[Ballett] Alfonso Palencia – DER NUSSKNACKER / Stadttheater Bremerhaven

Ballett von Alfonso Palencia / nach der Erzählung „Nussknacker und Mausekönig“ von E.T.A. Hoffmann / mit Musik von Pjotr Iljitsch Tschaikowsky

Premiere: 11. Oktober 2025 / besuchte Vorstellung: 2. November 2025
Stadttheater Bremerhaven / Großes Haus


CHOREOGRAFIE & INSZENIERUNG Alfonso Palencia
MUSIKALISCHE LEITUNG Davide Perniceni
BÜHNE & VIDEO Yoko Seyama
KOSTÜME Rosa Ana Chanzá
LICHT Frauke Richter

CHOREOGRAFISCHE ASSISTENZ Bobby M. Briscoe 
DRAMATURGIE Alfonso Palencia, Torben Selk 
KINDERCHOR Edward Mauritius Münch
ORGANISATION & STIMMBILDUNG KINDERCHOR Katharina Diegritz 
INSPIZIENZ Mahina Gallinger
THEATERPÄDAGOGIK Schirin Badafaras


Ich saß im Zuschauersaal, blickte zur Bühne und bemerkte kaum, wie ich mich mehr und mehr verlor und die Menschen um mich herum vergaß. Meine Brust wurde weit, als ich all die Schönheit aus Musik und Tanz in mich aufsaugte und mich in eine Welt voller Grazie und Ästhetik fallen ließ. Wie beschreibe ich eine Kunstform, ohne immer wieder und wieder dieselben abgenutzten Adjektive zu bemühen? Wie beschreibe ich etwas, was unbeschreiblich war?

Auch nach all den Jahr(zehnt)en, die ich nun schon die Bühnen dieses Landes mit meiner Anwesenheit „beglücke“, empfinde ich einen Abend im Theater, wenn der Saal sich verdunkelt und der Vorhang sich hebt, nach wie vor als ein wunderbares Geschenk, das mir – völlig unverdient – gemacht wird. Okay, ich habe vorab für ein paar Euronen eine Eintrittskarte erworben, aber das ist nur ein geringes Salaire, im Vergleich zur mannigfaltigen Freude, die ich im Gegenzug erhalte.

Ich saß im Zuschauersaal – Nein! – ich darf in einem Zuschauersaal sitzen. Dies ist für mich wahrlich keine Selbstverständlichkeit sondern vielmehr ein unschätzbarer Luxus. Es ist ein Luxus, dass wir hier in diesem Land eine so freie und somit vielfältige Kulturszene haben, die ihre Impulse durch Menschen aus unterschiedlichen Nationen erhält. Mit Inspiration, Talent und Kraft arbeiten Menschen aus unterschiedlichen Nationen vor, auf, über, unter, neben und hinter der Bühne bereits Tage zuvor, um mir dann einen unvergesslichen, einzigartigen Theaterabend zu schenken. Diesen Luxus müssen wir uns bewahren!

Schönheit, Grazie und Ästhetik: Ballettdirektor und Chefchoreograf Alfonso Palencia hätte zu dieser Zeit kein besseres Ballett auswählen können. Einerseits ist die Handlung von Tschaikowskys Märchenballett DER NUSSKNACKER prädestiniert für die nahende Adventszeit, andererseits lechzen wir Menschen in diesen verrückten wie auch beängstigenden Zeiten nach Sicherheit, Harmonie und Geborgenheit.

Am Heiligabend versammelt sich Familie Silberhaus mit Claras Freunden, um gemeinsam zu feiern. Drosselmeier, Claras Patenonkel, Zauberer und ein begabter Spielzeugmacher, hat Geschenke für die ganze Familie mitgebracht. Claras Bruder Fritz bekommt ein Schiff und Clara einen Nussknacker. Sie schließt ihn sofort ins Herz. Alle sind schlafen gegangen. Doch Clara kehrt ins Wohnzimmer zurück, um nach dem Nussknacker zu sehen. Sie nimmt ihn in den Arm und schläft ein. Ein Traum beginnt. Claras Familie und Freunde verwandeln sich in Soldaten – und in schräge Hasen. Sie beginnen, gegeneinander zu kämpfen. Der Nussknacker erscheint, um die Soldaten gegen die Truppe des Hasenkönigs anzuführen. Der Nussknacker gerät in Bedrängnis. Doch zum Glück schaltet Clara schnell. Der Nussknacker verwandelt sich in einen Prinzen. Er führt Clara durch die mondhelle Nacht in einen Wunderwald. Schneeflocken tanzen um sie. So beginnt ihre Reise in ein neues, fantastisches Land. Clara, der Prinz und Drosselmeier reisen in das Land der Süßigkeiten. Die Zuckerfee begrüßt sie und inszeniert ein Fest der Süßigkeiten aus aller Welt. Clara wacht in ihrem Sessel auf. Doch sie hat noch ihren Nussknacker. War das alles nur ein Traum?

(Inhaltsangabe dem Programmheft zu dieser Produktion entnommen.)


