[Rezension] Waltraud Ferrari – DIE BRÜCKE AUS EIS

Es ist schon einige Zeit her, da war ich mit der Autorin Waltraut Ferrari aus gänzlich anderen Gründen im Kontakt – nicht wissend, dass sie als Kinderbuch-Autorin tätig ist. Und dann trudelte im vergangenen Jahr völlig überraschend ihr aktuelles Buch bei mir ein. Zum besagten Zeitpunkt war meine Planung zur Rubrik LEKTÜRE ZUM FEST schon gänzlich abgeschlossen, und – wie in jedem Jahr – warteten bereits etliche Leseexemplare auf meine Rezension. So musste ich Frau Ferrari bedauerlicherweise vertrösten. Doch umso gespannter war ich nun auf ihre Geschichte und freute mich auf gemütliche Lesestunden…

Wundervoll und unheimlich ist es hier: Albin und Valeria sind mit Oma Klara weit ins Wintertal gewandert, um Tannenzweige zu sammeln. Was sie spüren, aber nicht sehen: Lucius Silberpfote, der Bote aus dem „lichten Reich”, ist ihnen auf der Spur. Der Luchs wittert: Die beiden Kinder können die geheimnisvollen Aufgaben und Rätsel lösen. Und die „Brücke aus Eis“ finden, die die reale Welt und das lichte Reich verbindet, ins „Innere“ führt. Unterstützt von den Schneefrauen und den Herren der wilden Fröste begeben sich Albin und Valeria auf eine Abenteuerreise.

(Inhaltsangabe der Homepage des Verlages entnommen!)

Waltraut Ferrari bedient sich bei ihrer Geschichte durchaus bekannter Zutaten: Da gibt es eine geheimnisvolle Burg mit einem verschollenen Kunstwerk (Achtung: Nebenhandlung!) sowie sprechende Tiere und mystische Wesen. Natürlich darf auch der erwachsene Freund der Kinder nicht fehlen, der gerne als Retter in der Not auftaucht. Im Mittelpunkt steht natürlich unser*e Held*in: Albin und Valeria, zwei Kinder von unterschiedlicher sozialer Herkunft, die sich angefreundet habe. Dann gibt es noch Valerias Oma Klara, die zufrieden im Einklang mit der Natur lebt („Oma Klaras Lieblingsrezepte“ gibt es im Anhang des Buches), und die Mutter von Albin, die eher modern orientiert ist und der die Freundschaft ihres Sohnes zu Valeria anfangs alles andere als recht zu sein scheint.

Schon befürchtete ich, es würde sich eine unnötige und ermüdende Dramatik à la „überkandidelte Reiche“ vs. „bodenständige Arme“ entwickeln und mit dem erhobenen Zeigefinger der Moral gewedelt werden. Ich bin der Meinung, wenn ein*e Autor*in es nötig hat, die Handlung mit solchen platten Attitüden künstlich aufzublasen, um so Spannung zu erzeugen, die/der sollte doch bitte die Hände von der Schreiberei lassen. Bei Ferrari ist die Reaktion der Mutter eher der Sorge (gepaart mit ein klein wenig Eifersucht) geschuldet, da sie die Freunde ihres Sohnes noch nicht ausreichend kennt bzw. einschätzen kann. Doch sie ist bereit, dies nachzuholen und zu lernen.

Allgemein sind die Personen sehr generös zueinander. Hier steht ein friedliches und unterstützendes Miteinander im Vordergrund. Es geht um Menschlichkeit und Respekt, die Pflege von Freundschaften und die Förderung des Gemeinsinns. Ein echter Antiheld, der Reibungsfläche bieten und somit für Spannung sorgen könnte, sucht man vergebens.

Apropos Spannung: Diese zieht die Geschichte im Wesentlichen daraus, dass die Autorin sich bei ihrer märchenhaften Geschichte nicht auf ein bestimmtes Genre festnageln lässt. Wir Deutschen denken ja so gerne in Schubladen und brauchen eine deutliche Zuordnung. Waltraut Ferrari verweigert uns diese. Stattdessen nimmt sie Anleihen bei den Romanen von Enid Blyton, vermengt dies mit ein wenig Fabel und würzt alles mit einer Prise nordischer Mythologie. Damit revolutioniert sie zwar nicht die Kinderbuch-Szene, fügt aber eine weitere charmante Farbnuance hinzu, die sich nie plakativ in den Vordergrund drängt.

Vielmehr gab sie mir als Leser den Impuls, sich meiner eigenen Phantasie bewusst zu werden und sich ihr hinzugeben. Als ich diese reizende Geschichte las, startete der Projektor meines Kopfkinos und löste eine Flut an Bildern aus. So entstanden z. Bsp. beim Lesen der Szenen, die bei den Schneefrauen und den Herren der wilden Fröste spielten, vor meinem inneren Auge ein detailreiches Szenario wie aus einem der wundervollen tschechischen Märchenfilme.

Waltraut Ferrari schickt mit ihrem Roman einen Appell an die Leser*innen, dass wir in unserem lauten und hektischen Alltag auch Platz für die leisen Momente schaffen, in denen wir eine heilsame Stille zulassen, wahrnehmen und genießen können. So ist der Autorin eine wahrlich phantasievolle Geschichte gelungen, die mit einer wunderbar wohltuenden Ruhe erzählt wird.


erschienen bei leykam / ISBN: 978-3701181643
Ich danke der Autorin herzlich für das zur Verfügung gestellte Leseexemplar!

[Rezension] Erich Kästner – DAS FLIEGENDE KLASSENZIMMER (Hörspiel)

Wie fühlt es sich für mich an, wenn ich Erich Kästner lese? Ich werde warm umarmt und von einer Welle aus Humor, Weisheit und Menschlichkeit umspült. Er schafft es wie kein anderer Literat, dass mir seine Werke auch beim wiederholten Lesen niemals langweilig werden. Vielmehr entdecke ich immer wieder neue Aspekte, die mich berühren und/oder zum Nachdenken anregen.

