[Rezension] Arthur Conan Doyle – DER HUND DER BASKERVILLES (Hörspiel)

Da kann ein Autor bzw. eine Autorin noch so fleißig sein und Romane, Erzählungen, Essays und Gedichte in Hülle und Fülle aufs Papier bannen. Doch so manches Mal ist es „nur“ ein einziges Werk, das im kollektiven Gedächtnis haften bleibt und scheinbar für immer und ewig stellvertretend für alle anderen Werke in einem Atemzug mit dem Namen des Verfassers/der Verfasserin genannt wird.

Wer denkt bei MORD IM ORIENTEXPRESS nicht augenblicklich an Agatha Christie. Beim Klang des Namens Thomas Mann kommt uns sofort BUDDENBROOKS in den Sinn. Und kann jemand ein weiteres Werk von Johanna Spyri – abgesehen von HEIDI – nennen? Auch Arthur Conan Doyle gelang dieses Kunststück mit DER HUND DER BASKERVILLES.

Bastian Pastewka, Schauspieler, Komiker, Drehbuchautor, Synchronsprecher u.v.m. hegt eine tiefe Liebe zu den Krimi-Hörspielen der Vergangenheit und frönt dieser hemmungslos in seinem Podcast KEIN MUCKS! – Der Krimi-Podcast – zwischenzeitlich in der 5. Staffel. Wen wundert’s, dass er dem Angebot nicht widerstehen konnte, zu diesem Krimi-Klassiker nicht nur die Hörspielfassung zu erstellen sondern auch die Regie zu übernehmen.

Der Landarzt Dr. Mortimer fürchtet um das Leben des jungen Sir Henry Baskerville, der aus Amerika anreist um im Dartmoor sein Erbe anzutreten. Er ist der letzte aus dem Geschlecht der Baskervilles. Sein Onkel Sir Charles starb vor kurzem an einem Herzinfarkt, als er allein in der Dunkelheit wartete. Sein ganzes Leben lang fürchtete er den Fluch der Baskervilles in Form eines riesigen Hundes, und nun sieht es so aus, als hätte eben dieser Hund aus der Hölle ihn in den Tod geängstigt. Auch Sir Henry hat schon eine anonyme Warnung erhalten, die ihn vor dem Einzug auf Baskerville Hall warnte. Zudem verschwanden erst ein neuer Stiefel und dann ein alter Stiefel von ihm. Nur der neue Stiefel tauchte wieder auf, was Sherlock Holmes nachdenklich stimmt. So schickt er Dr. Watson gemeinsam mit Sir Henry und Dr. Mortimer nach Dartmoor, damit er ein wachsames Auge auf den jungen Erben werfen kann. Auf Baskerville Hall werden die Herren vom alten Haushälter-Ehepaar Barrymore begrüßt, die – wie sich im Verlauf des Aufenthaltes zeigt – ein dunkles Geheimnis verbergen. Der Bruder von Mrs. Barrymore ist aus dem Gefängnis geflohen, versteckt sich nun im Moor und wird von den Barrymores mit Nahrung und der alten, abgelegten Kleidung von Sir Henry versorgt. Dies wird dem Flüchtigen zum Verhängnis, da der geheimnisvolle Hund ihn als Sir Henry wittert, anfällt und so tödlich verletzt. Sir Henry findet Gefallen an der jungen Beryl Stapleton, die mit ihrem Bruder Jack, einem Insektenforscher, in der Nachbarschaft lebt. Jack Stapleton scheint von der Freundschaft seiner Schwester zu Sir Henry wenig angetan zu sein und reagiert höchst verdächtigt. Dies alles beunruhigt Dr. Watson ebenso, wie der geheimnisvolle Fremde, der sich im Moor versteckt und die Geschehnisse rund um Baskerville Hall zu beobachten scheint…!