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HINWEIS: DIE OBIGE AUFNAHME STAMMTE NICHT AUS DER BESPROCHENEN INSZENIERUNG SONDERN DIENT NUR DAZU, EINEN EINDRUCK VON DER MUSIK ZU VERMITTELN.

Bereits bei der KOSTPROBE durfte ich einen vorfreudigen Blick auf die Inszenierung werfen, doch erst die überzeugende Symbiose aus Tanz, Musik, Kostüme, Bühnenbild, Licht und Projektionen beschwor die von mir mit Spannung erwartete Theatermagie herauf.

So tat Palencia gut daran, seine Choreografie nur behutsam zu modernisieren, indem er Modern Dance mit klassischem Ballett kombinierte. Dies ermöglichte ihm – je nach Anforderung an die Szene – die Tänzer*innen athletisch-akrobatisch agieren zu lassen, um dann voller Zartheit den Spitzentanz zu zelebrieren. Im Vergleich zu einer Choreografie zu einem eher abstrakten Thema, wo die Botschaft über die bewegenden Körper transportiert wird, durften hier bei diesem Handlungs-Ballett die Tänzer*innen in eine Vielzahl an Rollen schlüpfen und so auch ihr schauspielerisches Talent zeigen.

Alfonso Palencia konnte sich den Spaß nicht verkneifen, kleine Änderungen an der Handlung vorzunehmen, um so einen Bezug zu Bremerhaven herzustellen. So schenkt Onkel Drosselmeier Fritz kein Spielzeuggewehr, stattdessen erhält er das Model eines Wikingerschiffes, das in der Traumsequenz dann zu einer stattlichen Größe heranwächst, um Clara, dem Prinz und Onkel Drosselmeier als Reisegefährt zu dienen. Auch gibt es keinen Mausekönig: Stattdessen fordert ein Hasenkönig mit seiner Meute an gruseligen Hasen den Nussknacker-König und seine Armee zum Kampf heraus. Hier erinnert Palencia humorvoll an die vielen Langohren, die sich gerne auf dem Deich der Seestadt blicken lassen. Alle diese drolligen Änderungen fügen sich bestens in die Handlung ein. Da verzeihe ich Palencia auch die (entbehrlichen) modernen Tabletts, die im ersten Akt bei den Geschenken unter dem Weihnachtsbaum lagen.

Rosa Ana Chanzá schaffte mit ihren Kostümen wunderbar den Spagat zwischen Modernität und Verspieltheit, zwischen Eleganz und Charakteristik. Yoko Seyama schuf mit ihrem Bühnenbild einen perfekten Rahmen für dieses entzückende Märchenballett. Im Heim der Familie Silberhaus findet sie die gekonnte Balance zwischen „stilisiert“ (Weihnachtsbaum) und „real“ (Kamin). Bei der Traumsequenz sind ihre prächtigen Videoprojektionen sowohl stimmungs- wie auch phantasievoll. Alfonso Palancia wünschte sich eine Ästhetik à la Tim Burton: Diese ist Yoko Seyama aufs Beste gelungen.

Während bei größeren Ballettcompagnien die jeweiligen Partien mit einzelnen Tänzer*innen besetzt werden, schlüpfte hier das gesamte Ensemble in mehrere Rollen. Jede*r erhielt so die Gelegenheit, sich vielseitig zu präsentieren und im Mittelpunkt zu stehen. Insbesondere im 2. Akt nutzten die Tänzer*innen die Charaktertänze, um sich zu profilieren. Melissa Panetta gab eine entzückende ZUCKERFEE. Ming-Hung Weng brühte als CHINESISCHER TEE stets ein gutes Blatt auf. Adrián Sánchez gefiel sowohl als aufgeweckter FRITZ wie auch als kongeniale Partner für Ana Wohlfart Albarran: Als RUSSISCHES BONBON zeigten sie eine eindrucksvolle Performance. Rosana Gutiérrez Ramírez und Javier Zotano Bermúdez überzeugten als ARABISCHER KAFFEE „mit vollem Aroma“. Melissa Festa und Kuang-Yung Chao brillierten rassig als SPANISCHE SCHOKOLADE, wobei Kuang-Yung Chao bereits als geheimnisvoller ONKEL DROSSELMEIER nachhaltig auf sich aufmerksam machen konnte. Rino Watabe, Julia Acedo Nicolás und Sojeong Park ergänzten das Ensemble bestens u.a. als CLARAS FREUNDINNEN und SCHNEEFLOCKEN.

Kiko Noguchi als CLARA und Marco Marongiu als NUSSKNACKER/PRINZ war ein Leading-Paar, das keine Wünsche offenließ. Kiko Noguchi bezauberte durch Anmut und Grazie und meisterte die anspruchsvolle Partie bravourös. Marco Marongiu an ihrer Seite gab einen kraftvollen Prinzen und erstaunte mit seinen athletischen Sprüngen. Gemeinsam gestalteten sie das bekannte „Pas de deux“ im 2. Akt mit all den schwindelerregenden (zumindest für mich) Hebungen, Arabesquen und Pirouetten grandios und setzten hierbei – innerhalb einer ganz und gar wunderbaren Ensemble-Leistung voller Höhepunkte – einen strahlenden Stern auf die Spitze dieser Inszenierung.

