Komödie von Karl Bunje
Niederdeutsche Bühne Waterkant / Kleines Haus am Stadttheater Bremerhaven
Bei der Niederdeutschen Bühne Waterkant stehen – wie übrigens auch bei meiner Heimatbühne Scharmbecker Speeldeel oder (wie sie seit einigen Jahren heißt) TiO – Theater in OHZ – ambitionierte Amateure auf der Bühne, die mit viel Enthusiasmus in ihrer Freizeit dafür sorgen, dass die niederdeutsche Sprache gepflegt wird. Dabei können sie in vielfacher Form die Hilfe von Profis in Anspruch nehmen: So bietet der gemeinsame Dachverband, der Niederdeutsche Bühnenbund, etliche Fortbildungen zu unterschiedlichen Schwerpunkten wie Bühnenbau, Beleuchtung oder Schauspielerei an, an denen die Mitglieder der angeschlossenen Bühnen teilnehmen können. Viele Bühnen engagieren zur Realisation eines Stückes durchaus auch professionelle Regisseur*innen und profitieren von deren Expertise. Trotzdem stehen hier immer noch Abend für Abend, Vorstellung für Vorstellung Amateure auf der Bühne, die neben Familie, Arbeit und/oder Studium sich diesem Hobby mit Elan widmen. All dies habe ich selbstverständlich in meiner Beurteilung einfließen lassen.
Knecht Jan und Magd Taline bewirtschaften den Herkenhof mit Hilfe des Flüchtlingsmädchens Marie. Jungbauer Heiko, aus dem Krieg heimgekehrter Frauenschwarm, brennt lieber Schnaps, macht Schwarzmarktgeschäfte und treibt sich mit der leichtlebigen Helga herum, der Tochter des Dorfpolizisten Fied, die ihn gern heiraten würde, aber nicht arbeiten mag, schon gar nicht in der Landwirtschaft. Dabei müsste dringend der Kuhstall ausgemistet und der Weidezaun repariert werden. Als Fied eine Totalrevision ankündigt, verlegen Heiko und Jan die Schwarzbrennerei in einen Alkoven, den sie durch einen Schrank betreten. Nun kann das Geschäft mit dem selbstgebrannten Schnaps, der von so guter Qualität ist, dass selbst Wachtmeister Fied ihn für legale Ware hält und gerne ein Schlückchen trinkt, im großen Stil aufgezogen werden. Indes, der Hof droht völlig zu verkommen. Also verspricht Heiko, diejenige Frau zu heiraten, die ihm den Stall ausmistet. Er ahnt nicht, welche Probleme er sich damit an den Hals schafft.
(Inhaltsangabe der Homepage des Stadttheaters Bremerhaven entnommen.)
Profi-Regisseur Martin Kemner bringt eine solide, doch wenig inspirierende Inszenierung auf die Bretter. Leider versäumte er es, einige typische Fehler, die bei Laienspielern gerne mal auftauchen, auszumerzen: Da steht jemand in der Mitte der Bühne und ruft nach einer Person, die sich hinter der Bühne befindet, die nicht nur sofort auf diesen Ruf antwortet sondern sogar binnen Sekunden hinter einer der Bühnentüren erscheint. Sehr unglaubwürdig! Oder es wird auf die Reaktion eines Mitspielers reagiert, obwohl dieser nicht angesehen wurde. Sehr unglaubwürdig! Mir wurde damals eingebläut, dass eine Reaktion immer begründet sein muss. Der Leitspruch lautete „sehen, analysieren, reagieren“. Hier wäre der helfend-unterstützende Einfluss des Profis vonnöten gewesen.
Das Bühnenbild von Profi Mathias Betyna ist in seiner Kargheit rein zweckmäßig: Nur das Nötigste steht auf der Bühne. Dekorierenden Firlefanz, der für eine zeittypische Atmosphäre sorgen könnte, sucht der Zuschauer vergebens. Ein Lichtblick sind die ansprechenden Kostüme von Viola Schütze, die genau auf jeden Charakter abgestimmt wurden.