Doch würde dies im gleichen Maße auch eine Adaption schaffen? Bei den älteren Verfilmungen gelingt dies ganz famos, da hier der Meister am Entstehungsprozess elementar beteiligt war. Nun habe ich zum ersten Mal einem Hörbuch, das auf einem seiner Werke basiert, gelauscht…


1 CD/ DAS FLIEGENDE KLASSENZIMMER von Erich Kästner (1964)/ Produktion & Hörspielbearbeitung: Kurt Vethake/ Regie: Benno Schurr/ mit Heinz Schimmelpfennig, Wolfgang Reinsch, Ludwig Thiesen, Hannes Tannert, Maja Scholz, Irene Marwitz, G. Noebel, Rainer Baudisch, Lutz Hochstrate, Thomas Rosengarten, Tim Elstner, Karl-Heinz Butzen, Herbert Dardel u.a.


Seit Jahren sind die Schüler aus dem Internat Kirchberg und von der benachbarten Realschule verfeindet. Beide Gruppen denken sich die verrücktesten Streiche aus, um die anderen zu ärgern. Als die Realschüler die Diktathefte der Gymnasiasten klauen und dabei auch noch einen Schüler gefangen nehmen, hört der Spaß allerdings auf: Uli, Matthias und ihre Freunde fordern die Realschüler zum alles entscheidenden Kampf auf.

(Inhaltsangabe der Homepage des Verlages entnommen!)

Schon zu meiner Rezension des Romans DAS FLIEGENDE KLASSENZIMMER fiel es mir schwer, die Inhaltsangabe für eine Geschichte zusammenzuschustern, in der so viel passiert. Wie mag es da den Verantwortlichen des vorliegenden Hörspiels ergangen sein, die sich der herausfordernden Aufgabe stellen mussten, ein komplexes Werk auf eine vertretbare Länge (in diesem Fall: 51 Minuten) kürzen zu müssen? Da werden Handlungsstränge zwangsläufig nur komprimiert wiedergegeben. Einige Aspekte können nur angerissen werden, andere fallen völlig weg. So taucht die titelgebende Schulaufführung nur als Randerscheinung auf, und auch das Wiedersehen zwischen Dr. Johannes „Justus“ Bökh und dem Nichtraucher wird arg verkürzt wiedergegeben.

Wie die obige Inhaltsangabe des Verlages offenbart, wurde der Schwerpunkt auf die Fehde zwischen den Schülern der unterschiedlichen Schulen gelegt. Dies gelingt Kurt Vethake mit seiner Hörspielfassung auch sehr charmant. Regisseur Benno Schurr sorgt in der Umsetzung für ausreichend jugendlichen Elan und lässt die vor allem jungen Sprecher sehr natürlich agieren.

Die Jungenschar war durchweg talentiert besetzt und wirkte so homogen in ihrem Zusammenspiel, dass ich niemanden hervorheben möchte bzw. kann. Anfangs irritierten mich allerdings die unterschiedlichen Tonlagen der Jungs: Es klang, als wären die Einen noch weit vom Stimmbruch entfernt, während andere schon in einer reiferen Bariton-Lage brummten.

Heinz Schimmelpfennig übernimmt hier den Part, den Kästner bei den Verfilmungen gerne selbst übernommen hat, und führt als Erzähler souverän-sympathisch durch die Handlung. Wolfgang Reinsch (Dr. Bökh) und Ludwig Thiesen (der Nichtraucher) mimen überzeugend die erwachsenen Bezugspersonen der Jungs. Hannes Tannert sorgt als Professor Kreuzkamm für die kauzig-komischen Momente.

Der Geist von Erich Kästner war bei diesem Hörspiel zwar durchaus spürbar, und ich fühlte mich fraglos gut unterhalten. Doch aufgrund der Kürzungen, die zwangsläufig bei der Umsetzung für dieses Medium unerlässlich sind, konnte mich das Hörspiel emotional nicht so sehr berühren wie es Roman oder Film vermögen:

Da lache und weine ich – immer im Wechsel, und hinterher bin ich glücklich.


erschienen bei Oetinger. audio / ISBN: 978-3837301458
ebenfalls erschienen als Roman bei Atrium / ISBN: 978-3855356072 und als Hörbuch bei Oetinger. audio / ISBN: 978-3837307207

[Rezension] MUSIKALISCHER WEIHNACHTSZAUBER. Der Nussknacker / Der Messias / Das Weihnachtsoratorium

Weihnachten – das ist die Zeit der Besinnlichkeit, des zur Ruhe Kommens und der Erinnerung an Traditionen. Gerade in dieser Zeit lassen wir uns nur allzu gerne ins Ballett, Konzert und Oratorium locken, genießen die wunderbare Musik und werden von der Kunst der Darbietung verzaubert. Es ist aber auch die Zeit des Vorlesens: Entweder lesen wir selber vor, oder wir haben das unschätzbare Glück, dass uns vorgelesen wird. Wäre es da nicht schön, wenn wir all dies miteinander vereinen könnten?

Mit DER NUSSKNACKER, DER MESSIAS und DAS WEIHNACHTSORATORIUM hat der Annette Betz-Verlag drei Klassiker und saisonale Publikumslieblinge in diesem Sammelband vereint. Alle drei Werke sind bereits als Einzelbände erschienen (2017, 2020 bzw. 2018), denen jeweils eine CD beigelegt wurde. Hier gibt es nun die vergleichsweise kostengünstigere Variante: Ohne CD, dafür mit der Option, das jeweilige Hörbuch incl. der Musik zu streamen.

Jede*r Autor*in hat eine eigene Handschrift, jede*r Illustrator*in hat einen individuellen Stil. Werden da die Geschichten eher lieblos in einem Sammelband gebündelt, könnte ein verbindendes Element als roter Faden vermisst werden. Dies ist bei MUSIKALISCHER WEIHNACHTSZAUBER nicht der Fall: Das Cover, das Vorsatzpapier und die Titelblätter zu den einzelnen Geschichten sind so geschmackvoll aufeinander abgestimmt, dass die ehemaligen „Solisten“ wunderbar miteinander harmonieren, und das Buch so wie aus einem Guss wirkt.