Kurz vor Ende des ersten Aktes öffneten sich die Seitentüren zum Foyer, und die Kinder vom Kinderchor des Stadttheaters reihten sich links und rechts seitlich von der Bühne auf, um den Schneeflocken-Walzer stimmschön zu untermalten und (auch dank der versierten Einstudierung durch Edward Mauritius Münch und Katharina Diegritz) zusätzlich ein funkelndes Highlight zu setzten.

Davide Perniceni kitzelte mit dem Philharmonischen Orchester Bremerhaven wohldosiert den Schmelz aus den Kompositionen, ohne in allzu viel Kitsch zu verfallen. So erklangen die Instrumente fein differenziert, und Tschaikowskys schwelgerischen Melodien kamen mit einer erfrischenden Leichtigkeit zu Gehör.

Ich saß im Zuschauersaal – Nein! – ich durfte in einem Zuschauersaal sitzen und mich von der Kunst überwältigen lassen. Während der Vorstellung lief mir immer mal wieder eine Träne über die Wange, nicht weil ich etwa traurig war – im Gegenteil – ich war so glücklich!


Von der Probe…

…zur fertigen Inszenierung:


Die Vorstellungen von DER NUSSKNACKER am Stadttheater Bremerhaven sind restlos ausverkauft. Doch manchmal kommen zurückgegebene Eintrittskarten wieder in den freien Verkauf. Dann heißt es „Zugreifen!“.

[Ballett] Alfonso Palencia – DIE VIER JAHRESZEITEN / Stadttheater Bremerhaven

Tanzabend von Alfonso Palencia / mit Musik von Antonio Vivaldi (recomposed by Max Richter) und Arvo Pärt

Premiere: 2. März 2024 / besuchte Vorstellung: 18. April 2024
Stadttheater Bremerhaven / Großes Haus


CHOREOGRAFIE & INSZENIERUNG Alfonso Palencia
MUSIKALISCHE LEITUNG Davide Perniceni
BÜHNE & VIDEO Yoko Seyama
KOSTÜME Rosa Ana Chanzá
LICHT Thomas Güldenberg, Daniel Lang

CHOREOGRAFISCHE ASSISTENZ Bobby M. Briscoe
DRAMATURGIE Alfonso Palencia, Torben Selk
INSPIZIENZ Regina Wittmar
THEATERPÄDAGOGIK Florian von Zameck-Glyscinski


Ich wage mich hier mal an die These, dass DIE VIER JAHRESZEITEN von Antonio Vivaldi zu den bekanntesten Werken der Barock-Musik zählt. Selbst jemand, der eher wenig Klassik-affin ist, hat die eine oder andere Passage aus eines dieser Violinkonzerte schon gehört – und sei es nur als musikalische Untermalung zu irgendeinem Werbe-Spot.

Wie unschwer zu erkennen, hat Vivaldi sich bei seinen Kompositionen von den Klängen der Natur inspirieren lassen und so jeder Jahreszeit einen eigenen Klang, eine eigene Dynamik verliehen. Dabei imitieren die Instrumente die jeweiligen Töne aus der Natur, wie Wind und Sturm, aber auch Vogelgezwitscher und das Summen der Insekten sind zu erlauschen.

Kaum ein Werk in der zeitgenössischen Musik wurde so wachen Ohres erwartet wie Max Richters Bearbeitung der Vier Jahreszeiten von Antonio Vivaldi. Das 2012 erschienene Album war in 22 Ländern in den Klassikcharts, wurde über 3 Milliarden Mal gestreamt und untermalte viele Filme. Mit Respekt vorm Original hat die Lesart Richters nichts von Vivaldis Strahlkraft und Modernität verloren. Alfonso Palencia arbeitet Vivaldis Spiel zwischen Mensch und Natur heraus, kombiniert es mit der modernen Deutung Richters und denkt beides in der Bewegungskraft des Körpers weiter. Mit ausdrucksvoller Tanzsprache wird der Versuch unternommen, die Kräfte der Natur zu bezwingen und sich diese zunutze zu machen.

(Inhaltsangabe der Homepage des Stadttheaters Bremerhaven entnommen.)

Es wirkte auf mich, als hätte Max Richter bei seiner Bearbeitung (bzw. „Re-Komposition“) von Antonio Vivaldis Werk Keile in das formale Konstrukt der bekannten Komposition getrieben. Er schien den Rahmen sehr bewusst aufzubrechen, um so Raum zu schaffen, damit er Neues hinzufügen konnte. Musikalische Brocken, die bei diesem Vorgang zu Boden gefallen waren, wurden teils von ihm aufgehoben und an anderer Stelle ans Werk angedockt, teils verblieben sie unbeachtet am Boden. Natur-Töne, die Vivaldi durch die Instrumente imitierte, wurden bei Richter via Audio-Datei zugespielt, und auch Industrieklänge kamen zum Einsatz.