2 CDs/ Der Hund der Baskervilles (2014) von Arthur Conan Doyle/ Hörspielbearbeitung & Regie: Bastian Pastewka/ Übersetzung: Gisbert Haefs/ Musik: Henrik Albrecht/ mit Frank Röth, Gerhard Garbers, Thomas Kügel, Peter Jordan, Robert Gallinowski, Debora Weigert, Walter Renneisen, Johanna Gastdorf, Ulrich Voß, Susanne Pätzold, Jochen Striebeck u.a.


Die Neu-Auflage einer alten Geschichte im Gewand des Hörspiels kommt überraschend unaufgeregt, beinah von überflüssigen Ballast befreit um die Ecke. Alle Ingredienzien, wie sie bei den Verfilmungen und Hörspiel-Fassungen der Vergangenheit bemüht wurden und die Story gerne in Richtung Mystery, Horror und Gothic rückten, wurden hier tunlichst vermieden. Vielmehr baut Bastian Pastewka bei seiner Fassung ganz auf die Kraft des Originals. Schließlich präsentierte der Autor Arthur Conan Doyle hier eine gut skizzierte Handlung mit prallen Charakteren und überraschenden Wendungen. So bemüht Pastewka den legendären Hund auch nur wohldosiert und lässt die Spannung sich aus dem Aufeinanderprallen der unterschiedlichen Personen entwickeln. Musik und Ton-Technik gelingt bestens die schwierige Aufgabe, das Klangbild fein zu beeinflussen und so für die unverzichtbare Atmosphäre in einem Sherlock Holmes-Krimi zu sorgen, ohne hier mit billigen Effekten zu übertreiben.

Wie nicht anders bei einer Produktion des Westdeutschen Rundfunks zu erwarten, wurde wieder ein erlesenes Ensemble zusammengestellt: Frank Röth gibt den Meisterdetektiv Sherlock Holmes mit präziser Artikulation, analytischem Habitus und einem Hauch Arroganz. Der Dr. Watson von Gerhard Garbers ist da deutlich rustikaler, ohne trottelig zu wirken, und meistert zudem die schwierige Aufgabe, als Erzähler die Aufmerksamkeit der Zuhörenden auf ein hohes Niveau zu halten. Peter Jordan stattet Sir Henry Baskerville mit einer aristokratischen Schnöseligkeit aus, ohne an Sympathie einzubüßen. Bei Robert Gallinowski ist Jack Stapleton von einer schmierigen Freundlichkeit, er lässt aber die Gefährlichkeit in seiner Stimme unterschwellig mitschwingen. Debora Weigert erscheint als Beryl Stapleton zwar durchaus überzeugend verängstigt aber mimt erfreulich wenig das hilfsbedürftige Weib, das auf ihren edlen Retter wartet. Inspector Lestrade wirkt in der Interpretation von Jochen Striebeck äußerst handfest und zupackend, so als könnte ihn irgend so eine Töle im Moor nicht ängstigen. Selbst für die wenigen Sätze einer Mrs. Barrymore konnte die wundervolle Johanna Gastdorf als Sprecherin gewonnen werden.

Bastian Pastewka bleibt bei seiner Bearbeitung sehr nah an der originalen Vorgabe, nimmt zwar die für eine Hörspielfassung unumgänglichen Kürzungen vor, vermeidet allerdings den Handlungsablauf zu verfälschen. Und doch überrascht er am Ende der Geschichte mit einer so genannten „kriminal-kritischen Analyse“, indem er Holmes die Aussage treffen lässt:

„Wenn man seinen Standpunkt erst einmal verändert hat,
dann wir gerade der belastenste Beweis zum Schlüssel für die Wahrheit!“

Dies bedeutet so viel, dass unter Berücksichtigung aller vorliegenden Fakten in Kombination mit dem gesunden Menschenverstand auch eine andere Lösung des Falls möglich wäre,…

…eine Lösung des Falls, die erschreckend plausibler erscheint, als die, die Conan Doyle sich erdachte. Ich hörte dies und war verwirrt: Als meine Verwirrung sich peu à peu auflöste, und ich mich langsam von diesem Schock erholt hatte, brach ich in schallendes Gelächter aus.