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Susa Hämmerle erzählt die Geschichte DER NUSSKNACKER ganz traditionell und bleibt damit nah am originalen Ablauf des Märchenballetts von Pjotr Iljitsch Tschaikowsky (Warum sollte sie hier auch eine Änderung vornehmen?). Dabei skizziert sie die Figuren stets kindgerecht und streut Dialoge in die Handlung ein, um so die Motivation der Charaktere zu verdeutlichen. Damit schafft sie für mich als Vorleser die Grundlage, meinen Vortrag interessanter und abwechslungsreicher zu gestalten, als es mir bei einer bloßen Nacherzählung möglich gewesen wäre. Auch Christa Unzner bleibt bei ihren Illustrationen ganz beim Tanz. Ihre Figuren scheinen direkt dem weltbekannten Ballett entsprungen zu sein – entsprechen doch Haltung und Gestik ganz diesem Habitus. Mit flinken Strichen erzeugt sie bei den Figuren Dynamik. Ihre Szenerien verleugnen nie den Bezug zur Bühne: Mit einem atmosphärischen Setting, farbenfrohen Kostümen und einer stimmungsvollen „Beleuchtung“ verstärkt sie noch diesen Eindruck.

Für DER MESSIAS schuf Rudolf Herfurtner eine ganz neue Rahmenhandlung um den kleinen Anton, der sich mit seinem Großvater auf den Weg durch einen dunklen Wald macht, um einer Aufführung eben jenen Werkes von Georg Friedrich Händel in der großen Kirche des Nachbarortes zu lauschen. Während des Konzerts nickt Anton ein und träumt sich nach Bethlehem zu Jesus Geburt. Mit einer ganz und gar wunderbaren Ruhe erzählt der Autor diese reizende, beinah melancholische Geschichte und legt dabei besonderes Augenmerk auf die liebevolle Beziehung zwischen Anton und seinem Opa. Die Illustrationen von Anna Severynovska nehmen diese Ruhe auf. Beinah glaubte ich, die Stille eines verschneiten Winterabends wahrnehmen zu können. Ihre Bilder überzeugen sowohl durch ihre Klarheit als auch durch Detailreichtum. Besonders beeindruckend gelangen der Künstlerin die Gesichter der Figuren, die von einer ergreifenden Lebendigkeit sind.

Bei DAS WEIHNACHTSORATORIUM stammte die Rahmenhandlung ebenfalls aus der Feder von Rudolf Herfurtner. Hier begleiten wir den Jungen Thomas, wie er in der Adventszeit des Jahres 1734 die Bekanntschaft mit Johann Sebastian Bach macht, der als Kirchenmusiker und Kantor mit dem Thomanerchor sein neustes Werk zur Aufführung bringt. Thomas ist ganz beseelt, dass er als Kerzenjunge gemeinsam mit dem Chor auf der Empore der Kirche stehen und dieser einzigartigen Musik lauschen darf. Gekonnt verwebt der Autor die historische Fakten mit seiner Fiktion, verheimlicht dabei aber nicht die sozialen Missstände, unter denen die Kinder damals zu leiden hatten. Die Künstlerin Maren Briswalter schuf dafür zarte, beinah sphärische Illustrationen in einem Sepia-Ton, die an alte, verblasste Fotografien erinnern. Die Welt des 18. Jahrhunderts – insbesondere bei den historischen Bauwerken – zeigt sie ebenso detailreich, wie die Kargheit, denen die Menschen damals ausgesetzt waren.

Mit MUSIKALISCHER WEIHNACHTSZAUBER hat der Verlag einen ganz bezaubernden Sammelband geschaffen: Jedes, der hier genannten musikalischen Werke, ist absolut herausragend, und es war mir eine wahre Freude, die traumhaften Kompositionen in Kombination mit einer gelungenen literarischen wie visuellen Umsetzung wiederentdecken zu dürfen.


Anmerkung bzgl. STREAMEN:

Leider bin ich alter Zausel zu dusselig, um auf der Homepage des Verlages die Hörbücher mit Musik freizuschalten. Nachdem ich mehrmals im Rahmen der Anmeldung bei der Eingabe von Benutzername und/oder Passwort gescheitert bin, habe ich ermattet aufgegeben. So kann ich leider nichts über die Qualität der Sprecher sagen. Da der Verlag allerdings bei den Musikaufnahmen auf das Archiv des renommierten Klassik-Labels NAXOS zurückgreifen konnte, bin ich mir sehr sicher, dass die musikalische Umsetzung gelungen ist. Ich selbst habe – nach dem Anmelde-Debakel – ganz entspannt auf meine eigenen CDs zurückgegriffen und mir die Geschichten selbst vorgelesen. 😊


erschienen bei Annette Betz / ISBN: 978-3219120486
Ich danke dem Verlag herzlich für das zur Verfügung gestellte Leseexemplar!

[Rezension] Kerstin Hau – DAS LIED DES ENGELS/ mit Illustrationen von Selda Marlin Soganci

„Bald ist Weihnachten. Auf der Erde träumt jeder Käfer,
jede Katze und jedes Kind von großen Wünschen.
Andernorts träumt ein kleiner Engel von großen Taten…“

Ganz fein und zurückhaltend kommt diese Geschichte daher. Da gibt es kein großes Getöse, keinen lauten Wumms oder sonstigen Krawall, der die Aufmerksamkeit für sich einfordert. Nein, hier geht Autorin Kerstin Hau sehr leise zu Werke. Sie kreierte eine Geschichte, die gerade aufgrund ihrer Schlichtheit ganz besonders mein Herz berührt. Wie so oft bei mir sind es nicht die Bücher, die mit plakativen Mitteln versuchen auf ihre Botschaft aufmerksam zu machen. Dabei wirken die dort eingesetzten literarischen Mittel beinah wie eine billige Neon-Reklame, die grell blinkend immer wieder betont „Huhu! Hier kommt die Botschaft!“.

Engel helfen den Menschen auf vielfältige Weise: Sie trösten, beschützen oder heilen. Nur ein kleiner Engel kann seine Bestimmung einfach nicht finden. So gern möchte er den Menschen helfen. Am Weihnachtsabend dann erklingt eine Melodie, die alle Menschen froh macht – es ist das Lied des Engels. Mit einem Mal spürt er: Seine Gabe ist es, das Wunder der Weihnacht zu den Menschen zu bringen, um ihre Herzen zum Leuchten zu bringen.

(Inhaltsangabe der Homepage des Verlages bzw.
dem Klappentext des Buches entnommen!)