Max Richter sagte, DIE VIER JAHRESZEITEN seien eines der ersten klassischen Musikstücke gewesen, die er gehört habe. Das Werk hätte jedoch durch häufige Verwendung in der Populärkultur seinen „Zauber verloren“. Deshalb habe er sich schließlich entschlossen, „eine total neue Version“ zu schreiben. (Quelle: Wikipedia)


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Dass ein klassisches Werk Eingang in die Populärkultur findet, spricht nach meiner Meinung eher für die meisterliche Qualität dieser Komposition. Dass eben genau dieses Werk für Trivialitäten „missbraucht“ wird, ist weder dem Werk noch dem Komponisten anzukreiden und nimmt in keiner Weise Einfluss auf die Qualität. Eine „Re-Komposition“ erscheint mir da recht überflüssig und entbehrlich.

So lauschte ich aufmerksam auf die Klänge, die aus dem Orchestergraben zu mir vordrangen. Davide Perniceni gelang es mit dem Philharmonischen Orchester Bremerhaven die Versatzstücke bravourös miteinander zu verschmelzen. Und doch hätte ich ihm und den Musiker*innen – vor allem Franz Berlin als exzellenter Solist an der Violine – gewünscht, dass sie das Original-Werk hätten zu Gehör bringen dürfen. Trotz des hohen Alters wirkt Vivaldis Musik nach wie vor deutlich frischer, vitaler und beinah unschuldiger auf mich als die besagte verkopfte „Re-Komposition“.

Wie eine Art Entrée stellt Alfonso Palencia die Komposition Fratres von Arvo Pärts dem eigentlichen Hauptwerk voran. Die einfache Melodienfolge mit Streicher und Schlaginstrumente wirkte auf mich sehr ursprünglich, klar und beinah meditativ. Die Tänzer*innen bewegen sich aus einer Embryonalstellung heraus und recken sich gen Licht. Es entsteht der Eindruck, als wäre dies der Ursprung allen Lebens, das im Verlauf der Jahreszeiten einem stetigen Wandel ausgesetzt ist.

Als präsentes Symbol für das Vergehen der Zeit taucht bei DIE VIER JAHRESZEITEN immer wieder eine Sanduhr auf, die von einem Tänzer in Szene gesetzt wird und so den Fokus auf sich lenkt. Palencia setzt immer wieder konträre Bewegungen einander gegenüber: Da gibt es fließende, beinah schwebende Aktionen, die von rohen, abrupten Bewegungen abgelöst werden. Dann bewegen sich die Tänzer*innen wieder sehr synchron in einer Formation, um im nächsten Augenblick in einem choreografierten Chaos auszubrechen. Auch thematisiert Palencia den negativen Einfluss des Menschen (in der Gruppe, als Paar aber auch als Einzelner) auf die Natur, indem er u.a. einen Eisberg Block für Blog durch die Tänzer*innen auflösen lässt, die die einzelnen Brocken über die gesamte Bühne verteilen. Abermals hat Palencia bei der Kreation seiner Choreografie sehr fein auf die Musik gehört und macht so deutlich, dass sich der Wechsel der Jahreszeiten aus einer Vielzahl an Gegensätze gestaltet: Sanft- und Wildheit, An- und Entspannung, Ruhe und Sturm…

Die Kostüme von Rosa Ana Chanzá unterstreichen diesen Wandel: Da wird das frühlingshafte Aufkeimen der Natur durch farbige Socken symbolisiert. Diese Farbigkeit wird beim fallenden Herbstlaub wiederaufgenommen, während im Winter die hellen Anzüge dominieren. Yoko Seyama schuf für ihre variabel einsetzbaren Stoffbahnen, die immer wieder neue Räume entstehen ließen, wunderschöne und stimmungsvolle Projektionen.

Die Ballett-Compagnie, bestehend aus Helena Bröker, Kuang-Yung Chao, Melissa Festa, Volodymyr Fomenko, Giulia Girardi, Lucia Giarratana, Marco Marongiu, Arturo Lamolda Mir, Melissa Panetta, Zoe Irina Sauer Llano, Clara Silva Gomes und Ming-Hung Wenig, tanzte mit Hingabe und brillierte voller Ästhetik sowohl als Ensemble wie in den Solis. Den tosenden Schlussapplaus hatten sich alle Künstler*innen wahrlich verdient.

ANMERKUNG: „Jedes Tierchen sein Plaisierchen!“ lautet ein geflügeltes Sprichwort. Und wie bei vielen Sprichwörtern versteckt sich im Kern ein Funke Wahrheit. Es gibt Ausdrucksformen in der Kunst, die mich mal mehr, mal weniger ansprechen und emotional berühren. Während eine dramatische Opernarie oder eine gefühlvolle Musical-Ballade tiefe Empfindungen bei mir auslösen, kann ich Rap leider recht wenig abgewinnen. Ähnliches erlebe ich zunehmend beim Ballett: Ein Handlungs-Ballett erreicht da viel schneller mein Herz als eine Choreografie zu einem eher abstrakten Thema, wie es bei DIE VIER JAHRESZEITEN der Fall ist. Wobei ich voller Hochachtung und Respekt die Leistung aller Beteiligten anerkenne und wertschätze.