Da hatte der Schelm Pastewka meine schöne bequeme und über Jahre antrainierte Sicht auf die Welt von Sherlock Holmes kräftig durcheinander gewirbelt. Und gleichzeitig passt dieses durchaus möglich erscheinende Alternativ-Ende, das raffiniert konzipiert und ebenso vertont wurde, ganz und gar wunderbar in den bekannten Holmes-Kosmos.

Chapeau!


Doch lassen wir den Regisseur gerne selbst zu Wort kommen:


erschienen bei Der Hörverlag/ ISBN: 978-3844515152
Ich danke dem Verlag herzlich für das zur Verfügung gestellte Hör-Exemplar!

[Rezension] Maurice Leblanc – Arsène Lupin. Der Gentleman-Gauner/ mit Illustrationen von Annika Siems

Arsène Lupin, der feinsinnige Gentleman-Gauner und Meister der Verkleidungskunst, brilliert im rasanten Schlagabtausch mit seinen Gegenspielern. Galant wickelt er seine Geschäfte ab, entwendet mit Leichtigkeit prächtige Diamanten, teuerste Gemälde und brisante Dokumente. Selbst ein Aufenthalt im berüchtigten Gefängnis von Paris hält Lupin nicht davon ab, seine diebischen Vorhaben in die Tat umzusetzen. Intrigen, falsche Fährten, Täuschungen und Verrat – nichts kann dem Meisterdieb gefährlich werden. Nur eines bringt den ausgewiesenen Kunstkenner aus der Fassung: die Liebe zu einer Frau…

(Inhaltsangabe dem Klappentext des Buches entnommen!)

Zwischen den Jahr(zehnt)en 1905 und 1935 erzählte Autor Maurice Leblanc seinem stetig wachsenden Publikum in 20 Romanen, zwei Theaterstücken und etlichen Kurzgeschichten von den haarsträubenden Abenteuern des Arsène Lupin. Dabei gelten die Romane als eine wichtige Entwicklung in der Geschichte des Kriminalromans. Hier stand nicht ein gewiefter Ermittler im Rampenlicht, vielmehr galt die gesamte Aufmerksamkeit erstmals einem Kriminellen, der allerdings mit so viel Charme, Stil und Klasse agierte, dass er sich der Sympathie der Leserschaft sicher sein konnte.

Arsène Lupin ist frech, dreist und unverschämt, dann wieder zartfühlend, zurückhaltend und empathisch. Die Armen haben nichts zu befürchten. Vielmehr beutelt er die, die eh alles im Übermaß besitzen und sich oftmals verzweifelt an ihre Besitztümer klammern gemäß dem Motto „Ich habe, also bin ich wer!“. Sein genialer „Spiritus rector“ erlaubt ihm sogar die Freiheit bzw. Frechheit, dass er seine zukünftigen Opfer vorwarnt und sie trotz aller getroffenen Vorsichtsmaßnahmen selbstverständlich (!) um ihrer Wertgegenstände erleichtert.

Dabei pflegt er ein beinah freundschaftliches Verhältnis zur Polizei, selbst wenn diese, wie z.Bsp. der von ihm geschätzte Inspector Ganimard, ihn verhaftet und ins berüchtigte Pariser Gefängnis Santé verfrachtet. Er kann ihnen nicht lange böse sein, denn schließlich ist selbst ein Gefängnisaufenthalt für einen Gentleman-Gauner, wie er einer ist, nur von kurzer Dauer. Doch es gibt zwei Menschen, die es schaffen den Meisterdieb aus sehr unterschiedlichen Gründen durch ihre bloße Anwesenheit zu irritieren: Einerseits ist es die entzückende Miss Nelly Underdown, andererseits der wohl berühmteste Detektiv der Welt Mr. Sherlock Holmes.

Gerüchten zufolge soll Leblanc den Meisterdieb als Gegenstück zum sehr erfolgreichen Sherlock Holmes von Arthur Conan Doyle geschaffen haben. Aus urheberrechtlichen Gründen durfte bei der Erstveröffentlichung der korrekte Name des Meisterdetektivs nicht genannt werden, der dann zu „Herlock Sholmes“ mutierte. Diese Schreibweise wurde auch in der vorliegenden Ausgabe der Büchergilde Gutenberg beibehalten.

