Da kann ein Autor bzw. eine Autorin noch so fleißig sein und Romane, Erzählungen, Essays und Gedichte in Hülle und Fülle aufs Papier bannen. Doch so manches Mal ist es „nur“ ein einziges Werk, das im kollektiven Gedächtnis haften bleibt und scheinbar für immer und ewig stellvertretend für alle anderen Werke in einem Atemzug mit dem Namen des Verfassers/der Verfasserin genannt wird.
Wer denkt bei MORD IM ORIENTEXPRESS nicht augenblicklich an Agatha Christie. Beim Klang des Namens Thomas Mann kommt uns sofort BUDDENBROOKS in den Sinn. Und kann jemand ein weiteres Werk von Johanna Spyri – abgesehen von HEIDI – nennen? Auch Arthur Conan Doyle gelang dieses Kunststück mit DER HUND DER BASKERVILLES.
Bastian Pastewka, Schauspieler, Komiker, Drehbuchautor, Synchronsprecher u.v.m. hegt eine tiefe Liebe zu den Krimi-Hörspielen der Vergangenheit und frönt dieser hemmungslos in seinem Podcast KEIN MUCKS! – Der Krimi-Podcast – zwischenzeitlich in der 5. Staffel. Wen wundert’s, dass er dem Angebot nicht widerstehen konnte, zu diesem Krimi-Klassiker nicht nur die Hörspielfassung zu erstellen sondern auch die Regie zu übernehmen.
Der Landarzt Dr. Mortimer fürchtet um das Leben des jungen Sir Henry Baskerville, der aus Amerika anreist um im Dartmoor sein Erbe anzutreten. Er ist der letzte aus dem Geschlecht der Baskervilles. Sein Onkel Sir Charles starb vor kurzem an einem Herzinfarkt, als er allein in der Dunkelheit wartete. Sein ganzes Leben lang fürchtete er den Fluch der Baskervilles in Form eines riesigen Hundes, und nun sieht es so aus, als hätte eben dieser Hund aus der Hölle ihn in den Tod geängstigt. Auch Sir Henry hat schon eine anonyme Warnung erhalten, die ihn vor dem Einzug auf Baskerville Hall warnte. Zudem verschwanden erst ein neuer Stiefel und dann ein alter Stiefel von ihm. Nur der neue Stiefel tauchte wieder auf, was Sherlock Holmes nachdenklich stimmt. So schickt er Dr. Watson gemeinsam mit Sir Henry und Dr. Mortimer nach Dartmoor, damit er ein wachsames Auge auf den jungen Erben werfen kann. Auf Baskerville Hall werden die Herren vom alten Haushälter-Ehepaar Barrymore begrüßt, die – wie sich im Verlauf des Aufenthaltes zeigt – ein dunkles Geheimnis verbergen. Der Bruder von Mrs. Barrymore ist aus dem Gefängnis geflohen, versteckt sich nun im Moor und wird von den Barrymores mit Nahrung und der alten, abgelegten Kleidung von Sir Henry versorgt. Dies wird dem Flüchtigen zum Verhängnis, da der geheimnisvolle Hund ihn als Sir Henry wittert, anfällt und so tödlich verletzt. Sir Henry findet Gefallen an der jungen Beryl Stapleton, die mit ihrem Bruder Jack, einem Insektenforscher, in der Nachbarschaft lebt. Jack Stapleton scheint von der Freundschaft seiner Schwester zu Sir Henry wenig angetan zu sein und reagiert höchst verdächtigt. Dies alles beunruhigt Dr. Watson ebenso, wie der geheimnisvolle Fremde, der sich im Moor versteckt und die Geschehnisse rund um Baskerville Hall zu beobachten scheint…!
2 CDs/ Der Hund der Baskervilles (2014) von Arthur Conan Doyle/ Hörspielbearbeitung & Regie: Bastian Pastewka/ Übersetzung: Gisbert Haefs/ Musik: Henrik Albrecht/ mit Frank Röth, Gerhard Garbers, Thomas Kügel, Peter Jordan, Robert Gallinowski, Debora Weigert, Walter Renneisen, Johanna Gastdorf, Ulrich Voß, Susanne Pätzold, Jochen Striebeck u.a.