Und da dachte ich immer, ich wäre für alles offen. Doch nun merke ich, dass sich in mir wohl auch ein Traditionalist versteckt. Ups!!! 😆



Wie schnell doch die Zeit vergeht: Es gibt nur noch einige wenige Termine, um mit der Ballett-Kompagnie am Stadttheater Bremerhaven durch DIE VIER JAHRESZEITEN zu reisen.

[Ballett] Cayetano Soto & Alfonso Palencia – SEELEN / Stadttheater Bremerhaven

Tanzabend von Cayetano Soto und Alfonso Palencia / mit Musik von Bryce Dessner, Johann Sebastian Bach und Philip Glass

Premiere: 7. Oktober 2023 / besuchte Vorstellung: 29. Oktober 2023
Stadttheater Bremerhaven / Großes Haus


TWENTY EIGHT THOUSAND WAVES

CHOREOGRAFIE Cayetano Soto
CHOREOGRAFISCHE EINSTUDIERUNG Mikiko Arai
BÜHNE & KOSTÜME Cayetano Soto

BEHIND THE WINDOW (URAUFFÜHRUNG)

CHOREOGRAFIE Alfonso Palencia
BÜHNE Christian Rinke, Alfonso Palencia
KOSTÜME Alfonso Palencia

ANIMA

CHOREOGRAFIE Alfonso Palencia
BÜHNE Christian Rinke
KOSTÜME Danielle Jost

CHOREOGRAFISCHE ASSISTENZ Bobby M. Briscoe
DRAMATURGIE Alfonso Palencia, Markus Tatzig
INSPIZIENZ Mahina Gallinger


„Veröffentlichst du in dieser Woche noch deinen Beitrag?“ fragte mich ein Freund, als wir nach der Vorstellung auf dem Weg zum Auto waren. Geschmeichelt warf ich mich in Position und schmetterte mit dem Brustton der Überzeugung heraus „Aber natürlich!“. Besagter Freund strahlte mich voller Vorfreude an „Toll! Ich freu` mich!“. Dann verabschiedeten wir uns,…!

…und nun sitze ich hier vor der Tastatur des PCs und starre „auf ein leeres Blatt Papier“, will sagen: auf einen leeren Monitor. Denn wie soll ich etwas beschreiben, was unbeschreiblich wirkt? Welche profanen Wörter können die Emotionen ausdrücken, die ich empfunden habe? Wie definiere ich etwas, das nicht greifbar scheint?

Denn im Grunde geht es mir immer so, wenn ich einem Tanzabend im Theater miterleben durfte. Ballett ist die Form in der darstellenden Kunst, für die ich den größten Respekt empfinde, da sie dem Künstler ein Höchstmaß an Disziplin abverlangt. In meinem laienhaften Verständnis unterstelle ich, dass eine Geschichte einfacher durch Gesang oder Sprache vermittelt werden kann, als mit den Ausdrucksmöglichkeiten, die der Körper vorgibt. Im Tanz werden Empfindungen in Bewegungen übersetzt, die ihre wie selbstverständlich anmutende Leichtigkeit erst durch ein hartes Training erhalten. Niemand, der nicht selbst mit der Materie vertraut ist, kann auch nur annähernd erahnen, wie viele Tränen geweint, wie viele Blessuren verarztet und wie viel Schweiß vergossen wurde, bis auf der Bühne diese perfekte Einheit aus Emotionalität, Erotik und Ästhetik präsentiert werden kann.

In dieser Eröffnungsproduktion des Balletts am Stadttheater Bremerhaven gibt uns Ballettdirektor und Chefchoreograf Alfonso Palencia in drei Tanz-Miniaturen intime Einblicke in die menschliche Seele.


TWENTY EIGHT THOUSAND WAVES

28.000 Wellen im Ozean bilden gemeinsam eine große imposante Welle. Doch sobald diese mit Wucht gegen einen Felsen prallt, löst sie sich wieder auf in 28.000 einzelne Wellen. Beinah scheint es so, als stände jede Welle für ein Menschenleben, das kurzfristig mit anderen Leben eine Verbindung eingeht, sich dann abermals von ihnen loslöst, um sich einsam auf die Suche nach Menschen und Orten zu begeben, bei denen sich heimisch gefühlt werden kann. Die treibenden Violinen in Bryce Dessners Komposition „Aheym“ unterstreichen diese hektische Suche: Die Tanzenden finden zueinander, harmonieren miteinander und werden wieder auseinandergerissen, um sich in neuen Paarungen zu finden…

Mikiko Arai re-kreierte die sowohl kraft- wie auch anspruchsvolle Choreografie von Cayetano Soto zusammen mit den Tänzer*innen des Bremerhavener Ballettensembles, das an diesem Abend aus Helena Bröker, Melissa Festa, Lucia Giarratana, Clara Silva Gomes, Arturo Lamolda Mir, Marco Marongiu, Melissa Panetta, Zoe Irina Sauer Llano, Ming-Hung Wenig und Dawon Yang bestand.