Aus dem Füllhorn an Geschichten wurden für die vorliegende Edition neun Erzählungen gewählt, die wunderbar aufeinander aufbauen bzw. sich aufeinander beziehen. Alle Erzählungen wurden von Martin Barkawitz mit viel Witz und Esprit vortrefflich übersetzt.

Die Illustrationen von Annika Siems, die jeweils am Anfang einer Geschichte stehen, sind ein nettes „Beiwerk“ aber durchaus auch entbehrlich. Leider erreichen sie nicht die Intensität, die ihre Illustrationen vorweisen, die sie für Graham Greenes „Der dritte Mann“ ebenfalls für die Büchergilde Gutenberg kreiert hat.

Arsène Lupin ist ein Meister der Verkleidung, der in eine Vielzahl verschiedener Identitäten schlüpft: So ist es natürlich müßig zu erwähnen, dass Maurice Leblanc in keinem einzigen Satz und nicht mit der winzigsten Andeutung einen Hinweis auf das wahre Erscheinungsbild seiner Schöpfung gibt. So blieb es für mich als Leser immer wieder spannend zu rätseln, hinter welchem Pseudonym sich der Gentleman-Gauner diesmal verbergen könnte.

„Oldies but Goldies!“ lautet ein vielbemühter Ausspruch, der mal mehr, mal weniger zutreffend ist. In diesem Fall trifft er allerdings direkt ins Schwarze: Ich habe mich bei der Lektüre dieser neun Erzählungen gar prächtig amüsiert und bestens unterhalten gefühlt.

Easter Eeg: Beim Lesen der letzten Erzählung „Herlock Sholmes kommt zu spät“ stutze ich plötzlich und musste spontan auflachen. Da hatte sich doch tatsächlich der korrekte Name des Meisterdetektivs in die Geschichte geschummelt. Ich wünsche Euch viel Spaß beim Suchen!


erschienen bei Büchergilde Gutenberg / ISBN: 978-3763272938 / in der Übersetzung von Martin Barkawitz

[Rezension] Eine Leiche zum Advent. Das große Buch der Weihnachtskrimis/ herausgegeben von Otto Penzler

Mit Schwung wuchtete ich den Wälzer aus dem Bücherregal, schwankte leicht unter dem Gewicht, bis mein Gleichgewicht sich wieder ausbalanciert hatte, und taperte dann mit kleinen vorsichtigen Schritten Richtung Lesesessel. Mit einem leidvollen Stöhnen ließ ich mich ins Polster fallen, während besagter Wälzer auf meinem Bauch den nötigen Halt zur Ablage fand…!

Üppiges Format, über 700 Seiten starker Umfang, gefüllt mit 49 kriminellen Erzählungen: Bei der Zusammenstellung dieser Anthologie dachte Herausgeber Otto Penzler sicherlich nicht an „weniger ist mehr“. Vielmehr stand hier wohl eher „klotzen und nicht kleckern“ im Vordergrund. Und dabei bewies er zudem bei der Auswahl der Stories ein äußerst glückliches Händchen. Doch nichts anderes hätte ich von einer Koryphäe, wie er sie ist, auch erwartet. Schließlich zählt er zu den international führenden Fachleuten für Kriminalliteratur.

Nun ergeben – zumindest für mich – Krimis und Weihnachten den „perfect match“: Nichts fesselt meine Aufmerksamkeit mehr als ein zünftiger Mord – selbstverständlich nur rein literarisch: Wenn sich durch die perfekte Idylle langsam das Grauen seinen Weg bahnt, und die festliche Besinnlichkeit dem Horror eines Verbrechens weicht…! Vielleicht sollte ich Krimis schreiben?!