Ⓒ Kerstin Hau. DAS LIED DES ENGELS – Illustration Selda Marlin Soganci (1)

In Kerstin Haus Geschichte geht es „nur“ um einen kleinen Engel, der für sich noch nicht herausgefunden hat, was seine Bestimmung ist. Auf seiner Suche muss er keine spektakulären Abenteuer bestehen oder sich großen Gefahren aussetzten: Er darf sich bei den großen Engeln, die z. Bsp. als Trostengel, Schutzengel oder Heilengel den Menschen beistehen, erproben, um so besser entscheiden zu können, welche Bestimmung zu ihm am besten passt.

Da ergeht es diesem kleinen Engel nicht anders als es uns ergangen ist: Wer von uns wusste als Kind schon, was seine Bestimmung ist. Auch wir mussten uns in unserem Leben oftmals erproben und so manches Mal den einen oder anderen Umweg in Kauf nehmen, bis wir dort gelandet sind, wo wir hingehören.

Wenn wir dort gelandet sind, wo wir hingehören! Manche von uns sind leider ein Leben lang auf der Suche oder haben sich notgedrungen mit den aktuellen Begebenheiten arrangiert. Doch auch uns spricht diese Geschichte Mut zu, die Suche nicht aufzugeben. Dabei muss es nicht immer die große, allumfassende Veränderung sein. Manchmal genügen nur kleine Neuerungen, um das eigene Leben wieder erfüllter werden zu lassen. So ist diese Geschichte auch ein Plädoyer an uns Erwachsene, uns eine kindliche Neugier zu bewahren und das Große im Kleinen zu wagen.


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Selda Marlin Soganci hat bei ihren Illustrationen einen ganz eigenen, ganz besonderen Stil, der in der Wahl ihrer „Leinwand“ begründet liegt. Sie verwendet als Untergrund Fichtenholz, auf dem sie mit Gouache und Stiften malt. Als ich von dieser Technik erfuhr, hatte ich ein wenig bedenken, dass bei den Illustrationen die Holzmaserung dominieren und das Bild somit zu rustikal erscheinen könnte. Meine Bedenken waren völlig unbegründet: Leicht und zart verschmelzen die Farben mit dem Holz und schaffen so eine ganz eigene Optik.

Die Maserung dieses Naturprodukts bleibt zwar stets sichtbar, steht aber nicht im Kontrast zu den filigranen Zeichnungen, die von phantasievolle Figuren bevölkert werden. Jeder Engel erhält von der Künstlerin seine persönliche, außergewöhnliche Erscheinung, die mit vielen witzigen Details begeistert.

Die besten Bilderbücher sind eben die, die Klein und Groß, Jung und Alt gleichermaßen ansprechen: Dies ist eine zauberhafte kleine Geschichte über das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten!


erschienen bei NordSüd / ISBN: 978-3314107016
Ich danke dem Verlag herzlich für das zur Verfügung gestellte Leseexemplar!

[Rezension] ESEL HUND KATZE HAHN. Geschichten, Gedichte und Lieder von den Bremer Stadtmusikanten/ Anna Lott (Hrsg.)

Ist es nicht erstaunlich? Da werden vier altersschwache Gesellen die bekanntesten Botschafter einer Stadt, die sie nachweislich nie erreicht haben. Es klingt wie im Märchen.

Es war einmal…

…im Jahre 1819, als DIE BREMER STADTMUSIKANTEN erstmals in der Sammlung „Kinder- und Hausmärchen“ der Brüder Grimm auftauchten. Doch erst 80 Jahre später entdeckten die Bremer selbst das (Werbe-)Potenzial der vier Musikanten und wussten es als Wahrzeichen für ihre Stadt zu nutzen.

Doch irgendwie hatte ich immer schon dieses undefinierbare Gefühl, dass die Geschichte nicht zu Ende erzählt wurde: Da blieben mir zu viele Fragen unbeantwortet. Glücklicherweise kann da nun Anna Lott mit diesem Bilder-Lese-Buch Licht ins märchenhaft-nebulöse Dunkel bringen. Gemeinsam mit einer Vielzahl ihrer Schreiber- und Illustrations-Kolleg*innen, die allesamt in, um oder drumherum von Bremen zuhause sind, bleiben (beinah) keine Fragen mehr offen.

Neben Herausgeberin Anna Lott steuerten ebenfalls Michael Augustin, Carolin Helm, Jörg Isermeyer, Ulrike Kuckero, Hendrik Lambertus, Johanna Lindemann, Florian Müller und Hortense Ullrich ihre phantasievollen Geschichten, Lieder oder Gedichte bei. Die Künstler*innen Anke Bär, Bettina Bexte, Lois Brendel, Ina Clement, Mario Ellert, Martin Ernsting, Ruben Hilgert, Marie-Lulu Högemann, Olaf Kock, Tessa Rath und Valeska Scholz haben das Geschriebene wunderbar in Szene gesetzt. Entstanden ist ein ganz und gar unterhaltsames und abwechslungsreiches Buch, das mir beim Anschauen und darin Schmökern eine Menge Spaß bereitet hat.

Habt ihr euch am Ende eines Märchens nicht auch schon oft gefragt, wie es weiterging? Denn irgendwie ist eine Schlusssatz wie „…und sie lebten glücklich und zufrieden bis an ihr Lebensende!“ sehr unbefriedigend, lässt Raum für Spekulationen und verführt zu einem fordernden

„Ja, und? Was passierte DANN?“

Da lieferte das Original-Märchen unseren Kreativen sowohl Impulse, die Geschichte in mannigfaltigen Richtungen weiterzuspinnen, als auch Inspiration, sich an einer moderneren Deutung zu wagen. So eröffnet das Buch mit „Des Märchens zweiter Teil“ von Michael Augustin in den farbenfrohen Pastell-Illustrationen von Marie-Lulu Högemann und erzählt die Geschichte nicht nur logisch nachvollziehbar weiter, sondern präsentiert gleichzeitig die schon längst überfällige Auflösung zum Märchen DER RATTENFÄNGER VON HAMELN. Bei „Im Taxi durch Bremen“ begleiten wir den Dachs, wie er seine tierischen Fahrgäste per Daxi (!) durch die Hansestadt zum Weserstadion kutschiert, nichtsahnend, dass einige Fahrgäste die berühmten Musiker sind, die in eben jenem Weserstadium ihren großen Auftritt haben werden. In den drolligen Illustrationen von Valeska Scholz erkannte ich viele Orte und Sehenswürdigkeiten Bremens wieder. Aber auch den vertriebenen Räubern wird eine Geschichte bzw. eine Räuberballade gewidmet: Hendrik Lambertus berichtet in „Der kleine Räuber Balduin“ von einem raffinierten Komplott zwischen den Stadtmusikanten und dem kleinsten Räuber aus der kriminellen Bande.