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BEHIND THE WINDOW (URAUFFÜHRUNG)

Hinter einem Fenster kann sich so vieles verbergen: Sehnsüchte, Erwartungen, Ängste oder Ungewissheit. Wir lernen eine Familie bestehend aus Vater, Mutter und Sohn kennen. Das Familienleben könnte so schön sein, doch der Sohn ist unheilbar krank und verstirbt. Die Eltern gehen sehr unterschiedlich mit der Trauer um. Während der Vater den Verlust nicht akzeptieren kann, versucht die Mutter im Alltag zu funktionieren. Plötzlich erscheint hinter dem Fenster eine Erscheinung, die nur der Vater als seinen Sohn wahrnimmt. Die Mutter leidet, da sie am Verstand ihres Mannes zweifelt. Erst als auch sie die Erscheinung hinter dem Fenster wahrnimmt, finden beide wieder zueinander. Die Heilung kann beginnen…!

Zur Musik von Johann Sebastian Bach schuf Alfonso Palencia eine beinah kammerspielartig anmutende und sehr intensive Choreografie bei der „nur“ eine Tänzerin und zwei Tänzer auf der Bühne stehen. Melissa Panetta (Mutter), Ming-Hung Weng (Vater) und Arturo Lamolda Mir (Sohn) bilden eine harmonische Einheit und erzählen äußerst einfühlsam die berührende Geschichte über Verlust, Trauer aber auch Hoffnung.

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ANIMA

Was passiert mit der Seele eines Menschen – im Dies- wie im Jenseits? Wie gestaltet sich der Übergang? Und wie nehmen persönliche Emotionen und Erfahrungen Einfluss auf den Zustand der Seele? Sehr abstrakt nähert sich Alfonso Palencia mit seiner Choreografie der Beantwortung dieser Fragen. Die verschiedenen Zustände der Seelen werden durch die Schattierungen (Weiß, Grau, Schwarz) der Kostüme symbolisiert.

Die Positionen der Tanzenden zueinander bzw. auf den unterschiedlichen Ebenen des Bühnenbildes verdeutlichen, auf welcher Stufe des „Übergangs“ sich die jeweilige Seele befindet. Dabei vermischen sich die Seelen immer wieder im innigen Tanz. Sie führen sich gegenseitig unterstützend von der einer Ebene zur nächsten Ebene, lassen so einst getrennte Seelen sich finden. Das Violinen-Konzert Nr. 2 von Philip Glas bildet bei dieser Choreografie den musikalischen Rahmen.

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Ich bin immer wieder gerührt, mit welcher Begeisterung die Bremerhavener „ihre“ Ballett-Kompanie feiern: Schon während der Vorstellung waren im Publikum bewundernde Rufe zu hören. Nach jeder Sequenz wurde üppig Applaus gespendet. Und trotzdem ließen es sich die Zuschauer*innen nicht nehmen, die Tänzerinnen und Tänzer mit frenetischem Jubel und Standing Ovation von der Bühne zu verabschieden. Großartig!



Informationen und Termine zu weiteren Vorstellungen von SEELEN findet ihr auf der Homepage des Stadttheaters Bremerhaven.

[Konzert] ERÖFFNUNGSGALA 2023/2024 / Stadttheater Bremerhaven

mit dem Main-Theme aus „The Sea Hawk“ von Erich Wolfgang Korngold sowie Arien und Musiken von Jerry Bock, John Du Prez & Eric Idle, Antonín Dvořák, Franz Lehár und Giacomo Puccini

mit Ausschnitten aus „Der zerbrochne Krug“ von Heinrich von Kleist, „Glanz“ von Christina Kettering, „Der Untergang des Hauses Usher“ von Justine Wiechmann und Elisabeth Kirschbaumer (nach Edgar Allan Poe) und dem Ballett „Seelen“ von Alfonso Palencia

Premiere: 2. September 2023 / besuchte Vorstellung: 2. September 2023

Stadttheater Bremerhaven / Großes Haus


Musikalische Leitung: Marc Niemann, Davide Perniceni, Hartmut Brüsch, Tonio Shiga
Chor: Mario Orlando El Fakih Hernández
Szenische Einrichtung: Annika Ellen Flindt
Moderation: Lars Tietje, Peter Hilton Fliegel, Bianca Sue Henne, Alfonso Palencia,
Markus Tatzig

Musiktheater: Ulrich Burdack, Signe Heiberg, Marcin Hutec, Andrew Irwin,
Konstantinos Klironomos, Victoria Kunze, Boshana Milkov
Ballett: Helena Bröker, Melissa Festa, Volodymyr Fomenko, Lucia Giarratana,
Arturo Lamolda Mir, Marco Marongiu, Alícia Navas Otero, Zoe Irina Sauer Llano,
Melissa Panetta, Clara Silva Gomes, Ming-Hung Weng, Dawon Yang
Schauspiel: Frank Auerbach, Richard Feist, Justus Henke, Kay Krause, Marc Vinzing,
Marsha Zimmermann
JUB: Janek Biedermann, Ulrich Fassnacht, Coco Plümer
Opernchor am Stadttheater Bremerhaven
Philharmonisches Orchester Bremerhaven