Nein, das überlasse ich doch lieber den Profis dieser Zunft. Selbstverständlich findet man in einer solchen Zusammenstellung auch die üblichen Verdächtigen: Da blinkt „Der blaue Karfunkel“ von Arthur Conan Doyle. Bei Mary Higgins Clark wird „Das große Los“ gezogen. Rex Stout schickt seinen Schnüffler Nero Wolfe auf „Die Weihnachtsfeier“. Edgar Wallace stolpert über „Die Chapham-Affäre“. Und Gilbert Keith Chesterton lässt Father Brown über „Die fliegenden Sterne“ sinnieren. Nun könnte ich mich über eine wenig originelle Auswahl mokieren, die wieder Werke beinhaltet, die gefühlt schon überall erschienen sind. Ich könnte mich mokieren, tue es aber nicht, da ich diese Entscheidung durchaus nachvollziehen kann. Eine Krimi-Anthologie ohne bekannte Namen würde dem durchschnittlichen Leser kaum einen Anreiz zum Kauf bieten. Seien wir ehrlich: Jeder von uns greift eher bei dem zu, was er kennt, oder?

So sind diese hinlänglich bekannten Geschichten, die in all den Jahren seit ihrer Entstehung nichts von ihrer literarischen Qualität eingebüßt haben, von weniger bekannten Geschichten „umzingelt“, die von Autor*innen stammen, die sich bzgl. Talent, Originalität und Qualität nicht hinter den großen Namen zu verstecken brauchen.

Zumindest mir waren Namen wie Catherine Aird, Thomas Hardy, Meredith Nicholson, Marjorie Bowen oder Norvell Page bisher kein Begriff. Wie schön, dass Penzler vor jeder Geschichte den/die Autor*in kurz vorstellt. Dabei sind so manche Kuriositäten zu entdecken: Da veröffentlichen zwei Cousins unter dem Pseudonym Ellery Queen äußerst erfolgreich ihre Kriminal-Stories, in denen sie ihren Detektiv ebenfalls Ellery Queen nennen. Oder Autor Peter Todd schenkte uns herrlich skurrile Sherlock Holmes-Parodien, in denen er die Marotten des Helden genüsslich persifliert, um sich durch sie gleichzeitig respektvoll vor der Vorlage zu verbeugen.

Zudem begeistert mich diese Zusammenstellung durch seine Vielfalt: Sei es aufgrund der unterschiedlichen Entstehungszeiten der Geschichten, der vielfältigen Ausdrucksformen der Autor*innen, der vielen phantasievollen Arten des „Um-die-Ecke-bringens“ oder der stilistischen Bandbreite, die von traditionell bis modern, von lustig bis unheimlich, von trashig bis rätselhaft reicht.

Oftmals gibt es bei solchen Anthologien einige herausragende Leistungen zu bewundern aber ebenso viel Mittelmaß zu ertragen. Ohne Licht gibt es eben auch keinen Schatten! Doch überraschenderweise konnte ich hier keinen nennenswerten literarischen Ausrutscher ausmachen. Im Gegenteil: Ich fühlte mich rundum bestens unterhalten!

Nun muss ich nur noch diesen Wälzer von meinem Bauch wieder unfallfrei ins Regal bugsieren…! 🙄


erschienen bei Bastei Lübbe/ ISBN: 978-3431039665

[Rezension] Elementar, mein lieber Watson: Neue Fälle für Sherlock Holmes/ zusammengestellt von Daniel Kampa

Seit über 130 Jahren ist dieser Detektiv eine feste Größe innerhalb der Kriminalliteratur und hat nach all den Jahrzehnten nichts von seinem Reiz eingebüßt. Sein Schöpfer Sir Arthur Conan Doyle wäre vielleicht überrascht gewesen, hätte er gewusst, welchen Ausmaß die Verehrung der Holmes-Anhänger annimmt: So gibt es div. Bühnen- und Film-Adaptionen sowie Fernseh-Serien, die sich auf die Original-Geschichten beziehen oder Anleihen nehmen, und manches ist schlicht und ergreifend frei erfunden und der Phantasie div. Schreiberlinge entsprungen. Sherlock Holmes Faszination ist ungebrochen…!

