzugehen. Viele dieser „Alt-Lasten“ wurden tief in der Seele verscharrt, in der Hoffnung, dass sie nie wieder zutage treten mögen. Doch dann passiert etwas Unvorhergesehenes, etwas schier Unmögliches, und Wunden werden aufgerissen, die dann bluten und schmerzen.

Voller Wärme skizziert die Autorin ihre Charaktere und entblättert Seite für Seite die jeweiligen Schicksale – sowohl im hier und jetzt, wie auch in der Vergangenheit. Und je mehr ich von diesen Menschen und ihren Lebensläufen erfahre, umso mehr reift in mir folgende Erkenntnis: Nein, Heilige sind sie ganz bestimmt nicht. Aber Helden sind sie auf jedem Fall!

Kathrin Aenlichs Geschichte ist – trotz einem ernsten Grundton – absolut ermutigend und lebensbejahend, voller Humor und einer großen Portion Respekt für die einfachen Menschen.

Und: Ja, in diese Geschichte liegt Lindewitz im Osten. Aber gibt es ein Lindewitz nicht überall…?


erschienen bei Kunstmann / ISBN: 978-3956145834

Ich danke dem Verlag herzlich für das zur Verfügung gestellte Leseexemplar!

[Rezension] Kathrin Aehnlich – WIE FRAU KRAUSE DIE DDR ERFAND

„Wild Ost“ lautet der Arbeitstitel einer 6-teiligen Fernsehserie, die erstmals vom wahren Leben in der ehemaligen DDR erzählen soll. Isabella Krause, ein Kind des Ostens und am „Tag der Republik“ geboren (…Zufall, da bei der Frau Mama die Wehen zu früh einsetzten!), stolpert als durchaus gelernte aber erfolglose Schauspielerin in ein Casting und erhält den Auftrag zehn ganz normale Ost-Deutsche zu finden, die von ihrem Leben unter diesem politischen Regime erzählen. Frau Krause findet sie: authentisch, unverstellt und ganz normal. Doch dem westdeutschen Regisseur sind diese Menschen zu normal und (vor allem) zu unspektakulär. Er will das brutale, ehrliche Leben – oder vielmehr: das Leiden – unter Diktatur, Mangelwirtschaft und Staatssicherheit sehen. So bleibt Frau Krause nichts anderes übrig, als die realen Schicksale mit Hilfe ihrer Schauspielfreunde „aufzuhübschen“…!

Was ist übrig geblieben nach 30 Jahren Wiedervereinigung? Welche Klischees sind standhaft im west-deutschen Gedächtnis haften geblieben? Wie war es denn, das Leben der anderen? Die Deutsche Demokratische Republik bestand eben nicht nur aus Diktatur, Mangelwirtschaft und Staatssicherheit. Für die dort lebenden Menschen war dieses Land vorrangig Heimat…, Heimat und ein Zuhause: Da wird sich arrangiert und werden Kompromisse gefunden. Niemand (egal ob in Ost oder in West) hinterfragt seine Heimat. Wir werden hineingeboren und sehen es als gegeben an. Als Zuhause gilt ganz sicher nicht das vorherrschende politische Regime sondern die Familie, die Freunde und Arbeitskollegen, der Heimatort und die Landschaft. So war auch ein friedliches, „ganz normales“ Leben in der DDR möglich.

Kathrin Aehnlich räumt mit den Klischees zwischen Ost und West auf. Dabei geht sie sehr behutsam vor, demaskiert weder die Menschen im Osten noch im Westen des Landes, offenbart aber auch die Tragödien, die hinter der Wiedervereinigung stecken.

„Wiedervereinigung“ ist auch so ein Wort, das nicht richtig benennt, was es beschreiben soll! „Wiedervereinigung“ klingt nach „Zwei Partner, die getrennt wurden, finden wieder zueinander!“. Trifft es das? Hatten wir es mit zwei gleichberechtigten Partnern zu tun? Ich hatte eher den (natürlich subjektiven) Eindruck, dass der Osten seine Identität verlor und sich dem Heilsbringer West beugen musste. Auch durchaus Positives aus dem Osten wurde zur Seite gedrängt oder verwestlicht.

Ich kann mich noch sehr gut erinnern: Nach Öffnung der Grenze und nachdem die erste Euphorie abgeklungen war, veränderte sich die Stimmung im Westen. Niemanden ging es trotz Aufbau Ost und Solidaritätszuschlag schlechter, und trotzdem wurden „kritische“ Stimmen laut und die Vorurteile geschürt: „Der Ossie nimmt uns die Arbeitsplätze weg.“, „Der Ossie weiß ja gar nicht, wie man richtig arbeitet.“ und „Die sollen die Mauer lieber wieder aufbauen – aber diesmal 3 Meter höher…!“. Übrigens erklangen in Ost wie in West ähnliche Töne zur Flüchtlingswelle in der jüngeren Vergangenheit.

Die gewaltfreie Revolution vor 30 Jahren mit der anschließenden Wiedervereinigung ist ein Meilenstein unserer Geschichte. Wir können wahrlich stolz sein!

Kathrin Aehnlich ist ein wunderbares, kleines Buch gelungen, das anschaulich einen humorvollen Einblick in die gesamtdeutsche Seele gewährt und gleichzeitig zart und pointiert Schicksale porträtiert. So stehen diese kleinen, anrührenden Lebensläufe zurecht im Zentrum der Aufmerksamkeit des Lesers und bilden den Schwerpunkt des Romans und nicht die Titelgebende „Erfindung der DDR“.


erschienen bei Kunstmann/ ISBN: 978-3956143168

Ich danke dem Verlag herzlich für das zur Verfügung gestellte Leseexemplar!