Bei Jörg Isermeyer scheint es sich um einen Tolkien-Fan zu handeln: Anders kann ich es mir nicht erklären, dass er die zwei Teile seines Endzeit-Märchens „Der Lauf der Dinge“ mit „Die Gefährten“ und „Die zwei Türme“ untertitelte. Natürlich schickt er in seiner modernen Version andere Tiere (Eisbär, Rentier, Orang-Utan und eine Hummel) auf eine wichtige Mission, die mit einer reduzierten aber stimmungsvollen Farbgebung von Bettina Bexte visualisiert wurde.

Kinderliedermacher Florian Müller widmet dem dynamischen Quartett gleich fünf Songs, die von Martin Ernsting eindrucksvoll verschönt wurden. Dank Anke Bär und Max Görgen dürfen wir einen exklusiven Blick in das Tour-Tagebuch der fantastischen Vier (😉) werfen und erhalten so einen humorvollen Eindruck vom Leben dieser Superstars. Anna Lott verrät uns charmant, „Wie die Bremer Stadtmusikanten unter die Erde gekommen sind“, und liefert so die Erklärung, warum aus einem Gully vor der Bremer Bürgerschaft tierische Töne zu hören sind.

Silhouette DIE BREMER STADTMUSIKANTEN

Ach, und wer von euch nun unbedingt wissen möchte, „Warum die Bremer Stadtmusikanten nie in Bremen ankamen…!“, dem wird die entsprechende Antwort von Johanna Lindemann in ihrer zwei-geteilten Geschichte beschert, die übrigens herrlich skurril von Mario Ellert verschönt wurde. Doch natürlich darf auch das Original-Märchen von 1819 nicht fehlen, das nach wie vor seinen ganz besonderen Charme hat. Lois Brendel hat das Märchen mit eleganten Illustrationen in einer Art Linoldruck verschönt, die an die wundervollen Reliefs erinnern, wie sie noch in einigen Alt-Bremer Häusern zu finden sind.

Es gibt in diesem Buch noch so viel mehr zu entdecken, und jede*r, ob nun klein oder groß, wird dabei sicherlich seine Favoriten küren: Der einen gefällt mehr diese Geschichte, dem anderen gefällt mehr jenes Gedicht. Doch genau so soll/muss es bei einem guten Bilder-Lese-Buch sein, das so sehr verführerisch ist, dass es immer wieder nur allzu gerne in die Hand genommen wird.

Stellte sich mir nur noch die (nicht ernst gemeinte) Frage, ob der Carl Schünemann-Verlag nun zu früh oder zu spät mit diesem Buch auf dem Markt kam? Der 200. Geburtstag der vier Musiker wurde schon im Jahre 2019 ganz groß gefeiert, und ihren 205. Geburtstag haben sie erst im nächsten Jahr.

Doch im Endeffekt spielt es keine Rolle, da dieses Buch einfach nur durch und durch Freude bereitet!


Schon so einige Male sind sie mir über den Weg gelaufen, und darum gibt es hier auf meinem Blog unter dem Schlagwort DIE BREMER STADTMUSIKANTEN auch bereits einiges zu entdecken.


erschienen bei Carl Schünemann / ISBN: 978-3796112089
Ich danke dem Verlag herzlich für das zur Verfügung gestellte Leseexemplar!

[Rezension] Saša Stanišić – AVA AUF EINEM BEIN/ mit Illustrationen von Regina Kehn


👧 Heute ist WELTKINDERTAG!👦


Sie sind klein, handlich und erzählen ihre Geschichten auf 24 Seiten zu 10 x 10 cm im Quadrat. Es gibt sie seit 1954, und im Laufe der Jahre haben sie sich zu den beliebtesten deutschsprachigen Vorlesebüchern entwickelt. Teilweise sind sie Kleinausgaben von ursprünglich größeren, die meisten von ihnen wurden aber von vornherein für das kleinere Format geschrieben und illustriert. In der Zwischenzeit haben sich frühere Ausgaben zu begehrten Sammelobjekten gemausert. Ich spreche natürlich von den Pixi-Büchern, die in diesem Jahr ihr 70. Jubiläum feiern.

Doch was macht die Erfolgsgeschichte dieser kleinen Hosentaschen-Bilderbücher aus? Einerseits mit Sicherheit der günstige Preis von -,99 Cent, andererseits die Auswahl der Themen, die oftmals Situationen aus dem Leben von Kindern widerspiegeln und ihnen helfen soll, richtige Entscheidungen zu treffen. Auch waren und sind sich renommierte Autor*innen und Illustrator*innen nie zu schade gewesen, eine Geschichte im Pixi-Format beizusteuern. Waren dies in der Vergangenheit schon namhafte Schreiberlinge wie Cornelia Funke, Fatih Akin oder Peter Härtling, so haben Paul Maar, Marc-Uwe Kling, Axel Scheffler oder auch Saša Stanišić es sich nicht nehmen lassen, Pixi zum 70. Geburtstag zu gratulieren.

Saša Stanišić hat gemeinsam mit Illustratorin Regina Kehn eine ganz zauberhafte kleine Geschichte über Freundschaft geschaffen, bei der auch durchaus ernste, doch sehr hoffnungsvolle Untertöne mitschwingen.

Ava spielt mit ihren drei Freunden Ari, Anouk und Hilei: Ari kann auf einem Bein stehen, Anouk kann auf einem Bein stehen, nur Ava kann nicht auf einem Bein stehen – zumindest nicht lange genug, so dass es zählt. Das wurmt Ava. Sie schnappt sich Hilei und geht mit ihr nach Hause. Hilei ist nämlich in Wirklichkeit ein als Ente getarnter Drache und Avas engste Vertraute. Gemeinsam mit ihr und Papa hat Ava auf der Flucht schon eine Wüste durchquert. Ava und Hilei überlegen, dass es so vieles gibt, das wichtiger ist, als auf einem Bein stehen zu können, z.Bsp. Tomaten schneiden. Und sie kommen zu einer wichtigen Erkenntnis: Nicht jeder muss alles können!