Die Neu-Auflage einer alten Geschichte im Gewand des Hörspiels kommt überraschend unaufgeregt, beinah von überflüssigen Ballast befreit um die Ecke. Alle Ingredienzien, wie sie bei den Verfilmungen und Hörspiel-Fassungen der Vergangenheit bemüht wurden und die Story gerne in Richtung Mystery, Horror und Gothic rückten, wurden hier tunlichst vermieden. Vielmehr baut Bastian Pastewka bei seiner Fassung ganz auf die Kraft des Originals. Schließlich präsentierte der Autor Arthur Conan Doyle hier eine gut skizzierte Handlung mit prallen Charakteren und überraschenden Wendungen. So bemüht Pastewka den legendären Hund auch nur wohldosiert und lässt die Spannung sich aus dem Aufeinanderprallen der unterschiedlichen Personen entwickeln. Musik und Ton-Technik gelingt bestens die schwierige Aufgabe, das Klangbild fein zu beeinflussen und so für die unverzichtbare Atmosphäre in einem Sherlock Holmes-Krimi zu sorgen, ohne hier mit billigen Effekten zu übertreiben.
Wie nicht anders bei einer Produktion des Westdeutschen Rundfunks zu erwarten, wurde wieder ein erlesenes Ensemble zusammengestellt: Frank Röth gibt den Meisterdetektiv Sherlock Holmes mit präziser Artikulation, analytischem Habitus und einem Hauch Arroganz. Der Dr. Watson von Gerhard Garbers ist da deutlich rustikaler, ohne trottelig zu wirken, und meistert zudem die schwierige Aufgabe, als Erzähler die Aufmerksamkeit der Zuhörenden auf ein hohes Niveau zu halten. Peter Jordan stattet Sir Henry Baskerville mit einer aristokratischen Schnöseligkeit aus, ohne an Sympathie einzubüßen. Bei Robert Gallinowski ist Jack Stapleton von einer schmierigen Freundlichkeit, er lässt aber die Gefährlichkeit in seiner Stimme unterschwellig mitschwingen. Debora Weigert erscheint als Beryl Stapleton zwar durchaus überzeugend verängstigt aber mimt erfreulich wenig das hilfsbedürftige Weib, das auf ihren edlen Retter wartet. Inspector Lestrade wirkt in der Interpretation von Jochen Striebeck äußerst handfest und zupackend, so als könnte ihn irgend so eine Töle im Moor nicht ängstigen. Selbst für die wenigen Sätze einer Mrs. Barrymore konnte die wundervolle Johanna Gastdorf als Sprecherin gewonnen werden.
Bastian Pastewka bleibt bei seiner Bearbeitung sehr nah an der originalen Vorgabe, nimmt zwar die für eine Hörspielfassung unumgänglichen Kürzungen vor, vermeidet allerdings den Handlungsablauf zu verfälschen. Und doch überrascht er am Ende der Geschichte mit einer so genannten „kriminal-kritischen Analyse“, indem er Holmes die Aussage treffen lässt:
„Wenn man seinen Standpunkt erst einmal verändert hat,
dann wir gerade der belastenste Beweis zum Schlüssel für die Wahrheit!“
Dies bedeutet so viel, dass unter Berücksichtigung aller vorliegenden Fakten in Kombination mit dem gesunden Menschenverstand auch eine andere Lösung des Falls möglich wäre,…
…eine Lösung des Falls, die erschreckend plausibler erscheint, als die, die Conan Doyle sich erdachte. Ich hörte dies und war verwirrt: Als meine Verwirrung sich peu à peu auflöste, und ich mich langsam von diesem Schock erholt hatte, brach ich in schallendes Gelächter aus.
Da hatte der Schelm Pastewka meine schöne bequeme und über Jahre antrainierte Sicht auf die Welt von Sherlock Holmes kräftig durcheinander gewirbelt. Und gleichzeitig passt dieses durchaus möglich erscheinende Alternativ-Ende, das raffiniert konzipiert und ebenso vertont wurde, ganz und gar wunderbar in den bekannten Holmes-Kosmos.
Chapeau!
Doch lassen wir den Regisseur gerne selbst zu Wort kommen:
erschienen bei Der Hörverlag/ ISBN: 978-3844515152
Ich danke dem Verlag herzlich für das zur Verfügung gestellte Hör-Exemplar!