„The same procedure as every year!“

…könnte man ausrufen, denn – Ja! – der Ablauf einer Eröffnungsgala am Stadttheater Bremerhaven ist Jahr für Jahr recht identisch – nur die Inhalte variieren natürlich. Und gerade dieses Festhalten am Gewohnten schafft für mich als Zuschauer eine wohlbekannte und kuschelige Sicherheit und steigert meine Vorfreude, dass ich nach den enthaltsamen Sommermonaten endlich wieder Theaterluft schnuppern darf.

Gleich zu Beginn der Gala kredenzte uns das Philharmonische Orchester unter der Leitung von GMD Marc Niemann ein Highlight (von vielen, die noch folgen sollten): Das musikalische Hauptthema einer filmischen Piraten-Schmonzette mit Errol Flynn aus dem Jahre 1940, zu der niemand geringerer als Erich Wolfgang Korngold die Musik beisteuerte und so ganz nebenbei die Filmmusik revolutionierte. Das Motto der diesjährigen Konzert-Saison lautet Fremde Heimat: Korngold war vor den Nazis nach Amerika geflohen und musste sich dort eine neue Existenz aufbauen. War der Film „The Sea Hawk“ auch ein Leichtgewicht, so war es die Musik von Korngold ganz und gar nicht, die Niemann mit dem Philharmonische Orchester symphonisch-voluminös und mit einer enormen Klangfülle zu Gehör brachten. Doch auch Davide Perniceni, Hartmut Brüsch und Tonio Shiga ließen es sich nicht nehmen, bei den Programmpunkten zu den ihnen anvertrauten Produktionen hier bei der Eröffnungsgala den Taktstock zu schwingen.

Intendant Lars Tietje gab auch in diesem Jahr einen launig-entspannten Conférencier und holte sich bei passender Gelegenheit die jeweilige Sparten-Leitung in den Personen von Peter Hilton Fliegel, Bianca Sue Henne, Markus Tatzig und Alfonso Palencia an seine Seite.

Frank Auerbach, Richard Feist, Justus Henke und Marsha Zimmermann sorgten mit einem Ausschnitt aus Heinrich von Kleists Lustspiel-Klassiker DER ZERBROCHNE KRUG, der in einem moderneren Gewand präsentiert wird, für die ersten Lacher im Publikum. Der zum Einsatz kommende Kühlschrank mit „Special Effect“ könnte sich durchaus zum Running-Gag entwickeln.

Die Weihnachtspremiere der Oper RUSALKA von Antonín Dvořák verspricht ein ungewöhnliches Hörerlebnis, da sie in tschechischer Sprache aufgeführt wird. Dies ist bestimmt auch für die Sänger*innen eine Herausforderung, die aber hervorragend gemeistert wird, wie Boshana Milkov sowie Ulrich Burdack gemeinsam mit dem Opernchor, der wieder bestens durch Mario Orlando El Fakih Hernández vorbereitet wurde, nachdrücklich unter Beweis stellten.

Auch in diesem Jahr kam es zur Verleihung des Herzlieb-Kohut-Preises, mit dem besondere künstlerische Leistungen am Stadttheater Bremerhaven gewürdigt werden. In diesem Jahr wartete die Jury mit einer Überraschung auf: Nicht eine Person oder Sparte wurde geehrt, diesmal erhielten Toni Burkhardt (Regie), Adriana Mortelliti (Kostüme) und Wolfgang kurima Rauschning (Bühnenbild) gemeinsam diese Auszeichnung für ihre grandiose Umsetzung der Oper BREAKING THE WAVES. Völlig verdient: Auch mich hatte diese Inszenierung nachhaltig beeindruckt.

Die letztjährige Preisträgerin Victoria Kunze behauptete gegenüber ihrem „Partner in Crime“ Andrew Irwin (😉) „Ich bin eine anständ’ge Frau“. Na, ob das wirklich stimmt, da können wir uns in DIE LUSTIGE WITWE, dem Operetten-Klassiker von Franz Lehár überzeugen. Mit einem schmissigen „Ja, das Studium der Weiber ist schwer“ spülten uns Signe Heiberg, Ulrich Burdack und Konstantinos Klironomos mit Unterstützung des Operchores aus dem Saal hinaus in die Pause.

Erst seit einer Spielzeit ist Alfonso Palencia als Ballettdirektor am Haus, und schon hat er deutliche künstlerische Spuren hinterlassen. So überzeugen seine Choreografien durch Emotionalität und Ästhetik. Dies galt auch für die gezeigten Ausschnitte aus dem drei-geteilten Ballettabend SEELEN, die von der Company grandios umgesetzt wurden. Am Ende erhielten die Tänzer*innen einen frenetischen Applaus als Lohn. Tanz scheint mir die Kunstform zu sein, die dem Künstler am Meisten abverlangt und das höchste Maß an Disziplin fordert.