Abermals ist Saša Stanišić eine warmherzige Geschichte gelungen, bei deren Entstehung seine eigene Vergangenheit Einfluss nahm. Dabei wirkt seine Erzählung oberflächlich betrachtet eher unspektakulär. Erst beim wiederholten Lesen brachten einige Zeilen mein Herz zum Schwingen und verströmten ihren poetischen Charme. So bildet der Text von Stanišić den Überbau bzw. das Grundgerüst der Geschichte, während die wunderbaren Illustrationen von Regina Kehn mir den Sub-Text zu den Personen lieferten. Gänzlich unaufgeregt, beinah nebenbei erfuhr ich noch so viel mehr von unserer kleinen Heldin, ihrer Familie und ihren Freunden. So entdeckte ich über dem Bett von Asa ein Foto von ihr und ihrer Mutter. Da schaute Avas Papa erschrocken auf die blutroten Flecke an der Wand, die Ava beim Tomatenschneiden hinterlässt. Und natürlich konnte Ari ganz toll auf einem Bein stehen: Er ist ja schließlich darin trainiert, da er als Flüchtlingskind (wahrscheinlich) aus einem Kriegsgebiet auch nur noch ein Bein hat. Solche und weitere Details boten mir Raum für Interpretationen und überzogen die fiktiven Figuren mit einem realistischen Schimmer.

Ich staune über die Kunst von Saša Stanišić und Regina Kehn, die es schafften, mit wenigen Worten und ein paar Bildern ein ganzes Leben auf nur 24 kleinen Seiten zu zaubern.


erschienen bei Pixi (im Carlsen-Verlag) / ISBN: 978-3551039293 (Pixi-Serie 295 / Nr. 2688)

[Rezension] Brüder Grimm – MEIN GROSSER MÄRCHENSCHATZ. Das Original aus den 70ern


👧 Heute ist WELTKINDERTAG!👦


Ja, auch ich bin ein Kind der 70er: Aufgewachsen mit Heidi und Priel-Blume, eingekleidet mit Pullundern in grellen Farben und Strumpfhosen ohne Füße (Eine Erfindung, die den Begriff „Strumpfhose“ ad absurdum führte und erst ein Jahrzehnt später durch den Begriff „Leggins“ ersetzt wurde.). Musikalisch fuhr ich – Dalli Dalli – mit einem Zug nach nirgendwo, nach Mendocino oder sonst wo hin, und auf die Frage „Was willst du denn mal werden, wenn du groß bist?“ gab ich im Brustton der Überzeugung als Berufswunsch „Ziegenhüter auf der Alm“ an. Wie jedes Jahrzehnt hatten auch die 70er ihre ganz eigene Ästhetik,…

…und diese Ästhetik hatte natürlich ihren Einfluss auf die Bildsprache in Kinderbüchern und war somit auch ein Ausdruck des jeweiligen Zeitgeschmacks. Dieser Umstand kann so prägend sein, dass ein Wiedersehen mit Illustrationen aus dieser Zeit zwangsläufig Erinnerungen heraufbeschwören. Ich habe damals mein Papp-Märchenbuch ständig mit mir herumgeschleppt und bei jeder Gelegenheit – egal, ob zur Tages- oder auch Schlafenszeit – darin geblättert und mir stundenlang die Bilder angeschaut. Mein Exemplar war irgendwann so abgestoßen, dass die Ecken schon ausgefranst waren und der graue Karton hervorlugte.

So war das Blättern in diesem Jubiläumsband von MEIN GROSSER MÄRCHENSCHATZ für mich ein einziges großes Déjà-vu: Über Jahrzehnte nicht an sie gedacht, sprangen nun beim ersten Blick auf die Illustrationen die Schubladen meiner Erinnerungs-Kommode auf und bescherten mir eine Lawine an wohligen Empfindungen. Da waren sie wieder, die zauberhaften Märchengestalten mit den etwas überproportionierten Köpfen, dem ausdrucksvollen Blick und den rosigen Wangen. Da gab es runde Formen und leuchtende, doch nie grelle Farben. Der Wolf war nie zu böse, der Wald nie zu dunkel, und Stiefmütter wie auch böse Feen waren nie zu garstig.

Ebenso gemäßigt präsentieren sich die Märchentexte: Sind die Originaltexte manchmal doch recht brutal, wurden hier die Geschichten dem Verständnis eines eher jüngerem Publikums angepasst und werden so nie allzu gruselig. Wobei die Texte sich ganz famos zum Vor-Lesen eignen: Wenn man sich dann noch nebeneinander gemütlich auf das Sofa kuschelt, besteht für die kleinen Zuhörer die Möglichkeit, sich währen des Vor-Lesens die wunderbaren Illustrationen anzuschauen.


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An der Illustration der vorliegenden 14 Märchen waren drei Künstlerinnen beteiligt: Während Gerti Mauser-Lichtl ihren Beitrag bei „nur“ einem Märchen leistete, und Anny Hoffmann mit zwei Märchen auf sich aufmerksam machen konnte, kreierte Felicitas Kuhn die bunten Welten für üppige elf Märchen und prägte so die Sehgewohnheit einer ganzen Kindergeneration.

Folgende Märchen sind in diesem prächtigen Sammelband enthalten:
Felicitas Kuhn Rotkäppchen / Hänsel und Gretel / Dornröschen / Die Bremer Stadtmusikanten / Der Wolf und die sieben Geißlein / Aschenputtel / Der gestiefelte Kater / Frau Holle / Das tapfere Schneiderlein / Tischlein deck dich / Der kleine Däumling
Anny Hoffmann Der Froschkönig / Rumpelstilzchen
Gerti Mauser-Lichtl Schneewittchen

Glücklicherweise vermeidet der Verlag eine absolut entbehrliche Aktualisierung der Märchen, die ursprünglich in Einzelbänden erschienen sind, und schenkt uns so eine wunderbar nostalgische Neu-Auflage dieses Märchenbuch-Klassikers aus den 70ern. So erhält die heutige Großeltern-Generation die unschätzbare Gelegenheit, sich gemeinsam mit ihren Enkeln in die Bilderwelt der eigenen Kindheit fallen zu lassen.


erschienen bei Esslinger / ISBN: 978-3480238705

[Rezension] Lene Mayer-Skumanz – BEETHOVEN. Leben und Werk des großen Komponisten/ mit Illustrationen von Winfried Opgenoorth

Er zählt zu den herausragenden Komponisten in der Musikgeschichte. In den 57 Jahren, die er auf Erden verweilen sollte, kreierte eine wahre Fülle an Kompositionen. Sinfonien, Klaviersonaten, Streichquartetts, Messen, Kantaten, Singspiele und die Oper FIDELIO sowie eine Vielzahl an Liedern und Kanons stammen aus seiner Feder und zeugen von einer immensen künstlerischen Kraft. Da ist es mehr als selbstverständlich, dass er – neben Johann Sebastian Bach und Wolfgang Amadeus Mozart – im Portfolio des Annette Betz-Verlages in der Reihe „Das Musikalische Bilderbuch“ auftaucht.