Die vorliegende Anthologie versammelt sechs neue Geschichten um den Meisterdetektiv: Verleger Daniel Kampa hat aus dem scheinbar unerschöpflichen Fundus der Kriminalautor*innen, die sich schon an einer Holmes-Geschichte versucht haben, die Werke von vier namhaften Autor*innen ausgewählt, und mit zwei Geschichten lässt er sogar Holmes-Fans/-Experten zu Wort kommen.

Wie so oft bei solchen „Compilations“ gibt es Erzählungen unterschiedlicher Qualität zu bewundern. Ohne Licht gibt es eben keinen Schatten! In diesem Fall haben wir 2x „Sonnenschein“, 2x „leicht bewölkt“ und 2x „Halbschatten“. Ein „Zappenduster“ bleibt uns dank der versierten Zusammenstellung von Daniel Kampa zum Glück erspart.

Die zwei „halbschattigen“ Geschichten stammten von den beiden Holmes-Fans/-Experten Peter Jackob und Klaus-Peter Walter. In „Das Geheimnis von Compton Lodge“ wirft Peter Jackob einen Blick auf die Familienhistorie von Dr. Watson. Leider wirkt die Geschichte aufgrund der häufig wechselnden (und für mich nicht nachvollziehbaren) Handlungsorte etwas „zerfranst“. Bei „Sherlock Holmes und der Arpaganthropos“ lässt Klaus-Peter Walter die griechische Mythologie aufleben, Holmes auf einem Teppich à la Aladdin fliegen und Watson von Delphinen aus Seenot retten. Dagegen wirkt „Der Hund der Baskervilles“ harmlos…! 🙂

Die „leicht bewölkten“ Geschichten verdanken wir Anne Perry („Die Mitternachtsglocke“) und Anthony Horowitz („Die drei Königinnen“). Beide halten sich eng am Holmes-Korsett und liefern klassisch anmutende Geschichten, wie sie Conan Doyle für das „The Strand Magazine“ verfasst haben könnte. Leider hat dies zur Folge, dass die Stories mir wenig Unerwartetes offenbarten und somit leicht vorhersehbar erschienen.

Für den „Sonnenschein“ sind Stephen King und Alan Bradley verantwortlich. „Der Fall des Doktors“ von Stephen King wirkt wie eine klassische Holmes-Geschichte – allerdings mit vertauschten Rollen: Bei der Lösung dieses Falls steht Holmes „auf dem Schlauch“, und Watson liefert (auch für ihn) überraschend die nötigen Fakten und Indizien. Alan Bradley lässt mich als Leser bei „Verkleidung schadet nicht“ erstmal im Dunkeln tappen bzgl. der Identitäten der handelnden Personen und überrascht mit einer ungewöhnlichen Auflösung. In beiden Geschichten „verstecken“ die Autoren jeweils eine Huldigung an die „Queen of Crime“: Während King weniger offensichtlich aber durchaus erkennbar die Täter*innen wie bei „Mord im Orientexpress: Ein Fall für Poirot“ ihrer Strafe entgehen lässt, legt Bradley umso offensichtlicher in seinem Schlusssatz Holmes einen Hinweis auf Miss Marple in den Mund. Beides hat mich als Christie-Fan natürlich immens amüsiert und gefreut.

Allen Autor*innen ist gemein, dass sie äußerst respektvoll mit der literarischen Vorlage umgehen. Als Leser spürte ich ihre Verehrung gegenüber Sir Arthur Conan Doyle und seinen Schöpfungen.


erschienen bei Kampa/ ISBN: 978-3311125082

Ich danke dem Verlag herzlich für das zur Verfügung gestellte Leseexemplar!

MONTAGSFRAGE #72: Was ist das älteste Buch, das ihr je gelesen habt?

Es ist nur eine schlichte Frage, und doch nicht so einfach zu beantworten.

Da könnte ich mich ganz gelassen zurücklehnen und auf die schon in der Montagsfrage der letzten Woche erwähnten Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm verweisen. Schließlich wurde deren erster Band bereits im Jahre 1812 veröffentlicht. Aber „einfach“ könnte ja jeder…! So krame ich tiefer in der Kommode meiner Erinnerung in der Hoffnung, dass nicht allzu viele Schubladen klemmen.