Das Ensemble setzt sich aus erfahrenen Platt-Snackern und jungen Frischlingen, denen das Platt weniger geschmeidig über die Zunge kommt, zusammen. Aber nur so kann es funktionieren, dass die plattdeutsche Sprache weiterlebt: Die Jungen lernen von den Alten. Carsten Lappöhn gibt einen plietschen Jan Spin, der es faustdick hinter den Ohren hat. Ein ebenbürtiges Gegenüber findet Lappöhn in Brigitte Grahn, die Taline handfest und herzensgut Leben einhaucht. Heiko Herkens ist bei Sebastian Frese eher der pragmatische Kerl, der ganz auf seine Stellung als Jungbauer setzt und beinah erstaunt feststellt, dass weniger sein Imponiergehabe als vielmehr ein respektvoller Umgang miteinander die gewünschte Wirkung zeigt. Respekt ist genau das, was Marie stets den Menschen in ihrer Umgebung entgegenbringt: Sophia Oetjen porträtiert das Flüchtlingsmädchen als charakterfeste junge Frau mit klaren Prinzipien. Verena Hoechst schafft in ihrer gelungenen Darstellung der Helga das Kunststück, dass das Publikum diesem Flittchen alles Schlechte wünscht. Das Gegenteil wünscht man ihrem Bühnenpapa Fied, dem Wolfgang Wellbrock seine stattliche Figur leiht und mit komödiantischen Attitüden ausstattet.
Alles in allem ist dies – trotz des einen oder anderen Wermuttropfens – eine unterhaltsame und kurzweilige Inszenierung dieses Komödien-Klassikers!
Als ich im Jahr 1991 mit jugendlichen 21 Jahren zum ersten Mal in einem plattdeutschen Schwank mitspielte, gab mir der damalige Bühnenleiter Klaus Fürst, ein erfahrener Theater-Mann, einen guten Rat bzgl. der Rollengestaltung in plattdeutschen Komödien. Er sagte zu mir Weißt Du, Andreas, in den plattdeutschen Schwänken dürfen die Alten alle einen Vogel haben. Doch das junge Paar darf keinen haben. Das junge Paar muss frisch, natürlich und adrett sein – selbstverständlich mit der obligatorischen Kuss-Szene, damit sich die älteren Herrschaften im Publikum an die eigene Jugend erinnern und denken „Hach, wie war das schön!“. Und an dieser Devise habe ich mich gehalten,…
…dann hob sich heute vor genau 27 Jahren der Vorhang in der großen Scheune auf Gut Sandbeck in Osterholz-Scharmbeck zur Premiere von Karl Bunjes Komödien-Klassiker UP DÜVELS SCHUVKAR mit mir in der Rolle des Jungbauern Heiko Herkens. Ich denke sehr gerne an diese Rolle zurück, die gleichzeitig wunderschön aber auch durchaus herausfordernd war. Denn hier konnte ich mich nur bedingt an den Rat von Klaus Fürst halten. Die Hintergründe: Das Stück spielt im Jahre 1946. Der zweite Weltkrieg war gerade vorbei. Die Bevölkerung ist vom Krieg gezeichnet und leidet unter den Entbehrungen der Nachkriegszeit. Jede*r hatte Dinge erlebt oder gesehen, die prägend waren.
In einer Komödie, die zu einer solchen Zeit spielt, konnte auch ein junges Paar nicht „nur“ frisch, natürlich und adrett sein. Wie alle im Stück auftretenden Charaktere ist auch Heiko Herkens von seinen Erlebnissen im Krieg beeinflusst, und trotz aller Dramatik und aller Schwere handelt es sich bei diesem Stück immer noch um eine Komödie. Und so bemühte ich mich in meiner Rollengestaltung um den Spagat zwischen ekeligen Kotzbrocken und liebenswerten Kerl, denn hinter der aufbrausenden Fassade wollte ich immer noch den sympathischen jungen Mann durchschimmern lassen. Schließlich sollte es ja glaubhaft über die Rampe kommen, warum Taline und Jan ihm zur Seite stehen, Helga sich in ihn verguckt und Marie sich sogar in ihn verliebt. Ein durchaus ambivalenter Charakter, dessen Verkörperung gerade darum wunderschön und herausfordernd war. Ich habe diese Rolle geliebt!
Es gibt für Euch noch bis Anfang April etliche Gelegenheiten, um bei der Niederdeutschen Bühne Waterkant UP DÜVELS SCHUVKAR aufzuspringen.