Musste ich mich bei DER KLASSIK-KANON mit einem knappen Lebenslauf auf 4½ Seiten begnügen, nimmt sich hier Autorin Lene Mayer-Skumanz den nötigen Raum und erlaubt einen deutlich detaillierteren Blick auf das Leben von Ludwig van Beethoven. Die Irrungen und Wirrungen dieses außergewöhnlichen Künstlerlebens beschreibt sie mit leichter Feder und vermeidet dabei wohltuend eine pure Aneinanderreihung von Fakten, das schnell sehr oberflächlich hätte wirken können. Vielmehr lässt sie ihre Leser*innen auch an der Tragik im Leben des Künstlers teilhaben und porträtiert dessen manchmal recht schwierigen Charakter immer mit Respekt und Sympathie.

Nun ist Leben und Werk dieses Komponisten eng miteinander verbunden, da er überwältigende Kompositionen oft aufgrund einer persönlichen Not, einer Schwärmerei oder einer unerwiderten Liebe schuf und so seine Emotionen in eine enorme musikalische Kreativität umwandelte. So gibt es im gelungenen Text von Mayer-Skumanz auch immer wieder Hinweise auf den jeweiligen Lebensumstand zu den im entsprechenden Zeitraum entstandenen Kompositionen, von denen etliche auf der beigefügten CD zu finden sind. Hier ist dem Verlag eine gute Auswahl gelungen: Wenn auch oftmals „nur“ in Auszügen bietet die Musikauswahl einen gelungenen Querschnitt aus Beethovens Œuvre. Allerdings hätte ich mir gewünscht, dass im Text die entsprechende Track-Nummer vermerkt worden wäre, um mir eine Verknüpfung zwischen Text, Musik und Bild zu erleichtern.

Die Illustrationen von Winfried Opgenoort nehmen immer wieder Bezug auf im Text erwähnte Details und erinnern an die Gemälde des Klassizismus. Die Attribute dieser Epoche „Gleichmaß und Harmonie“ finden sich auch hier wieder: So sorgt Opgenoort innerhalb seiner Zeichnungen für beinah filmische Übergänge bzw. Überblenden, schafft es so, mehrere Handlungsebenen miteinander zu verbinden und lenkt die Aufmerksamkeit des Betrachtenden immer wieder auf interessante Kleinigkeiten.

Entstanden ist ein gelungenes Lese-, Bilder- und Hör-Buch für die ganze Familie, das sowohl lehrreich aus dem Leben und Wirken dieses einzigartigen Komponisten berichtet, dabei aber auch höchst unterhaltsam und kurzweilig daherkommt.


erschienen bei Annette Betz / ISBN: 978-3219116694

[Rezension] Enid Blyton – FÜNF FREUNDE IM ALTEN TURM (Hörspiel)

Kennt ihr das auch? Es gibt Bücher, die man als Kind gelesen hat, die in der Erinnerung einen verklärten Eindruck hinterlassen haben. Obwohl: Es ist weniger ein Eindruck sondern vielmehr ein Gefühl, das man zum besagten Zeitpunkt mit dem Lesen eben jenes Buches verbindet. Allein die Erinnerung daran lässt dieses Gefühl wieder aufleben.

In meinem Fall ist es das Gefühl nach Ruhe und Geborgenheit – beides war in meinem chaotischen Elternhaus eher wenig vorhanden. Dank der Intention meines Großvaters lernte ich, mich dem Chaos zu entziehen, und so wird FÜNF FREUNDE IM ALTEN TURM immer zur Rubrik DIE BÜCHER MEINES LEBENS gehören und somit stets einen Platz in meinem Herzen haben.


1 CD/ FÜNF FREUNDE IM ALTEN TURM von Enid Blyton (1980)/ Hörspielbearbeitung & Regie: Heikedine Körtling/ Musik: Bert Brac/ mit Lutz Mackensy, Oliver Rohrbeck, Oliver Mink, Ute Rohrbeck, Maud Ackermann, Marianne Kehlau, Karl-Walter Diess, Marlen Krause u.a.

In den Weihnachtsferien wollen sich die fünf Freunde in einer tollen Skihütte so richtig erholen und freuen sich auf einen zünftigen Urlaub mit Ski, Rodel und viel, viel Schnee. Doch dann entdecken sie auf dem gegenüberliegenden Berg eine Burg mit einem geheimnisvollen Turm, der von einem scharfen Hund bewacht wird und mit einem elektrischen Zaun gesichert ist. Als die fünf Freunde einen unterirdischen Gang aufspüren, der zu einem verschlossenen Gewölbe führt, sind sie mitten in einem neuen Abenteuer.

(Inhalt dem Cover der CD bzw. der Homepage der Produktionsfirma entnommen.)

Auch das vorliegende Hörspiel drehte sich häufig auf meinem Plattenteller. Ja, ich besaß noch Schallplatten. Für die jüngere Generation: Die Schallplatte war der Vorgänger der Compact Disc, war allerdings größer, hatte dafür in der Mitte ein kleineres Loch und konnte von beiden Seiten abgespielt werden. 😉🙂😄

Dieses Hörspiel lief so oft – gefühlte unendliche Male – auf dem kleinen orange-farbenen Plattenspieler in meinem Kinderzimmer, dass ich die Dialoge mitsprechen konnte. Und auch diesmal ertappte ich mich dabei, wie meine Lippen sich lautlos bewegten. So lauschte ich voller Sentimentalität den ach so bekannten Stimmen von Lutz Mackensy als Erzähler, Oliver Rohrbeck (Julian), Oliver Mink (Dick), Ute Rohrbeck (Anne) und Maud Ackermann (George). Ich erfreute mich an der liebevollen Umsetzung der Geschichte, die dank der versierten Arbeit der Tontechniker auch akustisch trefflich in Szene gesetzt wurde.