Vor genau hundert Jahren erblickte das Erstlingswerk einer jungen aufstrebenden Autorin das Licht der Öffentlichkeit, nichtsahnend, dass hier die zukünftige „Queen of Crime“ einen ihrer erfolgreichsten Detektive ins Rennen schickt: 1920 war das Geburtsjahr von Hercule Poirot, der mit „Das fehlende Glied in der Kette“ seinen Einstand gab. Selbstverständlich wurde vor ein paar Jahren meine wiederentdeckte Liebe zu Agatha Christie mit der Lektüre eben dieses Krimis neu entfacht.

Eine der ersten Sherlock-Holmes-Geschichten, die ich je gelesen habe, war „Der Hund von Baskerville“, die im Jahre 1902 erschienen ist und sicherlich als eine der erfolgreichsten Werke von Sir Arthur Conan Doyle gelten darf. Im Laufe der Jahre habe ich diese spannende Geschichte nicht nur unzählige Male gelesen, auch die vielfältigen Film- und TV-Adaptionen fanden mein Interesse, und sogar eine gelungene Bühnenadaption schenkte mir spannende Unterhaltung.

1977 flimmerten die ersten Folgen der Zeichentrickserie „Heidi“ über die Mattscheibe, und ich wurde ein bekennender Fan. So fand auch das literarische Vorbild von der Autorin Johanna Spyri, das beinah 100 Jahre zuvor (1879) veröffentlicht wurde, schnell Eingang in meinem Kinderzimmer. Zudem handelte es sich hierbei um die Kinderbuchausgabe meiner Mutter aus den 40er Jahren. Doch leider hat dieses Exemplar die div. Umzüge nicht überlebt!

Im September 2018 wagte ich mich doch tatsächlich an Dante Alighieris „Die göttliche Komödie“, die er erst kurz vor seinem Tod im Jahre 1321 vollendete. Dieses Werk wird gerne von mir als meine „literarische Lebensaufgabe“ bezeichnet, und damit habe ich wahrlich nicht übertrieben. Dieses Werk ist alles andere als „leichte Kost“. Ganz im Gegenteil: Es liegt eher schwer im Magen oder auf dem Magen – je nachdem, wie ich den seitenstarken Schinken bei der Lektüre positioniere.

…und welche antiken Leseschätze habt Ihr in Eurer Erinnerungskommode versteckt?


Antonia Leise von „Lauter & Leise“ hat dankenswerterweise DIE MONTAGSFRAGE: Buch-Blogger Vorstellungsrunde wiederbelebt und stellt an jedem Montag eine Frage, die Interessierte beantworten können und zum Vernetzen, Austauschen und Herumstöbern anregen soll! Ich bin gerne dabei!!!

In meinem MONTAGSFRAGE-Archiv findet Ihr Fragen & Antworten der vergangenen Wochen.

[Rezension] Die schönsten Weihnachts-Krimis (Hörbuch)

Ich höre keine Hörbücher! Warum ich dies nicht tue, habe ich bei der MONTAGSFRAGE #2 schon hinreichend beantwortet.

Warum ich nun eine Ausnahme mache? Die Mischung der hier versammelten Kurzgeschichten hat mich gereizt – zumal sie von namhaften Sprecher*innen vorgetragen werden.

Dabei handelt es sich hier um eine so abwechslungsreiche Auswahl Geschichten beliebter und bekannter Autor*innen, dass diese sicherlich viele Hörer erfreuen werden. Ich möchte darum auch weniger auf den Inhalt der jeweiligen Geschichte sondern vielmehr auf die Art des Vortrages eingehen.


