Es ist schon einige Zeit her, da war ich mit der Autorin Waltraut Ferrari aus gänzlich anderen Gründen im Kontakt – nicht wissend, dass sie als Kinderbuch-Autorin tätig ist. Und dann trudelte im vergangenen Jahr völlig überraschend ihr aktuelles Buch bei mir ein. Zum besagten Zeitpunkt war meine Planung zur Rubrik LEKTÜRE ZUM FEST schon gänzlich abgeschlossen, und – wie in jedem Jahr – warteten bereits etliche Leseexemplare auf meine Rezension. So musste ich Frau Ferrari bedauerlicherweise vertrösten. Doch umso gespannter war ich nun auf ihre Geschichte und freute mich auf gemütliche Lesestunden…
Wundervoll und unheimlich ist es hier: Albin und Valeria sind mit Oma Klara weit ins Wintertal gewandert, um Tannenzweige zu sammeln. Was sie spüren, aber nicht sehen: Lucius Silberpfote, der Bote aus dem „lichten Reich”, ist ihnen auf der Spur. Der Luchs wittert: Die beiden Kinder können die geheimnisvollen Aufgaben und Rätsel lösen. Und die „Brücke aus Eis“ finden, die die reale Welt und das lichte Reich verbindet, ins „Innere“ führt. Unterstützt von den Schneefrauen und den Herren der wilden Fröste begeben sich Albin und Valeria auf eine Abenteuerreise.
(Inhaltsangabe der Homepage des Verlages entnommen!)
Waltraut Ferrari bedient sich bei ihrer Geschichte durchaus bekannter Zutaten: Da gibt es eine geheimnisvolle Burg mit einem verschollenen Kunstwerk (Achtung: Nebenhandlung!) sowie sprechende Tiere und mystische Wesen. Natürlich darf auch der erwachsene Freund der Kinder nicht fehlen, der gerne als Retter in der Not auftaucht. Im Mittelpunkt steht natürlich unser*e Held*in: Albin und Valeria, zwei Kinder von unterschiedlicher sozialer Herkunft, die sich angefreundet habe. Dann gibt es noch Valerias Oma Klara, die zufrieden im Einklang mit der Natur lebt („Oma Klaras Lieblingsrezepte“ gibt es im Anhang des Buches), und die Mutter von Albin, die eher modern orientiert ist und der die Freundschaft ihres Sohnes zu Valeria anfangs alles andere als recht zu sein scheint.
Schon befürchtete ich, es würde sich eine unnötige und ermüdende Dramatik à la „überkandidelte Reiche“ vs. „bodenständige Arme“ entwickeln und mit dem erhobenen Zeigefinger der Moral gewedelt werden. Ich bin der Meinung, wenn ein*e Autor*in es nötig hat, die Handlung mit solchen platten Attitüden künstlich aufzublasen, um so Spannung zu erzeugen, die/der sollte doch bitte die Hände von der Schreiberei lassen. Bei Ferrari ist die Reaktion der Mutter eher der Sorge (gepaart mit ein klein wenig Eifersucht) geschuldet, da sie die Freunde ihres Sohnes noch nicht ausreichend kennt bzw. einschätzen kann. Doch sie ist bereit, dies nachzuholen und zu lernen.
Allgemein sind die Personen sehr generös zueinander. Hier steht ein friedliches und unterstützendes Miteinander im Vordergrund. Es geht um Menschlichkeit und Respekt, die Pflege von Freundschaften und die Förderung des Gemeinsinns. Ein echter Antiheld, der Reibungsfläche bieten und somit für Spannung sorgen könnte, sucht man vergebens.
Apropos Spannung: Diese zieht die Geschichte im Wesentlichen daraus, dass die Autorin sich bei ihrer märchenhaften Geschichte nicht auf ein bestimmtes Genre festnageln lässt. Wir Deutschen denken ja so gerne in Schubladen und brauchen eine deutliche Zuordnung. Waltraut Ferrari verweigert uns diese. Stattdessen nimmt sie Anleihen bei den Romanen von Enid Blyton, vermengt dies mit ein wenig Fabel und würzt alles mit einer Prise nordischer Mythologie. Damit revolutioniert sie zwar nicht die Kinderbuch-Szene, fügt aber eine weitere charmante Farbnuance hinzu, die sich nie plakativ in den Vordergrund drängt.
Vielmehr gab sie mir als Leser den Impuls, sich meiner eigenen Phantasie bewusst zu werden und sich ihr hinzugeben. Als ich diese reizende Geschichte las, startete der Projektor meines Kopfkinos und löste eine Flut an Bildern aus. So entstanden z. Bsp. beim Lesen der Szenen, die bei den Schneefrauen und den Herren der wilden Fröste spielten, vor meinem inneren Auge ein detailreiches Szenario wie aus einem der wundervollen tschechischen Märchenfilme.
Waltraut Ferrari schickt mit ihrem Roman einen Appell an die Leser*innen, dass wir in unserem lauten und hektischen Alltag auch Platz für die leisen Momente schaffen, in denen wir eine heilsame Stille zulassen, wahrnehmen und genießen können. So ist der Autorin eine wahrlich phantasievolle Geschichte gelungen, die mit einer wunderbar wohltuenden Ruhe erzählt wird.