Doch auch der verklärte Blick durch die Brille der Nostalgie täuschte mich nicht darüber hinweg, dass Enid Blytons Geschichten mir als Erwachsener eher wenig bieten können. Sie hat sehr genau für „ihre“ Zielgruppe der 8- bis 12-jährigen Kinder geschrieben. Ein „Extra“, eine zweite Ebene oder einen Untertext in der Geschichte, wie z. Bsp. die sanfte Melancholie einer Astrid Lindgren oder die feine Ironie des Erich Kästners, die ihre Werke auch für ältere Generationen so reizvoll machen, suchte ich bei Enid Blyton vergeblich.

Enid Blyton schrieb ganz und gar wahrhaftig „nur“ für die Kinder. Und das ist auch gut so und darf so sein!


erschienen bei Europa (Sony Music)/ ISBN: 978-3866296251

[Rezension] Joanna Kończak – FESTE DER WELT/ mit Illustrationen von Ewa Poklewska-Kozietto

Wer liebt es nicht, zu feiern?! Menschen kommen zusammen, essen und trinken, reden und lachen. Sie fühlen sich in der Gemeinschaft geborgen, und für wenige Stunden scheint die Zeit stillzustehen. Ja, sogar eine Ahnung von Friede ist wahrnehmbar. Doch welche Feste gibt es auf der Welt überhaupt? Da gibt es durchaus mannigfaltige Unterschiede. Doch allen ist das gemein, was ich eingangs schon beschrieben habe: Es geht um das gemeinsame friedvolle Erleben!

Wie feiert man den Frühling in Japan? Wann wird das jüdische Neujahrsfest zelebriert? Und was tragen Menschen zum Karneval in Venedig? In diesem Sammelband begeben wir uns auf eine Reise um die Welt. In informativen Texten begleitet von bunten Illustrationen werden Feste aus allen Jahreszeiten lehrreich vorgestellt, z. B. Chanukka, Halloween, Holi, Nouruz, Ramadan, Thanksgiving. Der viel gereisten Autorin Joanna Kończak gelingt es, 36 Feste kurzweilig zu beschreiben, und durch die kunstvollen Illustrationen von Ewa Poklewska-Kozietto erwachen sie zum Leben.

(Inhaltsangabe der Homepage des Verlages entnommen!)

Wie schon bei DIE SCHÖNSTE ZEIT. Weihnachten in aller Welt legt der NordSüd-Verlag auch diesmal wieder ein traumhaft schönes Bilder- und Lese-Buch vor, das einen wunderbaren Bogen spannt über Länder und Völker, über Religionen und Kulturen. Dabei stehen immer die verbindenden Elemente im Vordergrund. Das Kennenlernen der Unterschiede, die vielleicht auf dem ersten Blick uns trennen könnten, wird in diesem Buch deutlich als Gewinn betrachtet, da diese Andersartigkeit der Menschen das Leben auf unserer Erde so bunt, so spannend, so abwechslungsreich macht.


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Doch warum sollte ich wissen, wie die Menschen anderer Kulturen feiern? Was geht es mich an? Wäre es nicht viel einfacher, wenn die Menschheit sich auf einige wenige Feste einigt, die dann überall und von allen gefeiert werden? Allein bei dem Gedanken treten Schweißperlen auf meine Stirn. Das wäre ja ungefähr so, als müssten wir uns alle identisch kleiden und dürften nur die gleichen Bücher lesen.

Dies wäre eine grauenvolle Vorstellung!

Darum: JA! Wir sollten es wissen. Denn erst ein Wissen schafft Respekt für ein friedvolles Miteinander und macht uns toleranter für andere Sicht- und Lebensweisen. Wie passend dieses Buch mir zur rechten Zeit in die Hände viel, zeigt folgendes Beispiel: Seit etlichen Jahren besuche ich ein und denselben Frisör-Salon und lasse mir dort von Murat meine Haare schneiden und den Bart stutzen. Die Tatsache, dass er Muslime ist und ich Christ bin, hat uns noch nie gestört. In der vergangenen Woche rief ich im Salon an, um bei ihm einen Termin zu vereinbaren, und erhielt die Auskunft, dass er frei hätte, da er das Zuckerfest feiert. Schnellstens griff ich zum Buch und wurde natürlich fündig. Das Fest des Fastenbrechens Eid al-Fidr, auch „Zuckerfest“ genannt, wird am Ende der Fastenzeit begangen. Die Fastenzeit soll daran erinnern, dass es auch viele Bedürftige auf der Welt gibt, die Unterstützung benötigen. Gerne wird auch an soziale Organisationen gespendet. Beim „Zuckerfest“ darf dann wieder geschlemmt werden: Die Menschen treffen sich mit Familie und Freunden und machen einander kleine Geschenke. Wie wunderbar, oder?

Ich bin nun ganz und gar nicht der Meinung, dass auch ich mir dieses Fest aneignen und zukünftig selbst feiern müsste. Ich habe meine eigenen traditionellen Feste, die auf meiner Kultur begründet sind. Doch ich würde mich durchaus freuen, wenn mich jemand mal zum „Zuckerfest“ einladen würde.

Die Texte von Joanna Kończak sind informativ, doch ebenso locker und leicht, positiv und absolut wertschätzend. Beim Lesen flog ich so mühelos über die Seiten, dass ich nahtlos von einem außergewöhnlichen Fest zum nächsten, ebenso außergewöhnlichen Fest wanderte. Ewa Poklewska-Kozietto hat abermals ganz prächtige Illustrationen geschaffen, die in ihrer Farbigkeit die Vielfalt feiert und eine immense Lebensfreude ausstrahlen. Gemeinsam haben sie ein so entzückendes Buch kreiert, das vielleicht nur einen kleinen aber dafür absolut herzerwärmenden Beitrag zur Völkerverständigung leistet. Denn…

…die Menschen sollten viel mehr miteinander feiern
als gegeneinander kämpfen!
💞


erschienen bei NordSüd / ISBN: 978-3314106873 / in der Übersetzung von Lisa Palmes
Ich danke dem Verlag herzlich für das zur Verfügung gestellte Leseexemplar!