CD 1/ Agatha ChristieEine Weihnachtstragödie/ gelesen von Beate Himmelstoß

Zugegeben: Kann ich den Vortrag einer Geschichte, die ich selbst für eine Lesung vorbereitet und vorgetragen habe, völlig objektiv beurteilen? Gänzlich frei wird sich niemand machen können, auch ich nicht…

Beate Himmelstoß Vortrag würde ich als solide bezeichnen. Unaufgeregt trägt sie diesen Kurzkrimi vor und verändert nur unwesentlich ihre Stimme, um die verschiedenen Charaktere zu porträtieren. Dies ist auch nicht unbedingt nötig, da die Geschichte im Wesentlichen aus der Sicht von Miss Marple erzählt wird. Überrascht hat mich allerdings, dass versäumt wurde, die ironisch-humorvollen Passagen mittels Betonung herauszuarbeiten. Ob dies an der Sprecherin oder an der Regie lag, kann ich natürlich nicht beurteilen.


CD 2/ Edgar WallaceDer falsche Rettungsring/ gelesen von Wanja Mues

Wanja Mues nahm mich gleich mit seiner markanten Stimme für sich ein und lieferte für die Wallace-Story eine gelungene Performance: Passend zur Geschichte, die im Kriminellen-Milieu auf einer Kreuzfahrten spielt, wählt er einen leicht arrogant Grundton. Beinah beiläufig wirkt seine Vortragsweise, die aber dadurch eine gewisse Gefährlichkeit im Unterton durchschimmern lässt.


CD 2/ Dorothy L. Sayers Das Perlenhalsband/ gelesen von Friedhelm Ptok

Lord Peter Wimsey ermittelt in einem Fall von einer verschwundenen Perlenkette im überschaubaren Umfeld einer Weihnachtsgesellschaft: Für mich war es ein Vergnügen, dem Vortrag von Friedhelm Ptok zu lauschen. Er lässt seine Stimme von gediegen-versnobt bis humorvoll-ironisch erklingen, setzt die Pausen sehr bewusst und gestaltet seinen Vortrag sehr geschmackvoll.


CD 3/ Arthur Conan Doyle Der blaue Karfunkel/ gelesen von Oliver Kalkofe

Oliver Kalkofe setzt seine Stimme zwar sehr effektvoll ein, leider aber auch wenig differenziert. Er kann sich nicht entscheiden, wen er mit welcher Stimm-Färbung ausstattet. Dies führt dazu, dass ich als Hörer das Handlungspersonal nur schwer unterscheiden konnte. Dies störte mich sehr beim Folgen der Handlung. Bedauerlicherweise eine wenig überzeugende Performance…!


CD 4/ Ellis Peters Der Friedhofskater/ gelesen von Friedhelm Ptok

Wieder kommt Friedhelm Ptok zum Einsatz: Auch hier konnte er mich mit seinem Vortrag völlig überzeugen! Bewundernswert wie dieser talentierte Sprecher sein Können in dieser Lesung zeigt. Seine charakteristische Stimme hat hohen Wiedererkennungswert!


CD 4/ Christianna Brand Gesegnet sei dieses Haus/ gelesen von Walter Renneisen

Walter Renneisens Stimme passt hervorragend zu dieser subtil-bösen Geschichte um Christi (Wieder-)Geburt: heiser, leicht rauchig und doch mit hellem Klang. Teilweise erinnert seine Stimme an Gollum aus „Der Herr der Ringe“, die er äußerst wandlungsfähig und effektvoll einsetzt. Eine Glanzleistung…!


CD 5+6/ Georges Simenon Maigrets Weihnachten/ gelesen von Peter Fricke

Peter Fricke ist „ein Name“: Der bekannte Schauspieler kann auf eine äußerst erfolgreiche Karriere im Theater, Film und Fernsehen zurückblicken. Er widmet sich einer Geschichte um Georges Simenons Kommissar Maigret, den er sehr charismatisch und äußerst prägnant seine Stimme leiht. Hier kommt neben dem Talent auch Frickes immense Erfahrung der Lesung zugute: Er wechselt die Stimmlagen gekonnt zwischen den handelnden Personen. Dabei wirkt dieser Vortrag absolut nicht routiniert sondern verströmt eine Menge Charme. Eine wahre Freude…!


erschienen bei Der Hörverlag/ ISBN: 978-3844523249

Ich danke dem Verlag herzlich für das zur Verfügung gestellte Hörexemplar!