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In dieser Spielzeit steht mit GLANZ von Christina Kettering eine Uraufführung auf dem Spielplan vom JUB (Junges Theater Bremerhaven). In diesem Stück erfindet sich eine junge Frau via Social Media neu und verstrickt sich immer weiter in Lügen: Coco Plümer, Janek Biedermann und Ulrich Fassnacht zeigten mit einem Ausschnitt, wie nah dieses Thema an der Gefühlswert der heutigen Jugend ist.

Doch nicht nur aktuelle Themen werden in den Spielplänen der einzelnen Sparen aufgegriffen, auch die Freunde der klassischen Grusel- und Schauerliteratur kommen weiterhin auf ihre Kosten: Schon in der vergangenen Spielzeit hatte DER UNTERGANG DES HAUSES USHER von Justine Wiechmann und Elisabeth Kirschbaumer (nach der gleichnamigen Erzählung von Edgar Allan Poe) Premiere. Diese beim Publikum sehr beliebte Inszenierung wird auch in dieser Saison weiterhin als Wiederaufnahme zu sehen sein, aus der Marc Vinzing den großen Eröffnungs-Monolog im beinah dunklem Saal gekonnt-unheilschwanger zum Besten gab.

Mit TOSCA von Giacomo Puccini eröffnet das Musiktheater die neue Saison und bietet nicht nur einen Klassiker und Publikumsliebling des Genres, sondern hier am Stadttheater Bremerhaven mit Signe Heiberg und Konstantinos Klironomos zudem ein fulminantes Leading-Paar. Schon mit „Meno male! Egliè la“, der ersten Szene des Tosca-Blocks, in der Marcin Hutec, Andrew Irwin und Konstantinos Klironomos vor dem Orchester standen und sangen, während stückbedingt Signe Heiberg gemeinsam mit dem Opernchor und dem Extrachor von der Seitenbühne zu hören waren, zeigte eindringlich die hohe sängerische Qualität des Hauses. Cavaradossis Arie „E lucevan le stelle“ gestaltete Konstantinos Klironomos voller Wehmut und Trauer, während Toscas „Vissi d’arte“ bei Signe Heiberg sich vom anfänglichen Klagelied beinah bis zur kämpferischen Hymne steigerte. Grandios!!!

Auch wenn das „große“ Musical in dieser Spielzeit beim Schauspiel zu finden ist, so hat das Musiktheater mit THE APPLE TREE von Jerry Bock und Sheldon Harnick zumindest eine deutschsprachige Erstaufführung am Start. Dem Team Bock/Harnick verdanken wir u.a. das wunderbare Musical „Anatevka (Fiddler on the Roof)“. THE APPLE TREE verspricht, ein musical-isches Schmankerl in bester Broadway-Sound-Tradition (Die Ouvertüre wusste schon zu gefallen!) zu werden. Das Musical beschäftigt sich in drei in sich abgeschlossenen Geschichten um das Thema „Verführung“: So dürfen sich Adam und Eva mit der Schlange kabbeln, oder eine junge Frau aus bescheidenen Verhältnissen träumt vom Glitzer der Show-Welt. Apropos: Marcin Hutek war in den vergangenen Spielzeiten ja schon so einiges, u.a. Chef des Olymps. Jetzt durfte er als Schlange den Sündenfall verschulden und versuchte musikalisch seine „Verbot’ne Frucht“ an die Frau zu bringen. Mit „Wahnsinn“ amüsierte Victoria Kunze keck als aufstrebendes aber sich selbst überschätzendes Show-Sternchen. Andrew Irwin gestaltete Adams Klagelied auf „Eva“ so fein akzentuiert, dass es die reine Freude war, ihm zu lauschen.

Das „große“ Musical ist – wie schon erwähnt – in dieser Spielzeit beim Schauspiel verankert: Bei der Musical-Parodie SPAMELOT von Eric Idle und John du Prez nach Monty Phytons „Die Ritter der Kokosnuss“ erwarte ich allerdings auch keinen Schön-Gesang sondern vielmehr ein Feuerwerk an Pointen, die – im wahrsten Sinne des Wortes – auf dem Punkt kommen. Trotzdem dürfen wir uns auf ein komplettes Orchester incl. Opernchor freuen. Bei „Such den Gral“ überzeugte Kay Krause mit gekonntem Sprechgesang als kauziger König Artus. Für die erkrankte Julia Lindhorst-Apfelthaler, die in dieser Inszenierung die Fee aus dem See geben wird, sprang bei der Eröffnungs-Gala kurzfristig Boshana Milkov ein und „soulte“ sich voller Wonne durch den Song.

Mit dem Ohrwurm „Always look on the bright side of life“ wurden wir in die laue Sommernacht Bremerhavens entlassen.


Mit dieser Eröffnungsgala beginnt die SAISON 2023/2024 am Stadttheater Bremerhaven, das mich wieder mit seinem vielfältigen Programm begeistert.